Lörrach Es piekst ordentlich

Die Oberbadische
Foto: Anja Bertsch Foto: Die Oberbadische

Kabarett: Die „Distel“ gastiert im Burghof

Lörrach. Wofür eigentlich Kabarett?! Der „Pizzabote“ kann’s kaum glauben, als er am Freitag unversehens in die Burghof-Vorstellung der „Distel“ stolpert: „Die Politik ist doch eh schon ein Witz – da muss man nicht noch welche drüber machen“, erklärt er – und bringt die Beweise gleich reihenweise: In Amerika hat sich ein psychischer Pflegefall ins Weiße Haus einweisen lassen; in Nordkorea spielt ein verwöhntes Riesenbaby mit Atomwaffen, und in Deutschland sorgt eine geschichtsvergessene AfD („Alternative für Demente“) für Schlagzeilen.... Doch, es piekst ordentlich, wenn das kabarettistische Großstadtgewächs „Distel“ zusticht und den ausführlichen Nachweis führt, dass Kabarett eben doch seinen Sinn hat.

Den Rahmen für die scharfzüngigen Beobachtungen bildet die Zentrale des „Fun-Food-Fuzzy-Lieferservice“: Zum originellen Soundtrack (Matthias Lauschus und Fred Symann) hauen sich „Speedy“ (Michael Nitzel), Tobias (Sebastian Wirnitzer) und „Ex-FPD-MdB“ Regina (Dagmar Jaeger) hier zu Mindestlöhnen vegane Pizzen, Lebensmittelunverträglichkeiten und sonstige Zusatzstoffe der Weltlage um die Ohren. Dumpinglöhne und Datenklau („Das Essen der anderen“), Banken- und VW-Krise (mit zwei Begriffen umschreibbar: „Im Puff und Auspuff“). Und natürlich bekommen die Pizzaboten auch die Synergieeffekte von neoliberaler Denke und pseudeobewusster Konsumkritik mit. Da gibt es vom bewussten Konsumenten dann eben auch kein Trinkgeld – der Konsumverzicht wird auf den Zulieferer outgesourct.

Ein Blick hinter die Kulissen löst da einige Rätsel: In einer feinen Parodie tanzt Dagmar Jaeger als Merkel-Marionette an den Fäden der Strippenzieher im Hintergrund. Die Funktionen habe man reduzieren müssen, räumen die beiden ein: Fünf Grundbewegungen, fünf Formulierungen, das muss reichen. Und tatsächlich: In den meisten Kanzler-Situationen kommt man damit astrein über die Runden, beweist die Vorführung des Prototyps.

Beim Blick auf die internationale Speisekarte werden komplexe Handelsbeziehungen verständlich zusammengefasst („Wir schicken unsre Überproduktion nach Afrika, und die verhungern dann an unseren Tomaten“) – und flugs landet man mitten in der Flüchtlingskrise. Mit bitterem Zynismus bringt das Ensemble die mittlerweile selbstverständliche Selektion der „guten“ Flüchtlinge auf den Punkt: „Folterspuren? Oder doch nur doof gehungert?! Der sollte schon so ’ne richtje Not haben“, erklärt die hilfsbereite Bürgerin den feinen Unterschied.

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