Lörrach Ein anregendes Spannungsverhältnis

Willi Vogl
Der Motettenchor in vorzüglicher artikulatorischer und klanglicher Präsenz. Foto: Willi Vogl

Bachs Weihnachtsoratorium und Nystedts „Immortal Bach“ mit Motettenchor und Barockorchester.

Lörrach - Alle Jahre wieder und im deutschen Sprachraum nahezu flächendeckend gehört Johann Sebastian Bachs barockglitzerndes Weihnachtsoratorium für viele Musikliebhaber zu Weihnachten wie der Weihnachtsbaum. Mit seiner Klangkunst versteht es der komponierende Leipziger Evangelist auch bei jenen Menschen religiöse Empfindungen zu erzeugen, die ansonsten keine nennenswerte Beziehung zur Kirche pflegen.

Dabei stammten viele Chöre und Arien daraus aus weltlichen Werken. So kommt etwa der Eingangschor „Jauchzet, frohlocket“ direkt von gleicher Stelle der dramatischen Glückwunschkantate BWV 214 „Tönet, ihr Pauken! Erschallet, Trompeten!“, die Bach für das sächsische Herrscherhaus komponierte.

Umtextungen von weltlicher in kirchliche Musik folgten der Praxis ihrer Zeit, denn schließlich konnte auch der fleißige Thomaskantor nicht jeden Tag ein neues Werk abliefern. Im Falle des Weihnachtsoratoriums dürfte zudem die Aussicht auf weitere Aufführungen ausschlaggebend gewesen sein.

Der Lörracher Motettenchor unter der Leitung von Stephan Böllhoff und das Barockorchester des Chores mit seiner Konzertmeisterin Angelika Balzer musizierten am 3. Advent in der Christuskirche daraus die Kantaten I bis III.

Einmal mehr zeigte sich der Chor in vorzüglicher artikulatorischer und klanglicher Präsenz. So überzeugte er im Eingangschor „Tönet, ihr Pauken! Erschallet, Trompeten!“ gut koordiniert mit jubilierender Wucht oder im Choral „Wie soll ich dich empfangen“ mit schlichter Eindringlichkeit. Das auf historischen Instrumenten musizierende Orchester zeigte sich im Tutti als präzise agierender Begleiter sowie gleichermaßen als charakterstarker Impulsgeber. Solistischen Positionen, wie der geschmeidig gespielte Geigenpart in der Alt-Arie „Schließe, mein Herz“ oder der virtuose und intonationssichere Trompetenpart in der Bass-Arie „Großer Herr, o starker König“, waren mit Angelika Balzer und Karin Stock exzellent besetzt.

Das Solistenensemble wirkte in den wenigen gemeinsam gesungenen Teilen ausgewogen. Besonders hängen blieben im Ohr die akkurat prangenden Melismen von Altistin Ursula Eittinger in „Bereite dich, Zion“, der fein artikulierte Klang von Raphael Höhn als Evangelist in den Rezitativen, der ausdrucks- und konturenstarke Bass von Torsten Meyer sowie die anmutig silbernen Farben von Sopranistin Regina Kabis.

Zwischen den Bach’schen Kantaten wirkte Knut Nystedts „Immortal Bach“ als Kommentar auf das Weihnachtsgeschehen. Sein Umgang mit Bachs Notenvorlage „Komm süßer Tod, komm selige Ruh!“ ist so einfach wie wirkungsvoll. Er lässt die Originalstimmen von fünf Chorgruppen jeweils in unterschiedlichen Tempi vortragen und erzeugt damit einen klanglichen Zeitlupen- und Verschleierungseffekt. Diese scheinbar lediglich mechanistische Bearbeitung der Vorlage schafft eine Klangsphäre jenseits der pulsierenden Kadenzharmonik Bachs und kann als modernes Sinnbild für ein Vertraut werden mit einem freundlichen Tod wahrgenommen werden. Spannungsreich und mit außerordentlicher Tonkontrolle setzt der Chor die mystischen Dissonanzen in Szene.

Die Musik des alten Bachs mag für viele Liebhaber eine unverzichtbare musikalische Heimat darstellen. Nennenswerte neue Möglichkeiten der Bewusstseinserweiterungen werden jedoch erst mit aktuellerer Musik, wie die des norwegischen Großmeisters Nynstedt geschaffen. Respekt und Kompliment an den Chorleiter Böllhoff, der sich dieses fruchtbaren Spannungsverhältnisses bewusst ist und dies in eindrücklicher Qualität dem Lörracher Publikum vermitteln konnte.

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