Unter dem Motto „2 Städte, 1 Nacht, 12 000 Meter Kultur“ veranstaltete das gemeinsame Oberzentrum der Städte Weil am Rhein und Lörrach am Freitag zum zweiten Mal eine Kulturnacht. Entlang einer städteverbindenden Linie vom Vitra Design Museum bis Brombach wurden 27  Orte mit mehr als 50 kulturellen Aktionen und Angeboten bespielt. Das abwechslungsreiche Programm umfasste Bildende Kunst, Musik, Poetry Slam, Theater, Tanz, Comedy und auch etwas Sport. Außerdem gab es reichlich Gelegenheit zum Mitmachen. Shuttle-Busse verbanden im 20-Minuten-Takt die Spielorte in Lörrach und Weil am Rhein.

Von Veronika Zettler (Text) und Kristoff Meller (Fotos)

Weil am Rhein / Lörrach. Vor allem Alt-Weil zeigte sich von seiner Schokoladenseite. Rund um den Lindenplatz boten fast alle Häuser Programm: Kirche, Museum, Stapflehus, Soundhaus, ebenso das Gasthaus Schwanen, in dessen Engelisaal das „Ensemble Rinforzando“ umringt von mehreren Tausend Engelsfiguren spielte.

Beim Lindenplatz entstand dank der Bewirtung von Rhy Waggis und Co. ein lauschiges Frühlingsfest. Zur Eröffnung um 19 Uhr erschien reichlich Publikum, dazu Gemeinderäte beider Städte und natürlich das Organisationsteam um den Lörracher Fachbereichsleiter Kultur und Tourismus Lars Frick und den Weiler Kulturamtsleiter Tonio Paßlick.

„Von Kultur reden Bürgermeister – der Weiler zumindest – wie der Blinde von der Farbe“, machte der Weiler OB Wolfgang Dietz keinen Hehl daraus, dass er Kultur zwar nicht zu seinen Kernkompetenzen zählt, ihre Bedeutung aber gleichwohl hoch einschätzt. Von dieser „Nacht voller Ereignisse“, einem „bunten Kaleidoskop der Kultur im Dreiländereck“, schlug er den Bogen zu einer „guten infrastrukturellen Entscheidung“ –  der Zollfreien. Ohne die Verbindungsstraße wäre eine gemeinsame Kulturnacht mit Shuttle-Bussen nicht organisierbar gewesen, so der Verwaltungschef.

Sein Lörracher Kollege Jörg Lutz unterstrich die Wechselwirkung von Kultur und Stadtentwicklung und betonte, dass die Magnetwirkung eines vielfältigen Kulturlebens für die Entwicklung mittlerer Städte „nicht hoch genug einzuschätzen“ sei. Gerade bei der Kulturnacht werde das gemeinsame Oberzentrum von Lörrach und Weil sichtbar.

 Tonio Paßlick rückte die örtlichen Künstler in den Mittelpunkt und begrüßte die „Hatpats“, die den Lindenplatz bespielten, als „Bigband-Entdeckung des Jahres“. Die von Johannes Büttner geleitete Formation swingte das Publikum mit Stücken wie Glenn Millers „American Patrol“ auf den Abend ein.

Geswingt wurde auch an vielen anderen Orten. Wenige Schritte entfernt zum Beispiel im geschmückten Hof des Weinguts Schneider (Dreiland Jazzband Blue Seven) oder im Evangelischen Gemeindehaus, wo Heinzpeter Schmitz (Piano) mit Christian Leitherer (Saxofon) und weiteren jazzte.

 Geswingt wurde zudem in den Shuttle-Bussen, die alle Stationen im 20-Minuten-Takt verbanden. Hansi Kolz hatte Saxofon und Jazz-Standards im Gepäck („Es muss ein bissel swingen, dann macht’s den Leuten Spaß“) und spielte stehend im ruckelnden Bus – eine echte Herausforderung für den Profi.

