Lörrach „Gott kommt uns entgegen“

Die Oberbadische

Interview: Freiburgs  ehemaliger Erzbischof Robert Zollitsch über das Evangelium und die katholische Kirche

Der Katholische Akademikerverband lädt zum Vortrag des Freiburger Erzbischof emeritus Robert Zollitsch am morgigen Sonntag, 10 Uhr, in den großen Vortragssaal des Elisabethen-Krankenhauses ein. Er spricht über das Thema „Die Freude des Evangeliums inmitten einer säkularen Welt – Anstöße und Impulse von Papst Franziskus für den Weg in die Zukunft“. Im Vorfeld des Besuchs stellte Bernhard Konrad Robert Zollitsch einige Fragen.

Herr Zollitsch, welche frohe Botschaft kann das Evangelium den Menschen in einer säkularen Welt vermitteln?

Das Evangelium gibt uns Antwort auf die großen und zentralen Fragen: auf die Frage nach dem Sinn und Ziel unseres Lebens, über den Wert des Menschen und seinen Dienst an der Welt und für die Welt. Wir haben unser Leben nicht von uns selbst; wir verdanken es anderen und letztlich einem Anderen: Gott. Wozu es führt, wenn der Mensch sich zum Herrn der Schöpfung und über die Mitmenschen macht, sehen wir an den Kriegen, die wir derzeit erleben, und an den ganzen Problemen unserer Umwelt und der Ausbeutung der Ressourcen.

Das Evangelium sagt uns, dass wir Menschen von Gott getragen sind und ein Ziel haben, das über diese Welt hinausreicht. Dass wir in der Schöpfung und von ihr leben dürfen und dass sie für uns alle da ist. Diese Welt kommt aus Gottes Hand und wir dürfen darauf vertrauen, dass wir im gemeinsamen Haus von Gottes Schöpfung geborgen sind, wenn wir uns nach Gott ausrichten.

Welche neuen Anstöße gibt Papst Franziskus in diesem Zusammenhang?

Papst Franziskus stellt uns neu und plastisch vor Augen, dass wir von Gott angenommen sind und er sich uns zuwendet wie ein Vater und eine Mutter. Gott kommt uns entgegen, so sehr, dass er in seinem Sohn Jesus Christus einer von uns wird.

So ist es auch Sache der Kirche, auf die Menschen zuzugehen, gerade auch an die Ränder, um aufzunehmen, was sie bewegt, und sie in den verschiedensten Situationen erfahren zu lassen, dass Gott ein Gott für uns ist. So setzt Papst Franziskus selbst Zeichen: Er ist bei den Menschen auf Lampedusa und besucht die Flüchtlinge aus Lesbos. Gottes Zuwendung zu uns Menschen und sein barmherziger Umgang mit allen dürfen wir im Papst erleben.

Wäre die Bereitschaft zur Aufnahme dieser Anregungen hierzulande nicht größer, wenn sich die katholische Kirche in einigen zentralen Fragen bewegen würde? Sie selbst haben etwa gesagt, die Verbindung von Priestertum und Ehelosigkeit sei aus theologischer Sicht nicht zwingend notwendig.

Ein Blick auf die evangelische Kirche und die anderen Konfessionen zeigt, dass dies nun wirklich nicht die zentralen Fragen sind, die das Leben aus unserem christlichen Glauben und nach dem Evangelium tragen. Die entscheidende Herausforderung ist die Frage nach Gott, nach seinem Wirken in meinem Leben und in der Welt. Was heißt es, heute in einer Welt, die sich von Gott zu emanzipieren sucht, an ihn zu glauben? Papst Franziskus lebt uns vor, welche Kraft und Freude aus dem Evangelium erwächst und wie dies dazu führt, uns den Nöten und Anliegen der Menschen, und gerade auch der Menschen am Rande, zuzuwenden.

