Lörrach Feinfühlig und furios

Jürgen Scharf
Für seinen makellosen Anschlag bekam der spanische Pianist Javier Perianes (Mitte) viel Applaus. Foto: Jürgen Scharf

Musik: Sinfonieorchester Basel im Burghof .  Dirigent Ivor Bolton nutzt die gesamte Bandbreite des Ensembles.

Lörrach - Das Sinfonieorchester Basel ist in einer Experimentierphase. In Hector Berlioz’ „Symphonie Fantastique“ am Freitagabend im voll besetzten Burghof konnte man das im französischen Repertoire immer besser geschulte Basler Elite-Orchester auf der Originalklangspur entdecken.

Gigantischer Orchesterapparat

Die Aufführung der schwierigen Programmsinfonie, die mit einem gigantischen Orchesterapparat daherkommt, wurde teilweise auf Originalinstrumenten aus der Zeit des Komponisten realisiert. Wann hört man schon einmal das abgrundtiefe brummige Timbre einer Ophikleide? Neben dieser „Klappenschlange“ wurden Natur- und Ventilhörner sowie Naturtrompeten eingesetzt. Zwei tonnenschwere Glocken, die allerdings nicht auf die Bühne transportiert werden durften, machten noch einen Spezial-Instrumentaleffekt. Man meinte, die Glocken der benachbarten Stadtkirche mitten im Saal zu hören.

Dynamische Bandbreite

Chefdirigent Ivor Bolton nutzt die dynamische Bandbreite des Orchesters voll aus. Seine Berlioz-Lesart war relativ gezügelt in den Tempi, mit gut ausgeleuchteten Details. Allerdings erlaubt sich Bolton, der von der Alten Musik herkommt, weder romantische Gefühlsexzesse noch musikalischen Exorzismus. Da wird kein suggestiver Horrortrip inszeniert, kein fiebriger Opiumrausch. Orchestrale Power haben der „Gang zum Schafott“ und der Hexensabbat mit dem Geläut der Basler Totenglocken.

Das enorme Schlagwerk mit zwei großen Trommeln sorgte im Gewittersturm des dritten Satzes („Szene auf dem Lande“) mit dem Paukenwirbel von vier Schlagzeugern für entsprechende Klangwirkung. Im selben Satz ließen auch Englischhorn und Fernoboe aufhorchen. So kamen Bolton und die Basler der Klangsprache und -fantastik, auch dem Grotesken, die der Magier Berlioz gesucht hat, sehr nahe. Grandios!

Nächtlicher Zapfenstreich

Anfangen hatte der Abend mit einem anderen genialen Außenseiter, Luigi Boccherini. Dass der mehr ist als nur der Komponist eines vielgeschundenen Menuettes, zeigte das „Ritirata Notturna di Madrid“, eine Art nächtlicher Zapfenstreich der Wache, mit immer leiser werdendem Abgang. In der großbesetzten Instrumentierung von Luciano Berio von 1975 spielten die Basler detailgenau und fein nuanciert in der Dynamik.

Danach gab es Beethoven, das dritte Klavierkonzert in c-Moll, in einer apollinisch-abgeklärten Wiedergabe durch Javier Perianes, der sich während der Orchestereinleitung vom Publikum wegdreht und ins Orchester hineinhört. Der spanische Pianist sucht den Blickkontakt zum Dirigenten als der treibenden Kraft in einem konzertanten Dialog.

Töne wie gemeißelt

Perianes Beethoven ist extrem klar, energisch gespannt. Töne wie gemeißelt. In der Kadenz im Kopfsatz fallen die plastischen Triller auf, im Largo-Mittelsatz eine geradezu olympische Entspanntheit, im Finale der furiose Schwung. Zwar kein Sturm und Drang, aber viel „Drive“ und rhythmische Energie. Der Pianist bedankte sich für den Beifall mit der wunderbar melancholisch abgetönten a-Moll-Mazurka von Chopin.

Dankbar war das Publikum sicher auch für die kleine Instrumentenkunde, die Orchestermanager Hans-Georg Hofmann zu Berlioz’ Instrumentierung gab.

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