Lörrach Frauengruppe der Freien Wähler: Stark für die Schwachen

Bernhard Konrad
Die Frauengruppe der Freien Wähler mit Waltraud Kilian (r.) bei der Feier zum 35-jährigen Bestehen im Hebelsaal Foto: Regine Ounas-Kräusel

Die Gruppe bietet am 1. April letztmals ihren Kuchenverkauf an: Eine Ära geht zu Ende.

Die  Frauengruppe der Freien Wähler bietet am 1. April letztmals ihren Kuchenverkauf an: Eine Ära geht zu Ende.

Wer dieses über nahezu vier Jahrzehnte hinweg praktizierte Engagement der Frauen um Waltraud Kilian lediglich mit gönnerhaftem Lächeln zur Kenntnis nimmt, der stellt vor allem die eigene Inkompetenz unter Beweis. Denn: Die Gruppe hat eine größere Summe gesammelt und für soziale Zwecke gespendet als manch ein Großunternehmen im Dreiländereck – rund 200 000 Euro, von der nicht in Geld aufzuwiegenden Zuwendung für betagte, kranke und sozial benachteiligte Menschen ganz zu schweigen.

Mühsame Anfänge

1984 ermutigte Ulrich May, damals Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler, Waltraud Kilian zur Gründung einer Frauengruppe. Sie hatte sich zuvor schon aus Verbundenheit zu ihrer Stadt für soziale Zwecke engagiert und fand nun fünf Mitstreiterinnen, die mit einem gemeinsamen Kuchenstand erste Einnahmen erzielten – und zeitnah ohne Abzüge in ihr Anliegen investierten: Mit privaten Pkw fuhren sie alleinstehende, einsame Menschen zum Ausflug mit Restaurantbesuch ins Wiesental. Das war der Anfang einer Erfolgsgeschichte, die nun aus Altersgründen ihren Abschluss findet.

Nach und nach fand die Gruppe weitere Gleichgesinnte – auf rund 18 Frauen wuchs die Gemeinschaft mit den Jahren an. Noch heute freut sich Kilian im Gespräch mit unserer Zeitung, dass alle Mitglieder über Jahrzehnte dabei geblieben sind. Die Verkaufsstände wurden größer – und mit ihnen die Einnahmen. In den ersten zehn Jahren standen die Frauen konsequent alle vier Wochen unter den Kilian-Arkaden, später wurden die Abstände etwas größer.

Teilhabe schaffen

„Es gibt kaum eine soziale Organisation in Lörrach, an die wir nicht gespendet haben“, sagt Kilian. Die Frauengruppe der Freien Wähler hat in den vergangenen 39 Jahren Menschen vom Jugendlichen bis zum Senior unterstützt, behinderte Bürger ebenso wie obdachlose (das Weihnachtsessen im Erich-Reisch-Haus für rund 80 Personen ist nur ein Beispiel dafür), das Frauenhaus, die Tafel, den Dritte Welt-Laden, Menschen in Pflege- und Seniorenheimen und viele weitere Mitglieder der Gesellschaft. Dabei hat die Gruppe oft die Möglichkeit zur Teilhabe geschaffen: sei es durch Ausflüge oder Besuche städtischer Einrichtungen wie Museum oder Stadtbibliothek, sei es durch die Anschubfinanzierung des Stettener Bolzplatzes an der Grenze oder die Spende für einen Bauwagen, den Jugendliche nutzten. Zudem wurde vor allem am Anfang in privaten Notfällen diskret geholfen. Immer gezielt und unbürokratisch, betont Kilian.

Vielfältige Unterstützung

Darüber hinaus organisierte Kilian zahlreiche Sonderaktionen, in der Regel mit lokalem Bezug wie etwa nach einem Hochwasser in Hauingen oder einem Brand in Brombach – aber nicht ausschließlich: So wurde unter anderem auch für Wischgorod gespendet. Die eindrucksvollste Aktion indes war der 30 Meter lange Kuchenverkauf auf dem Alten Marktplatz im Zusammenhang mit den Folgen des Tsunamis im Jahr 2004. Insgesamt 300 Kuchen waren bis zum Mittag verkauft.

Von Beginn an habe sie etwas mit Bestand schaffen wollen, sagt Kilian, die auch auf eine langjährige Tätigkeit als Kommunal- und Kreispolitikerin zurückblicken kann. „Der Anfang war mühselig, aber ich eigne mich nicht zum Flop. Wenn ich etwas anfange, bleibe ich am Ball“, sagt sie. Dass sich die Dinge aber letztlich so erfolgreich entwickeln, war Mitte der 80er Jahre nicht abzusehen.

Es seien sehr bereichernde Jahre gewesen, sagt Waltraud Kilian. Und sie ergänzt, dass zu jeder Zeit Menschen in Not seien – auch hierzulande: allein, bedürftig, auf Hilfe angewiesen. Häufiger, als dies mitunter für möglich gehalten werde.

Gemeinsame Entscheidung

Das Bundesverdienstkreuz im Jahr 2008 habe sie stellvertretend für die Gruppe angenommen: „Ohne meine Mitstreiterinnen wäre das alles nicht möglich gewesen. Gemeinsam sind wir stark: Dieser Satz trifft zu“, sagt Kilian, die auch den Käufern und Spendern der Kuchen ausdrücklich dankt. Und so wurde die Entscheidung, das Engagement zu beenden, nun auch von den verbliebenen acht Frauen gemeinsam getroffen.

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