Lörrach „Ein denkwürdiger Anlass“

Chris Rütschlin
Die Gruppe der israelisch deutschen Schülerbegegnung der FES Lörrach besucht die Gedenkstätte für Flüchtlinge in Riehen und gedenkt der Opfer mit Blumenniederlegung und Kaddisch-Gebet. Foto: Chris Rütschlin

Jugendbegegnung: Acht israelische Jugendliche aus Tel Aviv sind zu Gast in Lörrach.

Lörrach - Einen Schneeball kugelrund zu reiben und das über eine Stunde lang, egal wie nass Pullover und Jeans vom Schmelzwasser waren: Diese Freude genossen die acht israelischen Jugendlichen, die eine Woche lang in Gastfamilien gleichaltriger Schüler der Freien Evangelischen Schule (FES) wohnten. Auf dem Belchengipfel hatten sich die Jugendlichen der Irony Hey Highschool in Tel Aviv nicht nur am Schnee sondern auch am satten Grün der Schwarzwaldnatur erfreut. Kein Wunder, denn Israel – mehr als die Hälfte des Landes besteht aus Wüste – gehört zu den trockensten Ländern der Welt.

Wie aus Salzwasser Trinkwasser wird

Reisebegleiter Matan Aderet und Anat ließen tagsdrauf die deutschen und israelischen Jugendlichen im Chemielabor der FES in einem Versuch darstellen, wie man aus Salzwasser Trinkwasser gewinnen kann. Sie wollten damit die Jugendlichen für das brisante Thema Trinkwasser sensibilisieren. Grund auch warum Israel, das nur den See Genezareth und das Jordanflüsschen als Süsswasserquelle hat, seit Jahrzehnten in der weltgrössten Entsalzungsanlage südlich von Tel Aviv an diesem Thema forscht. Mittlerweile gewinnt das kleine dicht besiedelte Nahostland (es entspricht der Fläche Hessens) mit dieser und anderen Anlagen 55 Prozent seines Trinkwassers selbst. Zudem werden 75 Prozent des Abwassers wiederverwendet. Die Negev Wüste ist geschrumpft, weil durch Obst und Gemüseanbau wie beispielsweise Tomaten, Sandland in Gemüseanbauflächen umgewandelt werden konnte. Stolz sind die Forscher darauf, dass man in der Wüste mittels sparsamer Tröpfchenbewässerung und gering salzhaltigem Wasser (erhältlich via Umkehrosmose ) Peperoni und Paprika anbaut. Das Thema Umwelttechnologie hatte bereits im Vorfeld der Reise auf der Agenda gestanden.

Schulleiterin Limor Miller hatte sich bei ConAct (Koordinierungszentrum für deutsch –israelischen Jugendaustausch) für den Schulaustausch mit Lörrach beworben, weil sie den Jugendlichen das Deutschland von heute mit seiner führenden Umwelttechnologie zeigen wollte. Mit 1000 Euro hatten sich die Stadtverwaltung Tel Aviv und der Schulfonds eingebracht, was ermöglichte, dass die Jugendlichen das Vauban Wohnareal der „Green City “ Freiburg sowie deren Biomüllverarbeitung besuchen konnten.

Chris Rütschlin, die 2015 den deutsch–jüdischen Freundeskreises Lörrach begründet hatte, fand bei ConAct eine Plattform, um Jugendliche aller Ethnien aus Israel, das zu 30 Prozent aus Arabischen und 70 Prozent jüdischen Staatsbürgern besteht, ans Rheinknie zu bringen.

Stadtführung zur Geschichte Lörrachs

Ein Empfang bei der Stadt Lörrach samt Stadtführung zur Geschichte Lörrachs während der NS-Diktatur durch Hubert Bernnat, Stadtrat und früherer Direktor des Hans-Thoma-Gymnasiums, bildete den Auftakt des einwöchigen Aufenthaltes. Bernnat hatte vergangenen Juni den Kontakt zur FES hergestellt.“ Gerade für Lörrach mit seiner damalig einmaligen Flüchtlingssituation an der Schweizer Grenze und der Deportation und Ermordung von nahezu 50 jüdischen Mitbürgern in der Zeit der Diktatur der Nationalsozialisten ist dieser erste Besuch israelischer Jugendlicher von historischer Bedeutung“, sagte Bernnat, als er den Jugendlichen den Gemeinderatsaal und das Foto von NS-Rathauschef Boos von 1942 zeigte. Matan Aderet, Lehrer für Judaistik an der laizistischen Irony-Hey-Highschhool führte am Freitagabend die internationale Runde in die Synagoge zur Shabbatfeier, wo in Englisch, Deutsch, Hebräisch und Russischer Sprache gesprochen wurde und eine beeindruckende Sprachenvielfalt herrschte. Für Rabbiner Flohmenmann war es ein eindrücklicher Abend: „Wir sind sehr glücklich, dass erstmals Jugendliche aus Lörrach und Tel Aviv heute zusammen mit uns hier den Shabbat erleben. Ein denkwürdiger Anlass.“

Viel Spass hatten die 16 Jugendlichen bei ihrer Belchenbesteigung und der Tour zum Rheinfall Schaffhausen. Den Abschluss bildete der Besuch der Gedenkstätte für Flüchtlinge im Zweiten Weltkrieg in Riehen, wo die Gruppe den Kaddisch das jüdische Gebet für die Verstorbenen sprach, andachtsvoll Lieder sang und mit 21 Rosen die bronzene Menoraskulptur aus Eisenbahnschienenresten schmückte.

Der Gegenbesuch von Lörracher Jugendlichen ist im Herbst geplant.

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