Lörrach Ein Sanierungsstau als Steilvorlage

mek

Fasnacht: Jörg Lutz erhält Drochehüüler-Orden der Narrenzunft. Stadtratschörli begeistert bei der Rotssuppe.

Lörrach - Herabfallende Ziegel an der Fridolinschule als Gipfel eines Sanierungsstaus, kein Geld in der Stadtkasse und dazu auch noch „schwäbischer Ballast“: Die Verleihung des Drochehüüler-Ordens an Oberbürgermeister Jörg Lutz bei der Rotssuppe der Narrenzunft kam nicht ganz überraschend. Dennoch zweifelte der Preisträger des Schmähordens die Begründung für die Verleihung am Montag im Lasser-Saal an.

Anklageschrift sei „krottenweiherfalsch“

Er fühle sich zwar „geehrt, geschmeichelt und bauchgepinselt“. Denn es hätten „so viele in der Stadt den Orden verdient und jetzt ausgerechnet ich“. Aber die Begründung in der von Zunftmeister Peter Quercher formulierten Anklageschrift sei „derart abstrus und falsch, ja krottenweiherfalsch“, weshalb sich die Zunft den Orden besser selbst verleihen solle, argumentierte Lutz in seiner Anfechtungsrede.

Denn neben „schwerwiegenden geografischen Mängeln“ zur „stolzen Stadt Calw“ mit ihren beiden „großen Söhnen“ Hermann Hesse und eben seiner Wenigkeit, sei er einer der wenigen Menschen in Südbaden, welche die Reden von Winfried Kretschmann „ohne Untertitel und Simultandolmetscher verstehen“ können. Dies sei ein „unschätzbarer Vorteil“ für die Stadt Lörrach.

Löchrige Geschichtskenntnisse

Die Geschichtskenntnisse der Zunft seien zudem „löchriger als die Netze, die wir in der Fridolinschule gespannt haben“, sagte das Stadtoberhaupt. Die im Zusammenhang mit dem Leitbildprozess kritisierte Bürgerbeteiligung gehe schließlich auf Gustav Struve zurück. In Lörrach habe Demokratie Tradition: „Es langt völlig, wenn manches Mal gewisse Teile der hiesigen Narren ein ganz kleines bisschen autokratisch geführt werden,“ teilte Lutz aus.

Außerdem hätte er angesichts leerer Stadtkassen von Zunft und Gilde ein anderes Motto für die diesjährige Fasnacht erwartet, denn Geld stinke nicht. Die Kollegen aus dem Sunnedörfli hätten das mit „Ohne Moos nüt los“ wesentlich besser umgesetzt.

Eine „tolle Saison“

„Da hast Du uns ganz schön eingeschenkt, aber geschenkt ist geschenkt“, lobte Oberzunftmeister Andreas Glattacker, der zuvor im nicht ganz gefüllten Lasser-Saal auf eine „tolle Saison“ zurückgeblickt hatte.

Ebenfalls in starker Verfassung präsentierte sich das Stadtratschörli. Die Fraktionsvertreter nahmen unter anderem die neuen Mehrheiten auf die Schippe: „Gemeinderat, es gab Verlust, bei Schwarz und Rot mit großem Frust, die CDU drei kleiner, der SPD fehlt einer...“ Dazu gab’s eine Choreografie aus der Sicht eines „leidgeprüften Pollers“, Lieder zum künftigen Klinikum und dem Krottenweiher zur Melodie von „Marmor, Stein und Eisen bricht“ („Weine nicht, wenn der Bauplatz fehlt... denn es gibt einen der Bäume fällt...) sowie eine erheiternde Zugabe zur Arbeit als Kommunalpolitiker („Mir denke nach“).

„Beizensterben“ und „Rohrkrepierer“

Auch die Zunftmeister griffen in ihren Beiträgen das ein oder andere lokale Thema auf. Thomas Wagner beklagte sich über das zunehmende „Beizensterben“. Ein Grund: Die Menschen gingen lieber zum „Schachtelwirt“ mit dem großem M und schätzten gutes Essen nicht mehr: „Die esse so viel Fertigprodukte, weil sie glaube, dass sie wäge dene Konservierigsstoffe länger lebe.“

Karl-Heinz Sterzel befasste sich mit dem Wandel der Berufswelt und aussterbenden Arten wie dem Winzer mit „Leseschwäche“ oder dem Umzugshelfer: „Wenn d’Gilde nächst Johr kei Umzug me macht, dann isch de Berufsstand gfährdet, da kommt Fröde auf.“

Über die Verkehrsführung in der umgestalteten Ortsdurchfahrt von Riehen regte sich Andreas Kuck auf, der aufgrund dieses „Rohrkrepierers“ nun jeden Morgen auf dem Weg von Grenzach in die Lerchenstadt im Windschatten des Trämli ohne Überholmöglichkeit herschleichen müsse.

Für Ralf Buser fällt der tägliche Weg zur Arbeit hingegen weg, seit er bekanntermaßen kürzlich den Kochlöffel im Café Pape abgegeben hat. Dafür hat er nun den Frühshoppen für sich entdeckt, damit er sich auch als Rentner nicht um seine Frau kümmern müsse.

Protektor Matthias Zeller blieb auch in seiner Abschiedsrede vor der Zunft seiner Linie – kurz und knapp – treu. Er bedankte sich für „eine wunderschöne Zeit“ und erinnerte Jörg Lutz an die Bilanz seiner Vorgängerin: Gudrun Heute-Bluhm habe es in 19 Jahren auf drei Drochehüüler-Orden gebracht, ihm stehe also „noch einiges bevor“.

Weitere Fotos unter www.dieoberbadische.de

Video zum Auftritt des Stadtratschörli:

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