Lörrach Erinnerung lebendig halten

Kristoff Meller
Auch in Lörrach werden ab September die ersten Stolpersteine an Opfer des Nationalsozialismus erinnern. Foto: Karin Richert

Erste Stolpersteine werden im September für die Familie Denz verlegt. Diskussion mit Künstler Gunter Demnig geplant.

Lörrach - Die ersten drei Stolpersteine zum Gedenken an die Lörracher Opfer des Nationalsozialismus werden am 24. September vor der Luisenstraße 35 verlegt. Am Abend zuvor wird es zudem eine Diskussion mit dem Künstler Gunter Demnig im Hebelsaal geben, unter anderem um über die umstrittenen Inschriften auf den Stolpersteinen zu diskutieren.

Denn diese sind aktuell noch ein „kleiner Knackpunkt“ des Projekts, wie Kultur-Fachbereichsleiter Lars Frick am Donnerstag im Hauptausschuss erklärte (wir berichteten). Die Richtlinien von Demnigs Stiftung sehen die Verwendung von nationalsozialistischen Wörtern wie „Rassenschande“ oder „Volksschädling“ auf den Gedenksteinen explizit vor, um auf die Gründe für die Tötung des jeweiligen Opfers hinzuweisen.

Die Stadt Lörrach würde diese hingegen gerne weglassen. „Der Künstler besteht darauf. Wir haben uns deswegen darauf verständigt, zunächst nur Steine für Opfer zu verlegen, wo diese Wörter nicht vorkommen“, erklärte Frick.

Zusätzlich soll es einen Tag vor der ersten Verlegung, am 23. September um 19 Uhr, eine Diskussionsveranstaltung mit Gunter Demnig im Hebelsaal geben, bei der beide Seiten – Stadt und Künstler – ihre Positionen darlegen können, um dann hoffentlich zueinander zu finden, so Frick.

Nur der Tochter gelingt die Flucht in die Schweiz

Am nächsten Morgen um 9 Uhr sollen dann die Stolpersteine für die Familie Denz vor der Luisenstraße 35 verlegt werden. Sie waren laut Frick Zeugen Jehovas. Während Anna Maria und Oskar Denz in Konzentrationslagern starben, gelang Tochter Anna die Flucht über die „Eiserne Hand“ in die Schweiz. Sie starb 2013 in den USA. Über die beiden Orte für fünf weitere bereits konkret geplante Stolpersteine in der Innenstadt will Frick zeitnah informieren, vorher müsse aber das Gespräch mit den Hausbesitzern geführt werden: „Ich gehe davon aus, dass wir auf wenig Gegenwehr stoßen, kann es aber noch nicht genau sagen.“

Schlecht: „der falsche Weg“

Gegen die Verlegung positionierte sich erneut Günter Schlecht (SPD): „Ich war und bin kein Freund der Stolpersteine.“ Es sei den Opfern gegenüber unwürdig, diese durch die Gedenksteine dem Schmutz und den Tritten der Passanten auszusetzen. Er bedauerte es, dass sich die Stadtverwaltung die Mehrheit der Gemeinderäte für diesen Weg des Gedenkens entschieden hätten: „Ich halte das für den falschen Weg“, sagte Schlecht.

Zudem kritisierte der Hauinger Ortsvorsteher die umfangreichen Vorgaben für die Verlegung durch Gunter Demnig: „Der Künstler nimmt zu viel Einfluss, das ist nicht in Ordnung.“

Diskurs ist wichtig

Tanja Reinhardt-Albiez (Grüne) vertrat direkt im Anschluss genau die umgekehrte Meinung: „Ich freue mich, dass die ersten Stolpersteine verlegt werden.“ Sie begrüßte auch, dass es eine Diskussion über die Verwendung von Wörtern wie „Rassenschande“ auf den Steinen geben soll. Dieser Diskurs sei nicht erst seit der aktuellen Rassismus-Debatte von großer Bedeutung: „Es ist wichtig, dass Geschichte aufgearbeitet wird, die einen Kontext in der heutigen Politik hat“, sagte Reinhardt-Albiez.

Hubert Bernnat (SPD) zeigte Verständnis für die Meinung seines Fraktionskollegens. Gleichwohl sei die Diskussion zur Erinnerungskultur ein „unglaublich wichtiger Prozess“, in den auch die Argumente derjenigen eingeflossen seien, die „emotionale Bedenken“ bezüglich der Stolpersteine haben.

Bernnat bezeichnete die Entscheidung für die Verlegung als „mutigen Beschluss“, denn für manche Lörracher Opfer des Nationalsozialismus gebe es bis heute keinen Grabstein.

„Anfangs war ich sehr ambivalent eingestellt. Was mir geholfen hat, war die Diskussion in der Stadt“, sagte Lars Frick. Denn die Stolpersteine seien eine Möglichkeit, diese Diskussion und die Erinnerung aufrecht zu halten.

Und auch Oberbürgermeister Jörg Lutz erklärte: „Ich war anfangs auch leicht kritisch, aber der Prozess hat mich umgestimmt und ich kann nun voll dahinter stehen.“

Gedenken in Lörrach statt Fahrt nach Gurs

Lars Frick gab am Rande der Diskussion außerdem bekannt, dass die Fahrt nach Gurs anlässlich des 80. Jahrestages der Deportation der Lörracher Juden coronabedingt ausfallen muss. Stattdessen soll am 22. Oktober um 17 Uhr vor der Sitzung des Gemeinderats den Opfern in einer halbstündigen Veranstaltung in würdigen Form gedacht werden. Über den genauen Ablauf werde noch informiert.

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