Lörrach Eine neue Heimat gefunden

Die Oberbadische
Für sie ist Lörrach eine neue Heimat geworden: Familie Nasiri mit v.l. Zara (13), Mutter Maria und Vater Kasem, den kleinen Töchtern Tina (5) und Tanja (1) sowie einer zu Besuch weilenden Großtante Foto: DorotheePhilipp Foto: Die Oberbadische

Integration: Die bewegende Geschichte der Familie Nasiri aus Afghanistan

Im kleinen Wohnzimmer duftet es nach würzigem süßem Tee und Kuchen. Die ganze Familie hat sich versammelt, um den stellvertretenden Fachbereichsleiters „Medien und Kommunikation“ der Stadt Lörrach und die beiden Pressevertreter zu begrüßen, die etwas über das jetzige Leben der Nasiris erfahren wollen, die 2012 und 2013 aus Afghanistan geflüchtet sind.

Dorothee Philipp

Lörrach. Auch ein junger Onkel ist gekommen und eine Großtante, die sonst in Düsseldorf lebt. Seit dreieinhalb Jahren leben die Nasiris nun schon in Lörrach, Zara (13), die älteste Tochter besucht die Theodor-Heuss-Realschule, die fünfjährige Tina den Kindergarten St. Peter. Die beiden jüngsten Töchter sind in Deutschland geboren. Der Vater hat eine Arbeitsstelle bei Lasser, die Mutter und die einjährige Tanja sind zu Hause.

Die Flucht aus Kandahar, wo die Taliban das gesellschaftliche Leben dominieren, führte über die Türkei, Griechenland und die Niederlande, zeitweise war die Familie voneinander getrennt, ein Schlepper stahl ihnen das ganze Geld, das noch übrig war.

Sie musste erst lernen, sich draußen mit Freundinnen zu treffen

„Unsere alte Heimat ist kaputt“, sagt Zara, die fließend Deutsch spricht. „Ich wusste früher überhaupt nicht, was Deutschland und Europa ist, aber hier bin ich frei und kann zur Schule gehen“, strahlt sie. Sie möchte Ärztin werden, eine ganz gute, die alle Leute glücklich macht.

Der Alltag in Afghanistan sei für die Frauen trist, berichtet sie. Sie sitzen zu Hause und kochen für die Familie, einkaufen dürfen nur die älteren Frauen, die jüngeren laufen Gefahr, dass ihnen die Religionsfanatiker auf der Straße Säure ins Gesicht schütten.

Dass man als junges Mädchen alleine rausgeht, musste Zara in Deutschland erst lernen. Am Anfang, als ihre Mitschülerinnen sich mit ihr treffen wollten, habe sie immer eine Ausrede gehabt, sie müsse der Mutter helfen oder so. Erst mit der Zeit habe sie es gewagt, mal rauszugehen zu den Freundinnen, zusammen shoppen, quatschen und lachen oder mal ins Kino gehen. Das alles kennt sie erst, seit sie in Lörrach ist. „Die Leute in Afghanistan sind so traurig, dort lacht niemand“, sagt sie. Heimweh hat sie nur nach ihren Großeltern, die dort geblieben sind.

Zara versteht nicht, dass manche Jugendliche über die Schule schimpfen

Dass ihre Mitschülerinnen manchmal über die Schule schimpfen, versteht sie nicht: „Die Klasse ist für mich wie eine große Familie und die Lehrerin wie eine Mutter“, schwärmt sie.

Auch ihre kleine Schwester Tina ist vom Kindergarten so begeistert, dass sie es nicht verstehen konnte, dass der am Samstag und Sonntag zu ist. „Wir sind an einem Sonntag mit ihr hingegangen, um ihr das zu zeigen. Da hat sie gesagt, die sind doch alle drin“, berichtet Zara und die ganze Familie lacht. Wieso kann sie schon so gut Deutsch? Zwei Jahre war sie beim Theater Tempus Fugit, sie ist Mitglied im Leseclub und oft in der Bibliothek. Sie träumt davon, später selbst einmal ein Buch zu schreiben.

Der Kuchen duftet herrlich und schmeckt himmlisch. Die Mutter hat ihn gebacken. Dass sie erst in Deutschland Kuchen backen gelernt hat, möchte man kaum glauben. „Da wo wir wohnten, gab es keinen Strom und auch keinen Herd“, berichtet Zara. Das Brot wurde in einer Mulde mit glühender Holzkohle gebacken. Sonst sei die afghanische Küche aber sehr würzig und schmackhaft.

Das größte Geschenk: der gesicherte Aufenthaltsstatus

Ihre Mutter sei eine begeisterte Köchin. Lebhaft erinnern sich alle an ein großes Familienfest im Begegnungsbahnhof Hasel. Da hat Frau Nasiri für 80 Leute ein Büffet gemacht, und das Fest dauerte fast die ganze Nacht. Das größte Weihnachtsgeschenk war für die Nasiris die Nachricht, dass sie jetzt einen gesicherten Aufenthaltsstatus haben. Der Stress der Unsicherheit in den zurückliegenden Jahren hat seine Spuren hinterlassen, vor allem bei der Mutter, die an schweren Schlafstörungen litt.

In Deutschland gut aufgenommen

Die Familie fühlt sich in Deutschland gut aufgenommen, auch die Hausbewohner seien fast alle sehr nett und hilfsbereit, berichtet Zara.

Der größte Wunsch der Familie? Eine größere Wohnung, in der jeder einen eigenen Platz hat und Zara ungestört Schulaufgaben machen kann. Und vielleicht mal ein paar Tage verreisen, etwas von dem Land sehen, wo sie ihre neue Heimat gefunden haben.

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