Wie hat sich „fairNETZt“ entwickelt und was haben die Gruppen erreicht?
SCHÄFER: Wir sind zum einen für den Zulauf an interessierten und engagierten Bürgerinnen und Bürgern dankbar. Das bestärkt uns, weiterzumachen.
In den drei Jahren haben wir einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht. Unsere Aktivitäten zielen auf eine intensivere Bürgerbeteiligung. Dieses wird übrigens gelegentlich noch etwas schwarz-weiß diskutiert. So wird immer wieder ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Gemeinderat entscheidet. Da sagen wir: Natürlich entscheidet der Gemeinderat. Aber unser demokratisches System kann und soll mit der Zeit gehen und Möglichkeiten der Mitwirkung aufgreifen – hierfür gibt es sehr gut funktionierende Beispiele, die wir in Lörrach diskutieren und implementieren wollen. Das eine tun und das andere nicht lassen.
Federführende Akteure des Zukunftsforums deuteten an, sie würden sich von Seiten der Verwaltung und des Gemeinderats etwas mehr Beachtung und Wertschätzung dieses Engagements wünschen.
HERZOG: Es war ja nicht unser erstes Anliegen, eine Signalwirkung für die Verwaltung herbeizuführen. Ich mache den Erfolg unserer Arbeit nicht in erster Linie davon abhängig, was die Verwaltung denkt. Toll fand ich, dass sich so viele unterschiedliche Menschen im Zukunftsforum eingebracht haben. Nicht nur Fachleute wie ich, sondern auch ganz normale, fachfremde Menschen. Dass Experten und Laien auf Augenhöhe ins Gespräch kommen und etwas erarbeiten, ist ein Erfolg, der die Sache stark macht. „fairNETZt“ bietet die niedrigschwellige Möglichkeit zu bürgerschaftlichem Engagement ohne Berührungsängste.
Im Übrigen hat die Verwaltung das Ergebnis ja durchaus zur Kenntnis genommen und ist nun zu konkreten Themen mit uns im Gespräch. Das finde ich schon sehr gut. Unsere Intention war es, Anstöße zu geben – und nicht, Lösungen zu präsentieren. Das geht in der Kürze der Zeit und in dieser Konstellation auch gar nicht.
Sie erwarten demnach nicht, dass sich der Gemeinderat mit den Ideen des Zukunftsforums auseinander setzt?
HERZOG: Möglicherweise könnte das Interesse des Gemeinderats noch etwa größer sein – ich weiß nicht genau, wie viele Gemeinderäte beim Zukunftsforum anwesend waren.
SCHÄFER: Mit dem Zukunftsforum wollen „fairNETZt“ und die Schöpflin Stiftung ein Querschnittsthema über die Debatte in Kleingruppen hinaus auf eine Ebene heben, auf der Lörracher Institutionen und Bürger über Grenzen hinweg kontinuierlich arbeiteten. Im ersten Zukunftsforum sind viele Dinge entwickelt worden, die Hand und Fuß haben. Dieser Prozess soll 2018 mit einem neuen Thema fortgesetzt werden – wobei Gruppen des Zukunftsforums 2017 weiter an ihren Projekten zum WohnWandel arbeiten werden. Beides ermöglicht die Schöpflin Stiftung durch ihr finanzielles und persönliches Engagement.
Ich wünsche mir natürlich, dass möglichst viele Menschen sich mit den Vorschlägen auseinander setzen. Sie spiegeln ja eine große Bandbreite dessen, was zukünftiges Wohnen in der Stadt ausmacht. Eine Vielfalt im Denken kann Lörrach nur gut tun. Alle gesellschaftlichen Akteure sind deshalb eingeladen, teilzunehmen, auch Verwaltung und Gemeinderat. So waren zuletzt schon Vertreter von Verwaltung und Landkreis im Lenkungskreis dabei.
Welche Voraussetzungen müssen Gruppen mitbringen, die bei „fairNETZt“ mitmachen möchten?
SCHÄFER: Die Voraussetzung liegt in der gegenseitigen Toleranz und Akzeptanz, Wandel zu gestalten. Wir sind überzeugt davon, dass wir in einer Zeit des Wandels leben – und dass wir diesen Wandel „von unten“ mitgestalten können. Alles, was in Richtung „mehr soziales Miteinender“, „Ökologie“ und „faires Wirtschaften“ geht, ist willkommen bei uns. Aber wir treten auch in Dialog mit Gruppen, die diese Aspekte nicht als Erstes auf ihre Fahnen schreiben.
Wie viele Menschen sind mittlerweile in den verschiedenen Gruppen aktiv?
SCHÄFER: Schwer zu sagen. Mit unserem Newsletter erreichen wir wohl rund 500 Menschen. Die einen sagen es den anderen, und so werden es mehr, die diskutieren und sich einbringen.
Welche Pläne hat „fairNETZt“ für die Zukunft?
SCHÄFER: Wir wollen die Rahmenbedingungen für die gesellschaftspolitischen Gruppen verbessern, damit angefangen, dass im Nellie Nashorn keine Raummiete bezahlt werden muss. Auch wollen wir Seminare anbieten, damit Ehrenamt effizienter arbeiten kann. Zum Glück haben wir die Schöpflin Stiftung gewinnen können, mit einem „Wandelbudget“ den Gruppen bis zu jeweils 1000 Euro für die Umsetzung einer überzeugenden Wandel-Idee zur Verfügung zu stellen. Das ist vorbildlich.
Und wir möchten uns regional vernetzen. So gibt es etwa die erfolgreiche Initiative „Murg im Wandel“, in Basel und Steinen gibt es ebenfalls Wandel-Gruppierungen, in Rheinfelden gibt es die „Engagierte Stadt“, das französische Ungersheim ist Transition Town. Wir lernen gegenseitig von uns.
Persönlich hoffe ich, dass „fairNETZt“ sachorientierte Beiträge zu Zukunftsdebatten leistet – jenseits von Parteidenken und Einzelinteressen – als Plattform für die künftige Gestaltung von Lörrach als Stadt für uns Bürger. Und: Wir möchten als verlässlicher Partner wahrgenommen werden. Wir sind zwar im Grunde eine lose Bewegung, aber wo wir uns ein Querschnittsthema vornehmen, werden wir zuverlässig, mit modernen Methoden, Freude und pfiffigen Ideen mitarbeiten.
Es gibt diesen Begriff der „Weisheit der Vielen“: Wenn sich die verschiedenen Menschen und Gruppen gemeinsam mit einem Thema beschäftigen, entsteht am Ende immer etwas Neues. Neue Gedanken, neue Einsichten. Ich sehe diese Kultur der Beteiligung als Bereicherung für die Demokratie.
Die Feier
Beginn ist heute, Samstag, um 15 Uhr im Nellie Nashorn mit Begrüßung, Rück- und Ausblick. Danach Kaffee und Kuchen sowie Beiträge und Präsentation von Förderern, Wegbereitern, Gruppen und Initiativen. Gegen 17 Uhr Film- und Diskussionsbeiträge, abends besteht die Möglichkeit zum Essen in der Gastwirtschaft, ab 21 Uhr Disko und Tanztee. Alle Interessenten sind eingeladen.