Lörrach Fassbinder macht süchtig

Die Oberbadische

Burghof: Erfolgreiche dreitägige Hommage an Rainer Werner Fassbinder

Mit einem ausverkauften Haus ging am Samstag der dritte Abend zum Thema Rainer Werner Fassbinder zu Ende. Die dreiteilige Produktion mit Filmen, Lesungen, Gesprächen und Bar wird in die Geschichte des Burghofs eingehen. Das Format ist ein Novum und passt genau zum Thema.

Von Dorothee Philipp

Lörrach. Das Publikum versammelt sich am Samstag zum dritten und letzten Mal. Rainer Werner Fassbinder hat es zu einer Gemeinde werden lassen, die sich andächtig und ohne Hast seinem Lebenswerk widmet: 44 Filme, 27 Bühnenstücke und 25 Filme, in denen er als Schauspieler mitwirkt. Niggi Ullrich, der für die Burghof GmbH die Dramaturgie und das Programm der Eigenproduktion „Rainer Werner Fassbinder. Wer sonst!“ gestaltet hat, wird nicht müde, diese Fakten immer wieder herunterzubeten und zu betonen, man brauche eigentlich nicht drei Tage, sondern mindestens zwei Wochen dafür.

Der Abend ist ausverkauft. Markus Muffler, künstlerischer Leiter des Burghofs und verantwortlich für die Produktion, ist selbst beeindruckt. „Einige sind schon zwölf Stunden da“, meint er mit Blick auf die vorangegangenen beiden Abende und münzt die dürre Zahl in eine dem Kulturpublikum vertraute Währung um: Sie entspricht drei Wagner-Opern oder sechs Stimmen-Abenden. Um 0.30 Uhr werden es vier Wagner-Opern und sechs Stimmen-Konzerte sein.

Dass die Leute dieses Stehvermögen entwickeln, liegt zum einen am Stoff, der manchmal sperrig, anstößig und verstörend sein, auf seine Art aber süchtig machen kann und der seine Zeit braucht, um eingeordnet zu werden. Der Wechsel vom lockeren Gespräch an der Bar zum Film, dann zur Soirée als Carte Blanche und wieder zum Film und zur Bar lockert den Abend auf, bringt immer neue Aspekte und Themen. Durch den Raum schwirren Wortfetzen wie „Deutschmann“, „Baader-Meinhof“, „Antitheater“, „Kameraführung“, an der Bar gibt es Bulette mit Brot, Senf und Schmorzwiebeln oder Gemüsebulette, die allerdings bald ausverkauft ist.

Genauso wie das unentwegte Rauchen in der Fassbinder-Zeit ist auch der starke Fleischkonsum zurückgegangen. Man kann sich heute nicht mehr vorstellen, welche Lust ein fettes Stück Speck erzeugen kann. Dazu muss man die Szene in „Die Ehe der Maria Braun“ ansehen, als Marias Mutter den Speck aus dem Nachkriegs-Hamsterrucksack der Tochter wie eine Reliquie heraushebt.

„Manchmal spielt das Leben einfach verrückt“

Für kleine, tiefgründige Bonmots zwischendurch ist Rainer Werner Fassbinder der Richtige: Mit viel Spürsinn hat Niggi Ullrich Texte von ihm ausgegraben, die als Aphorismen ganze Lebensphilosophien in eine klare, knappe Sprache fassen. „Manchmal spielt das Leben einfach verrückt“ – „Der Körper muss den Tod verstehen“. Auch das ist Fassbinder.

Sechs Filme hat man am Schluss gesehen, fünf der 44 von Fassbinder und die exzellente Dokumentation von Annekatrin Hendel, die als Einführung in Leben und Werk Fassbinders optimal passte, zumal an diesem Abend die Filmemacherin dann gleich danach live auch auf dem Podium im Gespräch darüber sprach (wir berichteten ausführlich auf unsere Kulturseite).

„Was macht RWF mit mir“ hieß das Thema der zweiten Soirée, in der sich der Schauspieler Daniel Wahl, Markus Muffler und der Regisseur und Festivalleiter Christoph Stratenwerth (er hatte die Projektleitung der Ausstellung „Mädchen geh in die Schweiz und mach dein Glück“ im Dreiländermuseum im Mai 2017) austauschten. Die Schauspielerin Angela Buddecke, die am dritten Abend Hanna Schygullas Autobiografie „Wach auf und träume“ vorstellen sollte, war aus Krankheitsgründen ausgefallen. Dafür wurde die Literaturkritikerin und Kulturredakteurin Bettina Schulte, die diesen Teil des Abends moderieren sollte, selbst zur interviewten Person, die sich mit Niggi Ullrich einen anregenden Dialog lieferte.

In den von Donnerstag bis Samstag dauernden Dreiteiler „Rainer Werner Fassbinder. Was sonst!“ haben die Beteiligten viel Wissen, Können und eine große Portion Idealismus gesteckt, was auch für die vielen guten Geister hinter der Bühne und an der Bar gilt. So wurde der Besuch im hinteren, sonst nicht öffentlich genutzten Bühnenteil des Burghofs zu einem einzigartigen Erlebnis.

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