Lörrach Die Seele wird nicht dement

Gabriele Hauger

Demenz: Interessanter und praxisorientierter Vortrag in der Gevita

Demenz verändert alles: das Leben der Betroffenen, das Leben der Angehörigen. Eine Einordnung des Krankheitsbildes, Verständnis, Tipps und eine Portion Mut vermittelte Elfriede Marino bei ihrem Vortrag in der Gevita.

Von Gabriele Hauger

Lörrach. Die Seniorenresidenz hatte als Mitgliedseinrichtung im Netzwerk Demenz im Landkreis Lörrach zu diesem Fachvortrag eingeladen und wollte so das Thema Demenz einmal mehr in die Bevölkerung tragen und dafür sensibilisieren. Ziel solcher Angebote ist es, neue Wege und mehr Verständnis im Umgang miteinander zu finden.

Die Referentin Elfriede Marino hat langjährige Erfahrung in der Pflege und war viele Jahre Wohnbereichsleitung einer beschützenden Station von Menschen mit Demenz. Heute berät sie neben ihrer Referententätigkeit Angehörige von Menschen mit Demenz.

Aha-Erlebnisse

Für alle sei das Leben mit Demenz eine leidvolle Zeit, besonders dann, wenn man nicht verstehe, was bei dieser bisher unheilbaren Krankheit im Gehirn passiere, erläuterte sie. „Wir versuchen, den betroffenen Menschen in unsere Welt zurückzuholen. Das ist falsch. Wir müssen in seine Welt hineingehen.“ Mit solch plastischen, schlüssigen Sätzen, die sie gerne anhand von Personenaufstellungen verdeutlichte, sorgte diese Frau der Praxis für so manches Aha-Erlebnis bei den interessierten Zuhörern.

Regal voller Lebensbücher

Drei Stadien durchläuft die Krankheit. Zunächst ist vor allem das Kurzzeitgedächtnis betroffen. Marino verglich die Erinnerung mit einem Regal voller Lebensbücher. Diese werden durch die Krankheit zunehmend vertauscht. Der Erkrankte befindet sich verstärkt in den Büchern der Vergangenheit – und dort müsse man ihn abholen. Die aktuelle Welt sei nicht mehr von Interesse, Angehörige sollten nicht versuchen, zu widersprechen, zu belehren, zu insistieren; das fördere Aggressionen. „Die Vergangenheit ist für an Demenz Erkrankte eine Art Rettungsanker“, erklärt Elfriede Marino. Meist fühlen sie sich jünger, könnten daher beispielsweise Ehepartner oder Kinder nicht mehr zu sich einordnen – schmerzhaft für die Angehörigen.

Teilhabe fördern

Umso schöner sei es für die Erkrankten, mit ihnen in die noch präsente Vergangenheit einzutauchen: in die Kindheit, die Schulzeit, mit Erzählungen, Liedern, Fotografien. „Wir müssen herausfinden, was ihnen Freude macht“, dafür plädiert die Fachfrau. Dazu gehört viel Geduld und Ruhe zu bewahren, auch wenn zig mal hintereinander dasselbe gesagt oder gefragt werde.

Eine Herausforderung für Angehörige und Pflegende sei es besonders, wenn die Erkrankten plötzlich ungefiltert sagen, was sie konkret in diesem Moment denken und fühlen. Das komme schonungslos, quasi ohne „Anstand“ herüber und könne verständlicherweise sehr weh tun. Beschuldigungen, Ablehnung, Misstrauen sowie der Verlust der Urteils- und Kritikfähigkeit gehören dazu. Nur wenige Minuten später indes habe der Demente seine Worte vergessen. „Man darf das nicht persönlich nehmen, sollte es am besten mittels Humor auflösen. „Dagegen anreden oder argumentieren nützt nichts. Vielleicht sollte man eher mit Sätzen wie ’Wenn Du das so empfindest...’ reagieren“, empfiehlt Elfriede Marino.

Sie wünscht sich, dass man die Erkrankten mitnimmt: zu Spaziergängen, bei kleinen Unternehmungen und sie keinesfalls in der Teilnahmslosigkeit zurücklässt. Blickkontakte, nicht zu schnell und nicht zu laut reden, seien weitere Hilfsmittel. Den Schlüssel zu ihrem Inneren zu finden, das sei die Herausforderung.

Erinnerungskiste anlegen

Als pragmatische Tipps zur Annäherung empfiehlt sie, Lebensbücher oder Erinnerungskisten anzulegen mit Fotos, Sprüchen, Büchern oder Dokumenten, die dem Erkrankten wichtig waren. Diese gemeinsam durchzuschauen, sei oft ein guter Schritt, sich trotz der Krankheit anzunähern. Denn, so Marino: „Die Seele wird nicht dement.“

  Elfriede Marino ist Mitbuchautorin des Buchs „Mutti lässt grüßen“ und eines Angehörigen-Leitfadens für an Demenz erkrankte Menschen.

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