Lörrach Einstige Franzosen-Angst

Gabriele Hauger
Hunderte Arbeitsstunden hat Peter Kunze in die Recherche der Regionalgeschichte um 1870 investiert. Foto: Gabriele Hauger

Historie: Lörracher Heft zu 1870/71 von Peter Kunze

Von Gabriele Hauger

Lörrach. Am heutigen Dienstag vor 150 Jahren wurde der preußische König zum deutschen Kaiser gekrönt – die Geburtsstunde des deutschen Nationalstaats nach dem Sieg über die Franzosen. Ein historisches Ereignis, das jedoch im kollektiven Gedächtnis der Deutschen kaum präsent ist. Was rund um dieses spannende Datum lokalgeschichtlich geschehen ist, wurde bislang kaum herausgearbeitet. meist ging es bei Forschungsarbeiten um die Zeit danach.

In akribischer, professioneller und leidenschaftlicher Recherche hat Peter Kunze, ehemaliger Direktor des Hebelgymnasiums und begeisterter Historiker, nun den Band „Nachbarn im Krieg 1870/71“ in der Reihe Lörracher Hefte herausgegeben, finanziell und technisch unterstützt vom Dreiländermuseum. Dessen Depot bot Kunze zahlreiche Dokumente und Objekte, die ihm halfen, tief in die Historie einzutauchen.

Das so entstandene 146 Seiten starke Buch mit über 100 Abbildungen ist zudem Bindeglied zwischen der aktuellen erfolgreichen gleichnamigen Sonderausstellung und der Dauerausstellung zur Geschichte des Dreilands. Geforscht hat Kunze in zahlreichen Archiven und Museen. Seine neuen Ergebnisse präsentiert er in Buchform teilweise zweisprachig, da er auch auf die Kooperation des elsässischen Museums in Gravelotte bei Metz bauen konnte, das sich dem 1870er Krieg widmet und es eine Partnerausstellung in Belfort gibt. Es sei anrührend, dass durch diese forschungsgeschichtliche Arbeit und Präsentation ein Stück Friedensarbeit geleistet werde. Denn: „In diesem Krieg wurzeln die späteren Konflikte und Kriege in Europa“, erklärt Moehring bei der Buchvorstellung vor der Presse.

Für das Dreiländereck hat das Jahr 1870/71 enorme Bedeutung. Wichtige Quelle zur Analyse waren auch die damaligen Zeitungen, erklärt Kunze. „Hier wird die Entwicklung taggenau dokumentiert.“ Mit den Medien wurden die Menschen bereits damals informiert und somit auch beeinflusst. Zehn Thesen entwirft Kunze in seiner umfassenden Einleitung, die sich speziell auf Lörrach und das Dreiländereck – inklusive Schweiz – beziehen. In den übersichtlich gegliederten Kapiteln erfährt der Leser mehr: über die Stimmung der Lörracher Bevölkerung vor dem Krieg; über die unmittelbaren Folgen der Mobilmachung für die Menschen vor Ort, zum Beispiel durch die Schaffung von Notquartieren; über den Aufmarsch der Württemberger auf dem Tüllinger und deren Unterstützung durch örtliche Bauern, um den Franzosen große Armeestärke vorzutäuschen; über die badischen Truppen, die bis nach Dijon zogen; über die Allianzen gegen den „Erbfeind“; über die Annexion des Elsass’; über die Entfremdung der Menschen an den Grenzen und darüber, dass man eigentlich nur ganz wenig über die französischen Nachbarn wusste „und eigentlich nie über die Grenze ging“.

Geschichte wird vor allem durch die Individualisierung von Schicksalen lebendig. Und so faszinieren besonders die in einem weiteren Kapitel ausschnittsweise abgedruckten Kriegstagebucheintragungen des Crischonabruders Adam Ewald, viele Seiten, auf denen mit genauen Zeitangaben die Schrecken des Krieges und das Leid der Menschen schonungslos beschrieben werden – die innere Verarbeitung der Kriegstraumata eines Soldaten. Nicht minder interessant: die in Ausschnitten abgedruckte Kriegspredigt des Lörracher Dekans Schellenberg, der zum Heiligen Krieg gegen die Franzosen aufrief.   Lörracher Heft 34: „1870/71 Nachbarn im Krieg“, Dr. Peter Kunze, Verlag Waldemar Lutz, 14,80 Euro, im Dreiländermuseum oder im Buchhandel

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