Frau Degenhardt, Das diesjährige Thema der Kinderbuchmesse lautet Wasser. Wie kam es dazu?
I nterview:
Die 32. Auflage der Kinderbuchmesse steht unter dem Thema „Wasser“. Von Anfang an dabei: Birgit Degenhardt. Sie spricht über die Faszination Buch auch für die Jüngsten und den Charme der Traditionsmesse. Auf der es viel zu entdecken gibt.
Frau Degenhardt, Das diesjährige Thema der Kinderbuchmesse lautet Wasser. Wie kam es dazu?
Ich bin in einer Buchhandlung auf einen Thementisch gestoßen mit Kinderbüchern zum Thema Wasser. Das hat mich fasziniert. Wir haben dann im Team mal recherchiert, was es dazu an Kinderliteratur gibt. In Kürze ploppten stapelweise Bücher auf: Bilderbücher, Geschichtenbücher, Sachbücher – ganz verschiedene Kategorien. Das ganze Team war von der Idee sofort begeistert. Es ist ein extrem ergiebiges und hoch aktuelles Thema. Und Kinder interessieren sich sehr dafür.
An der Thematik hängt ja auch Problematisches dran.
Das ist den Kindern absolut bewusst. Die sorgen sich sehr um die Tiere im Meer, weil das Wasser zu warm ist oder zu viel Plastikmüll herumschwimmt. Das kriegen die mit. Und wollen darüber lesen und sprechen. Auf der anderen Seite hat das Thema ja auch ganz viel Leichtigkeit. Wasser lässt an Schwimmbad, Leuchtturm oder Strand denken. Es gibt also beide Aspekte.
An welche Altersklasse richtet sich die Kinderbuchmesse?
Vom Baby bis ungefähr zum Pubertätsbeginn. Wir laden natürlich auch Ältere gerne ein. Viele Pubertierende finden es dann aber irgendwann uncool, dahin zu gehen, wo die „Babys“ sind. Manche kommen später wieder als Helfer zurück. Das finde ich toll.
Das Buch war schon oft totgesagt, auch das Kinderbuch. Das stimmt nicht, oder?
Zum einen hängt natürlich viel von den Eltern ab. Aber: Wenn man Kinder vor Bücher setzt, funktioniert das Interesse fast immer wie von selbst. Bücher haben Anziehungskraft. Die Kinder blättern, riechen, schauen. Und jeder kann in Büchern das finden, was ihn interessiert. Das Kind braucht nur die Möglichkeit dazu.
Und die geben Sie auf der Kinderbuchmesse.
Ja. Hier können die Kinder stöbern und das anschauen, was sie interessiert.
Erreichen Sie genügend Kinder, auch aus bildungsfernen Schichten?
Es läuft einiges über die Schulen, wobei da keineswegs alle mitmachen. Da würde ich mir noch mehr Engagement wünschen. Wichtig ist aber, dass viele Kinder automatisch auf die Messe stoßen, weil sie beispielsweise im Programm implementiert sind, als Mitglied eines Kinderchores oder einer Tanzgruppe, die auf der Messe auftreten, oder weil die Eltern beim Essensangebot mithelfen. Und dann kommen natürlich viele über das Angebot der fremdsprachigen Lesungen zu uns: Arabisch, Persisch, Türkisch, Italienisch, Englisch, Ukrainisch ... Danach bleiben die meisten beim Buchangebot hängen. So erreichen wir sehr viele ganz unterschiedlich geprägte Kinder, was ich sehr wichtig finde.
Die 32. Kinderbuchmesse. Sie waren von Anfang an dabei. Haben sich die Kinder und Ansprüche verändert?
Ich habe folgendes Bild vor Augen: Da liest eine Autorin oder der Oberbürgermeister vor. Auf den Kissen drumherum sitzen die Kinder gebannt und mit offenem Mund – total fasziniert. Das war 1992 genauso wie heute. Ich erlebe die Kinder nicht weniger konzentriert oder interessiert.
Wie habt Ihr Euch verändert?
Ich bin im Planungsteam als einzige noch von Anfang an dabei. Richtig gut ist, dass es immer wieder neue Helfer im Team gibt, jüngere mit kleinen Kindern, die auch neue Ideen mit einbringen. Wir versuchen beispielsweise, die neue Mediennutzung auch mitzugehen. Da herrscht ein lebendiger Austausch. Die Aufgaben sind verteilt. Manche kümmern sich mehr um die Pädagogik, andere um neue Medien oder um das Gastro-Angebot. Insgesamt haben wir uns extrem professionalisiert. Und natürlich ist mit dem Burghof 1998 ein toller Messestandort gefunden worden. Die Anfänge waren wechselhaft: im Gemeindesaal St. Peter, dann im Paul-GerhardtSaal und in der Kaltenbachstiftung.
Die Theaterstücke sind immer sehr schnell ausverkauft. Warum?
Der Theaterbesuch gehört für viele Familien zum Event Kinderbuchmesse dazu. Außerdem ist die Qualität der Stücke bekannt. Das ist Spitzentheater!
Es gibt auch wieder die Lesenacht. Was finden Kinder daran so toll?
Das ist ein richtiges Abenteuer! Ich finde, da gehört auch ganz schön viel Mut dazu. Es ist etwas Außergewöhnliches, in einem ungewohnten Raum von Büchern und Geschichten umgeben zu sein und auch vorgelesen zu bekommen. Die Faszination ist jedenfalls ungebrochen.
Drei digitale Jahre wegen Corona. Was hat das geändert?
Wir haben extrem viel gelernt und vieles zum ersten Mal umgesetzt: vom Livestream bis zum Bearbeiten von Videos. Wir sind viel offener geworden, mit solchen Mitteln zu arbeiten – und das werden wir künftig weiter nutzen, beispielsweise, wenn ein Autor nicht in Präsenz lesen kann. Oder für Buchempfehlungen via Video. Trotzdem: Live ist natürlich schöner.
Was macht für Sie den Charme der Lörracher Kinderbuchmesse aus, außer dass sie kostenlos ist?
Sie ist bunt und vielfältig. Es wird nicht nur das gute Buch empfohlen – natürlich ohne erhobenen Zeigefinger –, sondern es gibt eine Riesen-Bandbreite, getragen von sehr unterschiedlichen Menschen, auch im Publikum. Das Besondere ist, es gibt eine Kombination aus den Beiträgen von Kindern und der Exzellenz von Profis, die auftreten, inklusive Workshops. Es gibt jede Menge neue Erlebnisse an einem tollen Ort mitten in der Stadt.
Gibt es die Kinderbuchmesse auch noch in 20 Jahren?
Ja.
Kinderbuchmesse im Burghof: Eröffnung: Freitag, 24. November, 16 Uhr, geöffnet bis 19 Uhr; weitere Öffnungszeiten: Samstag und Sonntag, 11 bis 18 Uhr, Eintritt frei; Infos über Lesungen, Theater und Workshops unter burghof-leselust.com