Selbst bekennende Katholiken haben oftmals kein Verständnis für das Zölibat oder den Ausschluss von Frauen vom Priesteramt. Auch bei Fällen von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche hätten sich viele eine klarere, entschlossenere Haltung der Kirche gegen diese Taten gewünscht. Ein Wandel der katholischen Kirche würde die Möglichkeit der Botschaftsvermittlung erleichtern.

Ich kenne keine einzige andere Organisation oder Gruppe, die auch nur mit vergleichbarer Intensität und Konsequenz die Frage des sexuellen Missbrauchs angegangen ist, sie aufgearbeitet und Konsequenzen gezogen hat wie die katholische Kirche. Es ist angesichts des moralischen Anspruchs, den die Kirche erhebt, besonders schlimm, wenn es solchen Missbrauch unter ihren Mitgliedern und gar noch Verantwortlichen gibt. Das aber ist kein Grund, die wirklichen Fakten und die Tatsache der Aufarbeitung nicht zur Kenntnis zu nehmen.

Die Frage der Achtung der Frau in der Kirche hängt nicht an der Frage der Zulassung zum Priesteramt. Zusammen mit der orthodoxen Kirche weiß sich die katholische Kirche einer zweitausendjährigen ungebrochenen Tradition verpflichtet. Der hohe Respekt, den Ordensschwestern in der Kirche genießen, und die vielfältigen Aufgaben, die Frauen in der Pastoral und der Verwaltung der Kirche wie auch im Ehrenamt wahrnehmen, zeigt nicht zuletzt auch die Wertschätzung der Frau und ihres Dienstes in der Kirche.

Bei der Rettung von Großbanken kam es auf zehn Milliarden mehr oder weniger nicht an. Bei der Lösung humanitärer Probleme spielt Geld eine wesentlich größere Rolle. Papst Franziskus hat sich kritisch gegen Auswüchse der Marktwirtschaft ausgesprochen. Das wurde von vielen Bürgern positiv aufgenommen. Muss Kirche politischer werden? Oder ist sie allen für’s Seelenheil zuständig?

Papst Franziskus spricht sich kritisch gegen eine Wirtschaft aus, die nur den Gewinn sieht, in der das Geld regiert, statt zu dienen, und die viele Menschen von den Gütern der Erde ausschließt. Sowohl die katholische wie auch die evangelische Kirche sprechen sich ganz klar für eine soziale Marktwirtschaft aus, die getragen ist von Solidarität, sozialer Gerechtigkeit bis hin zur Nächstenliebe. Die zentrale Aufgabe der Kirchen ist die Sorge für den Glauben und das Heil der Seele. Da es dabei um den ganzen Menschen geht, gilt ihre Sorge auch ihrem alltäglichen Leben und ihrer sozialen Sicherung. Und sie nimmt sie auch wahr.

In einer zusehends ökonomisierten Welt wird das Bedürfnis nach Sinngebung nicht geringer. Viele Menschen greifen nach einem der in großer Zahl angebotenen Lebens-Ratgeber, gerne mit fernöstlicher Philosophie grundiert. Was kann die katholische Kirche noch tun, um mehr Menschen, auch mehr Katholiken, zu erreichen, um sie davon zu überzeugen, dass die Botschaft des Evangeliums der bessere Ratgeber ist?

Dass viele nach allgemeinen Lebensratgebern bis zu Hilfen aus fernöstlichen Philosophien greifen, zeigt, dass die Suche nach dem Sinn zum Menschen gehört und auch heute ungebrochen ist. Da zeigt das Beispiel von Papst Franziskus und die mit seinem Handeln und seinen Worten verbundene Botschaft, dass die entschiedene Zuwendung zum Menschen und die Annahme eines jeden Menschen mit seinen Sorgen und Anliegen, mit seiner Gebrochenheit und seinen Grenzen – der entscheidende Ansatzpunkt für eine den Menschen nahe Verkündigung ist. Die Liebe und Barmherzigkeit, die uns Jesus gebracht und vorgelebt hat, ist eine Alleinstellung des Christentums, die uns nachhaltig hilft und trägt und den Weg in die Zukunft weist.

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