Lörrach Ein Appell für Zivilcourage

Die Oberbadische
Margot Wicki-Schwarzschild war schon mehrfach am Campus zu Gast. Foto: Kristoff Meller

Zeitzeugengespräch: Holocaust-Gedenken der Stadt Lörrach mit Margot Wicki-Schwarzschild

Lörrach - Der 27. Januar ist der Internationale Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust. 2020 hat sich die Befreiung von Auschwitz zum 75. Mal gejährt. Dieser wichtige Gedenktag wurde bundesweit begannen. In Lörrach veranstaltet die Stadt gemeinsam mit der Theodor-Heuss-Realschule und dem Hebel-Gymnasium am 11. Februar ein Zeitzeugengespräch für Schüler mit Margot Wicki-Schwarzschild.

Die Kommune hat mit der Errichtung der Stele in der Teichstraße unweit der Stelle der alten und der neuen Synagoge ein Zeichen des Gedenkens an die am 22. Oktober 1940 aus Lörrach deportierten Juden gesetzt. Für einige der auf der Stele namentlich genannten Deportierten gab es ein Entkommen aus den Lagern Gurs und Rivesaltes in Südfrankreich, sei es durch Visa, die die Einreise in die USA ermöglichten, sei es durch die Rettungsbemühungen humanitärer Organisationen.

Oftmals namentlich unbekannte Retter

Andere Lörracher Juden, derer auf der Stele gedacht wird, fanden den Tod in Auschwitz. So listet das Gedenkbuch des Bundesarchivs neben dem letzten Vorsteher der Israelitischen Gemeinde Isaak Beck drei weitere Mitglieder seiner Familie auf, die über das Sammellager Drancy aus Frankreich nach Auschwitz deportiert wurden und dort umkamen. Der Holocaust-Gedenktag ist aber auch Anlass, der namentlich bekannten und oftmals unbekannten Retter zu gedenken, die Menschen aus den Lagern Gurs und Rivesaltes befreiten, ihnen Unterschlupf gewährten und den rettenden Weg in die Schweiz wiesen.

Ein ebensolches Rettungsschicksal widerfuhr dem letzten Kantor der Israelitischen Gemeinde Lörrachs, Paul Reutlinger und Alice Reutlinger sowie ihrer im Dezember 1936 in Lörrach geborenen Tochter Ronia. Ronia Reutlinger hinterließ bei ihren Besuchen in Lörrach einen bewegenden Bericht ihrer Rettung durch Schwestern des Schweizerischen Roten Kreuzes, die dem Kind auf couragierte Weise den Übertritt auf schweizerisches Gebiet bei Genf ermöglichten. Dieser Bericht ist im Stadtarchiv einsehbar.

Relative Sicherheit im Chateau des Avenieres

Die Familie Reutlinger, wenngleich aus Lörrach, ist nicht namentlich auf der Stele aufgeführt. Sie wurde am 22. Oktober 1940 aus Freiburg nach Gurs deportiert. Am 10. März 1941 wurde die Familie von den Behörden der Vichy-Regierung in das Lager Rivesaltes verlegt. Ronia wurde von Mitarbeiterinnen der Schweizerischen Kinderhilfe des Roten Kreuzes in Obhut genommen und befand sich zunächst im Chateau des Avenieres in der Gemeinde Cruseille in Obersavoyen in relativer Sicherheit.

Als die Situation dort für Ronia gefährlich wurde, brachte sie eine Schwester der schweizerischen Kinderhilfe unmittelbar an die schweizerische Grenze. Die verbleibenden Meter legte das Kind alleine zurück. Auf der schweizerischen Seite nahm sie ein Vertrauensmann in Empfang.

Nach dem Krieg emigrierte die nunmehr fünfköpfige Familie nach New York, wo Ronia Reutlinger-Beecher heute lebt. Sie hat in den vergangenen Jahren gemeinsam mit ihren Töchtern Judi und Andrea der Stadt Lörrach zwei Besuche abgestattet und Orte ihrer Vorfahren unter anderem in der Teich- und Grabenstraße aufgesucht. Ihre im Stadtarchiv abgelegte Geburtsurkunde weist die Schulze-Delitzsch-Straße als Wohnsitz der Familie aus.

Glückliche Fügungen

Margot Wicki-Schwarzschild wurde als Neunjährige am 22. Oktober 1940 mit ihrer Familie aus Kaiserslautern ins Internierungslager Gurs deportiert. Sie teilt damit das Schicksal der aus Lörrach dorthin verschleppten Juden. Ronia Reutlinger-Beecher und Margot Wicki-Schwarzschild kennen sich aus dem Lager Rivesaltes.

Durch glückliche Fügungen und die Unterstützung einer Schweizer Krankenschwester konnten Margot Wicki-Schwarzschild mit ihrer Schwester und Mutter vor der Deportation nach Auschwitz gerettet werden. Ihr Vater wurde in Auschwitz ermordet und erlebte die Befreiung des KZ am 27. Januar 1945 nicht mehr. Die Mutter kehrte mit den Mädchen schon im Herbst 1946 zurück nach Kaiserslautern und lebte später mehrere Jahre in Lörrach Margot Wicki-Schwarzschild lebt heute bei Basel.

Auch im hohen Alter ist es ihr ein Anliegen, durch ihren Zeitzeugenbericht die Erinnerung an den Holocaust wach zu halten. Sie zeigt durch ihre Geschichte, welche Schlüsselrolle der persönliche Einsatz und die Zivilcourage Einzelner für das Überleben von tausenden Jüdinnen und Juden gespielt haben. Ihre Erfahrungen sind ein Appell für Zivilcourage sowie gegen Rassismus und Antisemitismus heute.

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