Lörrach Eine akribische Recherchearbeit

Die Oberbadische
Christien Meindertsma (l.) und Kuratorin Viviane Stappmanns (2. v.l.) bei der Vernissage in der Vitra Gallery Foto: Dorothee Philipp Foto: Die Oberbadische

Ausstellung: Designerin Christien Meindertsma präsentiert Werke unter dem Titel „Beyond the Surface“ in der Vitra Gallery

Von Dorothee Philipp

Weil am Rhein. Die Ausstellungen im Vitra Design Museum zeigen normalerweise fertige Sachen. Die neue Ausstellung in der Vitra Gallery, der experimentell ausgerichteten „kleinen Schwester“ des Design Museums, nimmt die Ausgangsmaterialien von Alltagsgegenständen, ihre Verarbeitung und die Menschen, die damit beschäftigt sind, ins Visier.

„Beyond the Surface“ ist die erste Einzelausstellung der niederländischen Designerin Christien Meindertsma (Jahrgang 1980). Sie schloss 2003 ihr Studium der Produktgestaltung an der Design Academy Eindhoven ab. Ihre Projekte und Bücher finden sich inzwischen in den Sammlungen weltbekannter Museen wie dem Stedelijk Museum Amsterdam oder dem Museum of Modern Art (MoMa) in New York.

Internationales Aufsehen erregte sie erstmals 2007 mit ihrem Buch „PIG 05049“, in dem sie auf 400 Seiten zeigt, welche Produkte aus einem einzigen Schwein hergestellt werden. Drei Jahre lang recherchierte Meindertsma dafür und verfolgte den Weg eines einzigen Schweins mit der Nummer 05049 von der Schlachtung bis in die vielfältigen Prozesse der Verarbeitung. 185 Produkte hat sie in ihrem Buch vorgestellt, vom Kaugummi über Kosmetikartikel bis zur Gewehrmunition - und zur Herzklappe. „PIG 05049“ ist das erste Exponat der in fünf Teile gegliederten Ausstellung, die in vier durch Trennwände abgeteilten Einzelkabinetten weitere Projekte Meindertsmas vorstellt. Eine wichtige Rolle spielen dabei die an die jeweilige Stirnwand projizierten Videos, die die die Produktionsprozesse in eindrücklichen, ästhetischen Bildern beschreiben.

Im Projekt „Bottom Ash Observatory“ von 2015 beschäftigt sich Meindertsma mit der Schlacke aus der kommerziellen Verbrennung von Hausmüll, in der sie die verbliebenen Rohstoffe auf ihre Wiederverwendbarkeit prüft. Ein besonderer Hingucker in der Ausstellung ist ihr Projekt „One Sheep Sweater“ von 2010, ein Pullover, der aus der Wolle eines einzigen Schafs hergestellt wird. Der dazugehörende Film zeigt den Weg der Wolle vom Scheren des Schafs über die Konfektionierung der Rohballen bis in die Spinnerei. Ein überdimensionales Strickwerk aus Wollfäden so dick wie Seile ist in diesem Kabinett der erste Blickfang.

„Ich interessiere mich für die Materialien und für die Menschen, die sie verarbeiten“, sagte die Designerin bei der Eröffnung der Ausstellung am Freitag. Das Meiste darüber finde man eben nicht im Internet. Und das Wissen um die Prozesse der Erzeugung des Ausgangsmaterials und seine Verarbeitung zum fertigen Produkt mache den Konsumenten aufmerksamer für das, was er verbraucht.

So ist es folgerichtig, dass sich das jüngste Projekt Meindertsmas 2016 mit der Wiederverwertbarkeit von Wolltextilien auseinandersetzt. In akribischer Kleinarbeit hat sie dafür Textilproben auf ihre Zusammensetzung analysiert und auch herausgefunden, dass die Angaben der Hersteller zur Zusammensetzung des Gewebes nicht immer korrekt sind. Dieses Projekt wurde erstmals im London Design Museum präsentiert und wird jetzt weitergeführt in einer Zusammenarbeit mit der letzten Garnspinnerei für den irischen Donegal Tweed.

Hier fällt als Erstes eine große Rolle mit dem edlen Gewebe auf, das man auch anfassen kann. Das fünfte Kabinett ist dem Rohstoff Flachs gewidmet, der Faser der Leinpflanze. Das erstaunlichste Objekt hier ist der „Flax Chair“, ein stabiler Stuhl aus verfestigten Flachsfasern.

Künstlerisch arrangierte Materialproben, Fotos und die Videos ergeben zusammen einen hochinteressanten und abwechslungsreichen Rundgang durch die Ausstellung, der auch die globalen Aspekte von Produktion, Abfall und Recycling mit einbezieht.

„Christien geht sehr tief ins Detail. Und sie ist unglaublich neugierig“, sagte Kuratorin Viviane Stappmanns. Das Ausstellungsdesign wurde vom Hamburger Designstudio Besau Maguerre entworfen als „dreidimensional gewordene archivarische Publikation“, die die akribische Recherchearbeit Meindertsmas in den Mittelpunkt stellt.   „Beyond the Surface“, Vitra Design Museum Gallery, Weil am Rhein – bis 20. Januar, Öffnungszeiten täglich 10 bis 18 Uhr; Mehr Infos unter www.design-museum.de

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