Lörrach Gegen den Strich komponiert

Die Oberbadische

Interview: Erstes gemeinsames Konzert des Motettenchors und des Oberrheinischen Sinfonieorchesters

Nach vielfältiger gemeinsamer Ideensammlung und einer konkreten zweijährigen Planung ist es nun soweit: Der Motettenchor Lörrach und das Oberrheinische Sinfonieorchester Lörrach präsentieren am Sonntag, 24. Juni, in der Kirche St. Peter zum ersten Mal ein gemeinsames Konzert. Auf dem Programm steht Beethoven pur. Willi Vogl sprach mit den beiden Dirigenten Stephan Böllhoff und Stephan Malluschke.

Frage: Der Motettenchor Lörrach und das Oberrheinische Sinfonieorchester Lörrach sind zwei traditionsreiche und die Region prägende Ensembles. Herr Böllhoff, Herr Malluschke, nun haben sie sich zum ersten Mal zusammengefunden um ein gemeinsames Beethoven-Programm zu präsentieren. Wie kam es dazu?

MALLUSCHKE: Dies ist seit langem ein gemeinsamer Wunsch des Orchesters und von mir, ein Konzert zusammen auch mit einem örtlichen Verein zu stemmen. Wir haben uns kontaktiert und mögliche Programmpunkte diskutiert. Da waren ursprünglich ganz andere Stücke im Gespräch. Dabei stellten sich Fragen wie: Was ist machbar? Was liegt dem Orchester, was möchte der Chor? Dann kam Stephan Böllhoff mit der wunderbaren Idee, Beethovens C-Dur-Messe aufzuführen. Die Missa solemnis kommt vielleicht irgendwann später… (schmunzelt). Die C-Dur-Messe ist für sich genommen als einziger Programmpunkt für ein Konzert zu kurz. So haben wir noch die Kantate „Meeresstille und glückliche Fahrt“ nach Texten von Johann Wolfgang von Goethe und als rein instrumentales Werk die Ouvertüre König Stephan ins Programm genommen. Auch diese beiden Programmideen stammen von Stephan Böllhoff.

Frage: Für diese Programmierung gibt es möglicherweise auch einen besetzungstechnischen Grund?

MALLUSCHKE: Ja, für die Meeresstille brauchen wir vier Hörner, für die Messe lediglich zwei. Die Egmont- Ouvertüre mit ihren vier Hörnern hatte ich vor einiger Zeit bereits gespielt, die Leonore-Ouvertüre wollte ich nicht machen. Die Ouvertüre König Stephan kannte ich bislang zwar selber nicht, sie wird selten aufgeführt, ist jedoch sehr lohnenswert. Ausdrücklich möchte ich betonen, dass der Titel der Ouvertüre nichts mit den Vornamen der beiden Dirigenten zu tun hat… (lachen).

Frage: Nicht von ungefähr stammen viele Probespielkonzerte aus der Klassik, kann man doch hier wie kaum in einer anderen Epoche spieltechnische Tugenden wie sprechende Artikulationen oder dynamische Kontraste auf den Punkt bringen. Wo sehen sie die besonderen Schwierigkeiten der ausgewählten Werke im Hinblick auf die Kombination eines Sinfonieorchesters und eines Chores?

MALLUSCHKE: Das dürften Sie mich nach dem Projekt fragen.

BÖLLHOFF: Der Motettenchor arbeitete ein- bis zweimal im Jahr bisher immer mit Profiorchestern zusammen. Jetzt haben wir uns umgesehen und festgestellt, dass es auch in Lörrach ein gutes Sinfonieorchester gibt…

MALLUSCHKE: Danke.

BÖLLHOFF: …Ich steh ja nun gleich das erste Mal vor dem Orchester und Du, Stephan, kannst dich morgen vor den Chor stellen und die Kantate dirigieren. Das haben wir noch gar nicht besprochen…(schmunzelt).

MALLUSCHKE: Das diskutieren wir noch aus… (lacht).

Frage: Ich möchte meine Frage präzisieren. Bei diesem Beethoven-Programm sind klassische Artikulationen gefragt und bekanntlich gibt es hierbei in den technischen Möglichkeiten, Auffassungen und Traditionen zwischen Stimme und Instrument Unterschiede. Wie bekommt man die beiden Ensembles hier auf eine Linie? Kann der Chor etwa von den instrumentalen Konturen für die gesangliche Artikulation profitieren?

BÖLLHOFF: Das könnte im besten Fall eine schöne Wechselwirkung zwischen Chor und Orchester ergeben. Das Orchester könnte vielleicht noch kantabler als sonst spielen. Die Präzision des Orchesters sollte der Chor – wie ich hoffe - im Normalfall sowieso haben.

MALLUSCHKE: Als Instrumentalisten sind wir immer angehalten, die natürlichste Form des Musizierens, den Gesang, zu imitieren. Hier können alle im Orchester von der Chorphrasierung, etwa von der Art wie man Phrasen beendet, abspricht, zurück nimmt, sehr an Musikalität profitieren…

BÖLLHOFF: …was nichts damit zu tun hat, dass es beispielsweise einige Stellen in der Beethovenmesse gibt, wo das Orchester bei gleichen Noten aus Gründen der Klarheit anders artikuliert als der Chor. Auch die jeweilige Raumakustik spielt dabei eine Rolle.

MALLUSCHKE: Das finde ich auch sehr spannend, verschiedenen Räumlichkeiten zu beschallen. Wir haben heute mit den Bläsern beim Agnus Dei einige Versionen von Artikulationen ausprobiert, um je nach den Gegebenheiten an den drei Konzertorten angemessen reagieren zu können.

Frage: Artikulationen sollten durch die Vorlage gegründet sein. Somit würde ich gern ihren Blick auf die Substanz erfragen. Herr Beethoven ist ja nun bereits über 191 Jahre tot.

BÖLLHOFF: Oh, schon so lange…

Frage: Was reizt sie an der Musik dieses Klassik-Oldies? Was hat seine Musik heute noch zu bieten?

BÖLLHOFF: Er ist einer der wichtigsten Komponisten, die es gegeben hat. Ein reines Beethoven-Programm ist heute eher selten. Das Konzert ist eine Verneigung vor einem Komponisten, der immer aktuell bleiben und nie aus der Zeit fallen wird.

MALLUSCHKE: Das finde ich auch. Und: Die Programmpunkte sind so unterschiedlich, obwohl alles von einem Komponisten stammt. Für gewöhnlich bin ich bei Konzerten, die nur einem Komponisten gewidmet werden, eher reserviert. Bei Beethoven habe ich damit kein Problem. Ich glaube, das wird dem Publikum nicht langweilig werden, da die Stücke einen sehr differenzierten Beethoven wahrnehmen lassen. Seit ich das Orchester leite, habe ich bei Beethoven mit seinen drei Klavierkonzerten, dem Trippelkonzert und der Pastorale immer wieder gern einen Schwerpunkt gesetzt. Beethoven liegt dem Orchester. Die Musiker verstehen seine Musik. Selbst heute spürt man noch diese starke Tendenz - wenn man ihn richtig interpretiert – dass er sehr oft „gegen den Strich komponiert“. Dieses nonkonformistische Komponieren und das Persönliche, was daraus erwächst, faszinieren mich.

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