Das Solistenensemble wirkte in den wenigen gemeinsam gesungenen Teilen ausgewogen. Besonders hängen blieben im Ohr die akkurat prangenden Melismen von Altistin Ursula Eittinger in „Bereite dich, Zion“, der fein artikulierte Klang von Raphael Höhn als Evangelist in den Rezitativen, der ausdrucks- und konturenstarke Bass von Torsten Meyer sowie die anmutig silbernen Farben von Sopranistin Regina Kabis.
Zwischen den Bach’schen Kantaten wirkte Knut Nystedts „Immortal Bach“ als Kommentar auf das Weihnachtsgeschehen. Sein Umgang mit Bachs Notenvorlage „Komm süßer Tod, komm selige Ruh!“ ist so einfach wie wirkungsvoll. Er lässt die Originalstimmen von fünf Chorgruppen jeweils in unterschiedlichen Tempi vortragen und erzeugt damit einen klanglichen Zeitlupen- und Verschleierungseffekt. Diese scheinbar lediglich mechanistische Bearbeitung der Vorlage schafft eine Klangsphäre jenseits der pulsierenden Kadenzharmonik Bachs und kann als modernes Sinnbild für ein Vertraut werden mit einem freundlichen Tod wahrgenommen werden. Spannungsreich und mit außerordentlicher Tonkontrolle setzt der Chor die mystischen Dissonanzen in Szene.
Die Musik des alten Bachs mag für viele Liebhaber eine unverzichtbare musikalische Heimat darstellen. Nennenswerte neue Möglichkeiten der Bewusstseinserweiterungen werden jedoch erst mit aktuellerer Musik, wie die des norwegischen Großmeisters Nynstedt geschaffen. Respekt und Kompliment an den Chorleiter Böllhoff, der sich dieses fruchtbaren Spannungsverhältnisses bewusst ist und dies in eindrücklicher Qualität dem Lörracher Publikum vermitteln konnte.