Lörrach Ein letztes Gefecht an der Lucke

Guido Neidinger

Geschichte: Heute vor 75 Jahren endete für die Stadt Lörrach der Zweite Weltkrieg

Lörrach - Der Zweite Weltkrieg endete offiziell am 7. Mai 1945 mit der Unterzeichnung der Kapitulationserklärung durch Großadmiral Dönitz, den Nachfolger Hitlers. In Lörrach hatte sich das letzte Aufgebot nach heftigen Kämpfen bereits am 24. April den vorrückenden Franzosen ergeben. Die letzten Tage des Widerstands und die anschließende Besatzungszeit beleuchten wir aus diesem Anlass nach den Schilderungen mehrerer Zeitzeugen.

Nahezu widerstandslos und mit einem „eher symbolischen Gefecht, wie der damalige NS-Bürgermeister Reinhard Boos später glauben machen wollte, ist Lörrach nicht übergeben worden“, betont Markus Moehring, der Leiter des Dreiländermuseums: „Die Stadt wurde viel massiver als andere Orte verteidigt“. Das Gefecht an der Lucke am 24. April 1945 habe zweieinhalb Stunden gedauert. Das deckt sich auch mit den Aussagen von Erika Moll (geb. Brunner), die das Kriegsende als kleines Kind erlebte. Um die Mittagszeit, als französische Soldaten bereits in ihrem Elternhaus an der Wiese in Tumringen (jetzt Wohnanlage der Wohnbau Lörrach) waren, sei eine Schießerei losgegangen, und sie musste zur Sicherheit mit ihrer Schwester Vreneli in den Kohlenkeller. Plötzlich sei die Kellertür aufgeflogen. „Madame rauf!“ schrie der französische Kommandeur Hermine Brunner, Erikas Mutter, an und befahl ihr, zu den Widerständlern zu gehen und sie zum Aufgeben zu bewegen, sonst würden alle niedergemacht.

Lörrach sollte bis zum letzten Blutstropfen verteidigt werden. Einem jungen Burschen, so Erika Moll, habe ihre Mutter das Gewehr aus der Hand gerissen mit den Worten: „Bub hör doch auf zu schießen, wir haben das Haus voller Franzosen.“

Widerständler wollten Haus mit Franzosen in die Luft sprengen

Viel später erfuhr Erika Moll, dass die Widerständler beabsichtigten, „unser Haus mit den Franzosen und uns in die Luft zu sprengen. Doch dazu kam es Gott sei Dank nicht mehr.“ In einem Vortrag zum Kriegsende beleuchtete Markus Moehring vor einigen Jahren, warum Lörrach „bis zum letzten Blutstropfen verteidigt“ werden sollte, wie NSDAP-Kreisleiter Grüner noch am 21. April bei einer Lagebesprechung befohlen hatte. Es gab aber auch Beispiele von Verweigerung, die im letzten Moment die geplanten Zerstörungen in Lörrach und weiteres Blutvergießen verhinderten. So blieb zum Beispiel die Brücke nach Tüllingen erhalten, obwohl ihre Sprengung vorbereitet war.

Die Zeit der Besatzung war für die Lörracher von Hungersnot geprägt. Das ist laut Moehring „der Grund dafür, dass viele die Nachkriegsjahre in schlimmerer Erinnerung haben als die Kriegsjahre“. Auch Plünderungen und eine unbekannte Zahl von Vergewaltigungen und Abtreibungen gab es laut Moehring.

Mit dem Ende des Krieges hörte zwar das massenhafte Töten auf, aber nicht alle überlebten. So herrschte große Aufregung nach einem schrecklichen Zwischenfall auf dem außerhalb gelegenen Lörhof. Nach den Schilderungen von Zeitzeugin Dora Bürgelin in einer Serie unserer Zeitung zum Kriegsende hörte Bauer Erwin Dapp eines Nachts Geräusche. Trotz der von den Franzosen verhängten Ausgangssperre betrat er seinen Hofraum und wurde sofort erschossen.

„Es wurde nie aufgeklärt, wer diese Tat begangen hat. Man hat vermutet, dass es marokkanische Soldaten waren, die in Lörrach stationiert waren, und die Vieh stehlen wollten. Diebstähle kamen nämlich auch auf dem Hörcherhof vor“, erzählte Dora Bürgelin. Als „besonders tragisch“ hat sie den Tod Dapps in Erinnerung, „da dieser, wie mein Vater, nicht in der Partei war und von den Nazis sogar verwarnt wurde, weil er die Hand nicht zum Hitlergruß gehoben hat“.

Verhältnis der Lörracher zu den Besatzern wandelt sich mit der Zeit

Mit der Zeit wandelte sich laut Markus Moehring das Verhältnis der Lörracher zu den Besatzern. Die französische Armee und nicht zuletzt ihre marokkanischen und algerischen Soldaten brachten „eine neue Erfahrung mit einer neuen Kultur“.

Für viele Kinder war die Zeit nach dem Ende des Krieges auch eine Zeit gefährlicher Abenteuer. „Wir Jungs lebten mehr auf der Straße“, erinnerte sich Karl-Friedrich Motsch. Der damals Fünfjährige schloss sich einer Straßenbande an, mit Jungs bis zu 16 Jahren. „Wir fühlten uns wie Werwölfe und spielten mehrfach mit dem Feuer“, erinnerte er sich. Eine von den Franzosen gestohlene Handgranate zündete die Bande in der Wiese, um Fische zu fangen. Die durch die Detonation getöteten Tiere sammelten sie flussabwärts ein. Die Franzosen vermuteten einen Angriff auf ihren Militärposten und verschärften die Ausgangssperre. Im städtischen Werkhof klauten die Jungs einen Behälter mit flüssigem Teer und malten SS-Runen an Häuser im Stadtgebiet. „Erst als die Kinder wieder regelmäßig in die Schule gingen, hörten die gefährlichen Streiche auf.“

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