Lörrach Einblicke in Jean Jacques‘ Privatleben

Die Oberbadische
Karl-Heinz Ott und Volker Habermeier (l.) Foto: Bronner Foto: Die Oberbadische

Karl-Heinz Ott las beim Hebelbund aus seinem neuen Rousseau-Roman „Wintzenried“

Lörrach (bn). Wenn der erste Satz eines Romans den Leser spontan neugierig auf mehr macht, hat das Buch alle Chancen, ein Bestseller zu werden. Karl-Heinz Ott, der Hebelpreisträger von 2012, ist so ein Autor, dessen erste Romansätze das Weiterlesen förmlich erzwingen.

Das war schon so in seinen früheren Romanen „Ins Offene“, „Endlich Stille“ und „Ob wir wollen oder nicht“, deren erste Sätze am Sonntag der Autor selbst bei seiner Gastlesung im Hebelsaal des Dreiländermuseums zitierte. Entlockt hatte sie ihm Volker Habermeier, Vizepräsident des Hebelbundes, auf dessen Einladung Karl-Heinz Ott die neue Reihe „Literarische Begegnungen“ eröffnete und zugleich seinen jüngst erschienenen vierten Roman „Wintzenried“ vorstellte.

Dessen drastisch formulierter erster Satz lautet: „Er liegt im Bett, onaniert und stellt sich Mama dabei vor.“ Die Rede ist da von keinem Geringeren als dem berühmten Aufklärer Jean Jacques Rousseau, der seine 13 Jahre ältere Geliebte und Förderin „Mama“ nannte und die lebenslustige Dame mit einem Nebenbuhler im Bett erwischte. Mit eben jenem ebenso biederen wie potenten Wintzenried, einem Perückenmacher aus Vevey am Genfer See.

Aus dieser Episode entwickelt Ott ein facettenreiches und von unbändiger Fabulierlust strotzendes Lebensbild des privaten Jean Jacques, den die Geliebte zwar betrügt, aber immer wieder Geld zuwendet, eine Kur in Montpellier finanziert und ihm auch stets Unterschlupf gewährt, wenn ihm anderswo der Boden unter den Füßen zu heiß wird. Karl-Heinz Ott versteht es, abstruse Situationen so plastisch zu schildern, dass sich die Leser (oder in diesem Fall die Zuhörer) mitten ins Geschehen hineingezogen fühlen. Etwa in Rousseaus Lausanner Debakel, wo der von Selbstzweifeln geplagte Philosoph, „der auch Noten lesen konnte, wenn’s nicht zu viele auf einmal waren“, ein Menuett zu komponieren und aufzuführen hatte, was grandios daneben ging. Oder die anekdoten-gespickte Episode vom Sommerfrische-Aufenthalt in den in den Schweizer Bergen, wo dem von Brustenge, Ohrensausen, Schwindelgefühlen, Verstopfung, Herzrasen und Atemnot geplagten Nervenbündel die fette Kuhmilch und das frische aber harte Bergquell-Wasser noch mehr zusetzten. Und schließlich auch jene vom Zwist mit den mit Pariser Gelehrten und dem damals „weltbekannten“ Komponisten Jean Philippe Rameau, die sein auf mathematischen Grundlagen basierendes neues Notensystem verwerfen, und die der „größenwahnsinnige, heulselige und jähzornige“ Philosoph deshalb als „Vollidioten“ beschimpfte.

Wie begeistert Otts Hörergemeinde von der Lesung war, belegten sowohl der Beifall als auch der starke Andrang am Bücherverkaufstisch.

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