Lörrach Hebeltage in Zeiten extremer Notlagen

Die Oberbadische

Hebelbund: Lebenswerk der Schweizer Bildhauerin Bettina Eichin mit dem „Schatzkästlein“ gewürdigt

Von Walter Bronner

Der 70. Jahrestag der Gründung des Lörracher Hebelbundes war am Sonntag Anlass zu facettenreicher Rückbesinnung auf jene denkwürdigen Hebelfeste der Gründerjahre 1946 und 1947. Beim letzteren wurde Lörrach erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg von Schweizer Gästen förmlich überschwemmt.

Lörrach. Beim „Schatzkästlein“ im überfüllten Hebelsaal des Dreiländermuseums zeichnete Festredner und Kustos Markus Moehring ein vielschichtiges Bild von den damaligen Verhältnissen. Diese waren geprägt von allgemeiner Verunsicherung, ganz realen Existenzproblemen, Flüchtlingsnöten und schuldhaften Verstrickungen vieler Menschen infolge ihrer Nazivergangenheit und nicht zuletzt von der totalen Abhängigkeit von Wohlwollen oder Ablehnung der französischen Besatzungsbehörde. Geprägt waren sie auch von der Hoffnung auf bessere Zeiten und gesellschaftliche Erneuerung, zu der Hebels Werk und Wirken den richtigen Weg weisen sollte.

Sein schon zum kriegsbedingen Einschmelzen demontiertes eisernes Denkmal überstand die Vernichtung in einem Depot. Die Wiedererrichtung zum Hebeltag anno 1946 mit seinem eher erbärmlichen Festumzug zur Gedenkfeier verdeutlichte das ganze unmittelbare Nachkriegselend, das damals der Festredner Professor Alfred Holler mit „den großen Schwierigkeiten dieser Zeit“ umschrieb und dabei das später immer wieder zitierte geflügelte Wort von der „Wahl der Mittel“ prägte. Anhaltender Beifall quittierte die ebenso detailreiche wie spannende Beschreibung jener Notjahre und ersten Zeit eines zaghaften Aufbruchs (wir berichteten ausführlich).

Auszeichnung für das vielgestaltige Lebenswerk

Weiterer Höhepunkt der Feier war die Verleihung des neu gestalteten „Schatzkästleins“ an die Schweizer Bildhauerin Bettina Eichin, womit das vielgestaltige Lebenswerk der 75-jährigen Künstlerin gewürdigt wurde. In seiner Laudatio bezeichnete der Präsident des Hebelbunds, Volker Habermaier, die Geehrte als eine Kunstschaffende, der es in ihrem Werk „nie nur um Ästhetik an sich geht“, sondern in ihrem symbolhaltigen Realismus auch um deutliche Zeit- und Gesellschaftskritik und um emanzipatorische Wirkungen. Dabei verwies er auf die Referenzwerke der Künstlerin: die sinnende Helvetia auf der Basler Rheinbrücke und die Markttische im Münsterkreuzgang. In einem ist in Erinnerung an das Sandoz-Unglück 1986 Hebels „Vergänglichkeit“ eingraviert.

In ihrer Dankesrede zeigte Eichin ihre familiären Wurzeln nebst verwandtschaftlichen Beziehungen nach Deutschland auf, glossierte die gegenseitige „Schnäppchenjagd“, die derzeit die grenzübergreifenden Kontakte beherrscht und ließ auch einen Hauch Verbitterung durschimmern über die gelegentliche Verständnislosigkeit von Entscheidungsträgern ihrem Werk gegenüber. Von diesem sind wichtige Teile, etwa Auftragswerke für das Berner Bundeshaus, die Stadt Basel und die Freiburger Universität auf höheres Geheiß in Depots eingelagert. Umso mehr wusste die Künstlerin die ihr jetzt zuteil gewordene Auszeichnung zu schätzen.

In einem Grußwort würdigte auch Oberbürgermeister Jörg Lutz den festlichen Anlass als nach wie vor bedeutsamen Kulturevent und den Massenandrang vor 70 Jahren als ein unglaubliches Ereignis. „Nach heutigen Sicherheitsbestimmungen könnten wir das wohl gar nicht mehr händeln“, meinte er.

Musikalisch veredelt wurde die Feier durch den Konzertpianisten Thomas Habermaier (Zwillingsbruder des Präsidenten), eingangs mit einer mollgetönten Fantasie von Mozart, zwischendurch und am Schluss mit expressiven Stücken von Olivier Messiaen aus der Gründerzeit des Hebelbunds.

Eingeläutet wurde des Festtag mit einem feierlichen Gottesdienst in der Stadtkirche und mit einer beeindruckenden Predigt der Basler Münsterpfarrerin Caroline Schröder-Field. Sie stellte einen Text aus dem Johannes-Evangelium in Bezug zur Hebels berühmter Erzählung „Unverhofftes Wiedersehen“, die der religionskritische Philosoph Ernst Bloch als „schönste Geschichte der Weltliteratur“ rühmte.

Die darin enthaltene Botschaft von der Auferstehungs-Hoffnung übertrug die Predigerin in die Gegenwart mit einer ebenso raffiniert formulierten Zeitraffer-Betrachtung der Weltereignisse seit 1947, wie Hebel in seiner Geschichte die damaligen Zeitläufe geradezu genial zusammenfasste.

Musikalisch verschönte das Vokalensemble „Viva Voce“ mit einer barocken Psalmvertonung und einem romantischen Preisgesang, sein Leiter, Bezirkskantor Herbert Deininger zudem mit virtuosem Orgelspiel die kirchliche Feier.

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