Lörrach Erwin Pelzig begeistert im Burghof

Jürgen Scharf
Erwin Pelzig weiß Bescheid. Foto: /Jürgen Scharf

Der Kabarettist Frank-Markus Barwasser gastierte in Lörrach vor vollem Haus.

„Hallo, ich bin’s, das Virus!“. Wie bitte? Nein, die Zuschauer im voll besetzten Burghof haben sich nicht verhört. Es ist das Corona-Virus, das da höchstpersönlich zu ihnen spricht – in Gestalt von Erwin Pelzig. Der Franke, wie immer ausstaffiert mit Cordhut, kariertem Hemd, Trachtenjanker und Herrenhandtasche, mag den Perspektivenwechsel. Und so nimmt er in seinem neuen Programm „Der wunde Punkt“ auch mal die Perspektive des Virus ein, das den Menschen die Meinung sagt. Auch die Menschen wollten ihr Reich stets vergrößern. „Ihr zerstört den Planeten, ich zerstöre die Zerstörer.“ Puh, das sitzt.

Harte politische Kabarettkost

Wie überhaupt der gute Pelzig unter seiner mainfränkischen Biedermann-Kluft harte politische Kabarettkost austeilt. Die Corona-Jahre, die Inflation, die Energiekrise, der brutale Angriffskrieg Putins gegen die Ukraine - diese Multikrisen sind selbst für einen Stoiker wie Pelzig „eine harte Nummer“.

Hinter der Bühnenfigur steckt der Würzburger Kabarettist Frank-Markus Barwasser, der sein Alter ego bittere Erkenntnisse über die Spezies Mensch im Allgemeinen und die Krisenzeit im Besonderen zum Besten geben lässt.

Scharfsinnig und satirisch

An den Corona-Jahren arbeitet sich Pelzig, der sich auch tierisch aufregen kann über die Missstände der Politik, ebenso scharfsinnig-satirisch ab wie an den „Verschwörungsschwurblern“. Und er scheut vor Kraftausdrücken nicht zurück, wenn es um Reiz- und Hassfiguren wie Putin, Trump und Konsorten geht.

In seinem aktuellen Programm kreist Pelzig um wunde Punkte der Politik, des Zeitgeschehens, der Gesellschaft. Und um Kränkungen, die fatale Auswirkungen haben. Da zitiert Pelzig seinen Sigmund Freud und macht die Bühne zur Psychiatercouch. Schließlich hat Pelzig seine beiden Freunde mitgebracht, den konservativen Dr. Göbel, der seinen Vornamen verrät („Roderich? Das ist Kindesmisshandlung!“), und den Stammtischkumpel Hartmut, der gern ein Bier hebt.

Beißender Sarkasmus

In Sekundenschnelle wechselt Barwasser wandlungsfähig in Stimme und Mimik in die drei Figuren, die am Tisch hocken und als Stammtisch-Philosophen über die Probleme der Welt und persönliche Sachen schwadronieren.

Etwa über Kränkungen in der Kindheit, die weitreichende Auswirkungen haben, wie schon die Weltgeschichte zeige. Gekränkte Seelen seien tickende Zeitbomben, siehe Mao, Stalin, Hitler, Putin. Er wolle ja nicht behaupten, dass jeder mit schwerer Kindheit ein Diktator und Kriegstreiber werde, aber „gekränkte Männlichkeit“ sei mit schuldig am Zustand der Welt.

Mit beißendem Sarkasmus nimmt Pelzig die Pandemiegewinner und Protz-Milliardäre, die mit ihren Superyachten und Superjets kümmerliche Schwächen kompensierten, aufs Korn. Und er versetzt sich in junge Menschen hinein, redet Klartext über die „Generation in Panik“, die Klimakleber, und spricht als „Anwalt der Generation unter 30“ über Demokratie. Schonungslos, kritisch-heftig sind die Ansichten, mit denen Pelzig als Stimme des kleinen Mannes das Publikum konfrontiert. Und das holt der meisterliche Spötter gut ab, denn seine Nummern und bissigen Pointen werden immer wieder mit demonstrativem Beifall quittiert.

„Wo sind die Frauen in Ihrer Welt?“ tönt plötzlich die aufgebrachte Stimme der „Vorleserin“ hinein, die per Audio-Einspielung nur Zitate von Männern vortragen durfte. Natürlich hat Pelzig auch das Thema Frauen in der Politik auf dem Schirm, die Tatsache, dass nur 28 von 204 Staaten ein weibliches Staatsoberhaupt oder eine Regierungschefin haben.

Mit dem Gendern hat er noch so seine liebe Mühe, etwa, wenn es statt Mutter und Vater „gebärdendes und nichtgebärendes Elternteil“ heißt. Auch die „alten weißen Männer“, die „Silberrücken mit blauen Pillen“, bleiben in Pelzigs Rundumschlag nicht ungeschoren.

Und er kommt schließlich auf die „größte Kränkung“ zu sprechen, den Tod. Wenn Pelzig auf seine ureigene Art die Welt erklärt, ist das politisches Kabarett am Puls der Zeit.

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