 Kai Trimpin unterhielt die Fahrgäste auf einer anderen Buslinie und konnte den Trompetenjob immerhin im Sitzen erledigen. „Busmusiker bin ich heute zum allerersten Mal“, schmunzelte zwischen „Watermelon Man“ und „Summertime“ der Studio- und Bigband-Musiker, der lange den Musikverein Haltingen geleitet hat.

Gut gefüllt bis berstend voll war es nach 19 Uhr fast überall. Ob im Weiler Stapflehus, wo die beiden pink befrackten „Papillons“ an Geige und Piano mit Songs wie „Bei mir bist Du schön“ und einer witzigen Show das Publikum amüsierten, oder im Gewölbekeller des Alten Rathauses, wo zur Musik der Coverband „Beat7“ etliche Besucher ausgelassen tanzten.

Immer voller wurde es in der evangelischen Kirche, als das junge Harfenensemble der Städtischen Sing- und Musikschule sein Können bewies, und kein Platz blieb leer im Konzertsaal des Alten Rathauses, in dem Andreas Wäldele und Susanne Hagen vor mucksmäuschenstillem Publikum ein fantastisches Konzert gaben – einer von vielen Auftritte, von denen man sich nur schwer wieder losreißen konnte.

„Man bräuchte schon zwei Abende, um sich das alles anzuschauen“, resümierten zwei Weilerinnen, die sich ganz auf das Lörracher Programm beschränkt hatten und um 23 Uhr in der Velöhalle bei den Werken des Vereins Bildende Kunst ankamen. Auf dem Weg dorthin zog das Café „1456 Arber“ die Passanten an: Schüler und Lehrer der Städtischen Musikschule sorgten hier über den ganzen Abend mit Jazz und Pop für eine schöne Stimmung.

Während im randvollen Nellie Nashorn Cäcilia Bosch und Ansgar Hufnagel Poesie, Musik und Theater virtuos durcheinanderwirbelten und in der Buchhandlung Kastl literarische Neuerscheinungen diskutiert wurden, brillierte die Lörracher Stadtmusik viel beklatscht in der Stadtkirche.

Auf dem Bahnhofsplatz präsentieren sechs Schauspieler des Theaters Tempus fugit halbstündlich Trailer zu verschiedenen Stücken wie „Moby Dick“ oder „Robinson & Freitag“. „Damit wollen wir auch Lust auf die Aufführungen machen“, sagte Regisseurin und Organisatorin Carolin Mock.

In Brombach war ebenfalls was los: Während man im Schlössle Werke der Künstler vom alten Schöpflin-Areal zur Musik der Gruppe Jazz & Co genoss, ging es im Fabric-Plankiosk um Beteiligungskultur. Immer wieder, so Aline Winchester, schauten Kulturnacht-Flaneure herein, um sich an der „Wunschproduktion“ zu beteiligen.

Gegenüber, im Werkraum Schöpflin, waren laut Birgit Degenhardt schon kurz vor 18 Uhr alle Einlassbänder verkauft. Zwei „interkulturelle Tanzperformances“ gab es hier, die erste exklusiv für Frauen. Choreografin Pilar Buira Ferre legte eindrücklich dar, was Kultur auch sein kann – universalsprachliche Verständigungsbasis für verschiedene Kulturen. Ihr Projekt brachte elf Frauen aus der Region und elf geflüchtete Frauen zusammen. 

Für viele der Flüchtlingsfrauen sei ein öffentlicher Auftritt eine große Herausforderung gewesen, erzählte sie: „Jede hat einen Schritt nach vorne gemacht, ist ein Stück näher an die andere Kultur herangegangen und so haben sich alle in der Mitte gefunden“. Was sie über das Projekt sagte, galt wohl für die meisten Veranstaltungen der Kulturnacht: „Es ist viel Freude, viel Herz, viel Leben  da drin“.

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