Lörrach Ein Abend der Sonderklasse

Die Oberbadische
Überirdisch, entrückt, milde: der Klang des Hagen Quartetts heute, wie er sich im Burghof darstellte Foto: zVg/Hoffmann Foto: Die Oberbadische

Konzert: Hagen Quartett im Burghof mit subtiler Ästhetik

Von Jürgen Scharf

Lörrach. Das Spiel des Hagen Quartetts, eines der dienstältesten Quartette, wird mit den Jahren immer entrückter, aber auch milder. Das hörte man im Burghof-Konzert am Sonntag gleich zu Beginn bei einem schier überirdisch gespielten Beethoven. Das „definitiv berühmteste Quartett“ (Neue Zürcher Zeitung) wendet seine subtile Ästhetik und sein Klangraffinement auch auf Beethovens frühes erstes Streichquartett F-Dur op.18 an und lässt es wie ein spätes klingen.

Schon hier ist das unverwechselbare Profil der Hagens zu hören: eine vollendete Ausgewogenheit der Proportionen, ein extraordinäres Zusammenspiel durch Blickkontakte, eine absolut reine, klare Klanglichkeit. Ein Beethoven zwischen Ernsthaftigkeit und Spiellaune, Schmerz und Leidenschaft in den fein abgetönten und hoch differenzierten Sätzen. „Zum Niederknien schön“ müsste man titeln, wenn das nicht schon andere getan hätten.

Dass dieses Quartett von Weltruhm Vorbildfunktion für viele junge Quartette haben muss, ist klar; nicht nur, wenn man den Beethoven hört, sondern auch ihre sehr eigene, ästhetisch hochkarätige Auseinandersetzung mit Anton Webern. Dessen „Langsamer Satz für Streichquartett“, eine Veröffentlichung aus dem Nachlass, ist in der Zeit entstanden, als Webern Kompositionsschüler von Arnold Schönberg war. Das Stück ist noch ganz in der Tradition der Spätromantik gehalten, das thematische Material wird im Sinne von Brahms verarbeitet, aber es wetterleuchtet doch schon gewaltig um die Neue Wiener Schule. Zwar ist es noch keine Musik auf engstem Raum, aber sie weist schon in neue Klangregionen mit ihren verschiedenen Spieltechniken.

Die Hagens entreißen das Werk dem traditionellen Formmuster und interpretieren es vor dem Hintergrund ihres künstlerischen Reichtums an Ausdrucksschattierungen und extremen Differenzierungen als eine packende Dokumentation des musikalischen Expressionismus. Will heißen: Weberns „langsam, mit bewegtem Ausdruck“ notierte Musik wird mit höchster Expressivität aufgeladen. Die schiere Atemlosigkeit vor der Pause.

Man hat noch die atemberaubende Pianissimokultur des Ensembles im Ohr, wenn man wieder in den Saal zurückkommt, um Ravels frühes Streichquartett zu hören, von dem man immer dachte, dass es stilistisch an Debussy angelehnt ist (der davon auch begeistert war). Doch es klingt unter den Bögen dieses Ausnahmequartetts weniger französisch-impressionistisch, wiewohl doch Ravels Werk in seiner Ästhetik dieser Epoche angehört.

Primarius Lukas Hagen, Rainer Schmidt an der zweiten Violine, Veronika Hagen an der Bratsche und Clemens Hagen am Cello sehen das Ravel-Quartett sehr modern in seiner Suche nach neuen Harmonien und präsentieren es rhythmisch und dynamisch kontrastreich, weniger mit dem typisch französischen „Esprit“, den man sich vielleicht noch etwas mehr gewünscht hätte, als mit „Clarté“, analytischer Klarheit. Aber das war nicht anders zu erwarten, als dass die Hagens ihren hoch entwickelten Klangsinn auch auf Ravel anwenden. Also ein Abend der Sonderklasse.

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