Lörrach Geballte Sockosophie

Die Oberbadische
Kennt sich aus in entlegenen Musikgalaxien: Robert Gwisdek alias Käptn Peng Fotos: Kristoff Meller Foto: Die Oberbadische

Stimmenfestival: Partystimmung im Burghof beim Konzert von Käptn Peng und den Tentakeln von Delphi

Von Veronika Zettler

Lörrach. Hip Hop darf alles, auch komisch, intellektuell, gefühlvoll und gebrochen sein. Wer sich „Käptn Peng und die Tentakel von Delphi“ nennt, auf seinem aktuellen Album den Verfasser des „nullten Kapitels“ sucht und zudem einen Kontrabass auf der Bühne platziert, steht von vornherein nicht im Verdacht, auf dicke Hose zu machen. Für die Combo um Robert Gwisdek alias Käptn Peng ist Hip Hop der Düsenantrieb, um selbst entlegene Musikgalaxien zu erkunden.

Bei den kafkaesken Lyrics und einer überwiegend studentischen Fanklientel knallten zwar die Türen vieler Ultras vor der Band zu. Dafür öffneten sich andere: So spielte die Berliner Band vergangene Woche beim Nürnberger Bardentreffen, wo sie mit Stücken wie „Der Habicht und der Hahn“ keineswegs deplatziert wirkte. Am Dienstag kamen sie zum Stimmen-Festival in den Burghof und standen, wie sie es gewohnt sind, vor einem gut gelaunten, partywilligen, überwiegend jungen Publikum. Selbst die Sponsoren-Nennung durch Stimmen-Chef Markus Muffler bekam tosenden Applaus.

Danach ging die Post ab. Den Opener „Pförtner“ spielten Peng und die vier Tentakel noch mit Kopflampen im Halbdunkel und schon beim Intro stimmten Fans in den Text ein: „Mein Hirn ist ein Haus und mein Körper ein Garten, doch wenn mich jemand fragt, wer darin wohnt, muss ich raten“.

Dann die obligatorische Vorstellungsrunde im Kunstnebel. „Wir sind eine schüchterne Band und haben gerade versucht, eine indirekte Freundschaftsanfrage auszusenden“, sagt Peng. Längst angenommen. Der passende Titel „Neue Freunde“ folgt. Was Gangstarappern Bitch und Ghetto, sind den Tentakeln Newton und Goethe. Dabei bringen sie neben Gitarre, Bass und diversem Schlagwerk mehr Elektronik mit denn je.

Wie schon beim Album „Expedition ins O“ geht es auch auf „Das Nullte Kapitel“ um „bestimmte Dinge“, die der 34-jährige Peng ritualhaft ankündigt: „Das nächste Lied handelt von zwei Leuten“, „das nächste Lied handelt von Gefühlen“ oder „das nächste Lied ist auch so anstrengend“.

Anstrengend ist es nicht nur für den Frontmann mit seinem wilden tänzerischen Crossover, sondern ebenso für das Publikum, das im dicht gefüllten Saal wogt und bounct und jede der vielen Nachfragen des Sängers („Habt ihr noch ein bisschen Energie für uns?“, „Seid ihr noch am Start?“) noch nach über zwei Stunden mit einem unisono geschrienen „Ja“ quittiert.

Die Menge singt über weite Strecken inbrünstig mit. Je verwickelter der Text, desto besser sitzt er. Sprachjonglage und Wortakrobatik sind schließlich die Galionsfiguren an der aus allen möglichen Utensilien zusammengebauten Fregatte von Käptn Peng und seinen delphischen Fangarmen. Mit komplexen Lyrics voller surrealer Metaphern und umgedrehter Redewendungen stellen sie eine verkehrte Welt vom Kopf auf die Füße. „Ich weiß nicht, wie es begann. Es weckte mich ein Traum. Ich wurde darin eine Tür und mich betrat ein Raum“, singt das Publikum die Hooks im sprachlichen Meisterstück „Spiegelkabinett“ oder intoniert den „Pelikan-Mutationsgesang“ im bejubelten Song „Sie mögen sich“.

Stücke wie „Sockosophie“ werden mit frenetischem Applaus begrüßt. Bei „Der Anfang ist nah“ gibt es einen Freeze: Mitten im Song verharrt die Band für eine Minute bewegungslos. Da kommt Pengs Schauspielstudium durch: Der Sohn des Schauspielerpaars Corinna Harfouch und Michael Gwisdek steht selbst hauptberuflich vor der Kamera. Bruder Johannes alias Shaban sitzt am Schlagzeug.

Gegen Schluss wird, ebenfalls obligatorisch, ein Freestyle-Stück geliefert. Peng rappt sich entlang der auf die Bühne fliegenden Utensilien: Serviette, Schuh, Brotlaib, Ohropax. „Meine Kunst besteht darin, zu freestylen, obwohl ich nicht gut freestylen kann“, meint er. Es hakt wirklich mit dem spontanen Reimen. Dem Spaß tut das keinen Abbruch.

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