Lörrach Heimat für Dohle & Co

Regine Ounas-Kräusel
Flauschig und süß: junge Turmfalken Foto: Günther Fischer

Im Turm der Stadtkirche leben Dohlen, Turmfalken und als ungebetene Gäste Nilgänse. Herbert Sitterle und der Naturschutzbund (NABU) wollen nun Mauer- und Alpensegler im Turm und Fledermäuse unter dem Dach der Kirche ansiedeln.

Wenn natürliche Lebensräume verschwinden, nutzen viele Vogelarten Gebäude als Ersatz. Die Dohlen, erzählt Herbert Sitterle, hätten als Waldbewohner vor allem in Höhlen alter Bäume gelebt. Solche Bäume seien aber in den letzten 300 Jahren fast aus den Wäldern verschwunden.

Als Herbert Sitterle 1972 als junger Diakon beim Sozialen Arbeitskreis (SAK) anfing, hörte er an seinem Arbeitsplatz in der Alten Feuerwache jeden Morgen das markante „kjak, kjak“ der Dohlen vom Turm. Mit ihren Rufen begrüßten sie den Morgen und auch die Enten, die täglich vom Rosenfelspark zur Wiese flogen. Die Dohlen nisteten hinter kleinen Öffnungen unter dem Dachhelm des Turms.

Eine frühe Liebe

Als kurze Zeit später auch Turmfalken diese Öffnungen entdeckten, ließ Sitterle zwei Nistkästen für die Falken bauen und der Wohnungsstreit war beendet. 1994 baute die Schreinerei des SAK im Auftrag des NABU zwölf Nistkästen für die Dohlen hinter die Öffnungen, außerdem einen Rundlauf für die Helfer, die die Kästen betreuen. 2011 zeichnete der NABU die Stadtkirche mit der Plakette „Lebensraum Kirchturm“ aus.

Herbert Sitterle engagiert sich. Foto: zVg

Nistkästen seien wichtig für Gebäudebrüter wie Dohlen und Turmfalken, erklärt Sitterle: Viele Kirchtürme, auch der an der Stadtkirche, seien vergittert, damit keine Tauben eindringen und das Innere verschmutzen. Den Gebäudebrütern verschafften die Kästen aber Zugang zum Turm, ohne dass sie ins Innere gelangen.

Vom NABU ausgezeichnet

Auch mit 78 Jahren steigt Herbert Sitterle noch die steilen Treppen im Kirchturm hoch zu den fliegenden Bewohnern. Den Nilgänsen nimmt er jedes Frühjahr die Eier weg, denn die Vögel können zur Plage werden: Sie vermehren sich stark, verkoten ihre Umgebung und greifen schlimmstenfalls Kinder an, wie Sitterle weiß. Nur ein Ei, das er mit einer Nadel ansteche, lasse er den Gänsen, sagt er: „Bei uns zu Hause gibt es dann Rührei.“ Die Nilgänse hatten vor etwa sieben Jahren ihr erstes Ei in einem Dohlenkasten gelegt und erregten Aufsehen, als sie mit neun Küken durch die Stadt marschierten.

Im eingerüsteten Kirchturm ist Leben. Foto: Regine Ounas-Kräusel

Die Nistkästen der Dohlen reinigt Sitterle alle zwei bis drei Jahre mit Helfern, wobei oft auch Konfirmanden anpacken. Viele Jahre lang beringte er außerdem mit dem NABU die Jungvögel. Anhand der Ringnummern, die an die Vogelwarte Radolfzell gemeldet werden, könne man die Bestandsentwicklung der Dohlen beobachten, erklärt Sitterle. Laut Roter Liste sind die kleinen Rabenvögel allerdings nicht gefährdet.

Nach Sitterles Erfahrung bringen sie aber weniger Jungvögel durch als früher, weil es immer weniger Insekten als Eiweißnahrung für sie gibt. Die Dohlen an der Stadtkirche legten jedes Jahr 50 bis 60 Eier, brächten aber nur etwa jedes vierte Küken durch. Sitterle schwärmt von der sozialen Art der Dohlen, bei denen sich zum Beispiel die ganze Kolonie mit um die Jungvögel kümmert.

Manfred Schemmelmann und Bernhard Kleis vom NABU Lörrach nutzen das Baugerüst und montieren ganz oben am Turm Nistkästen für den seltenen Alpensegler, der normalerweise in Felswänden der Alpen lebt. Foto: Regine Ounas-Kräusel

Spannend wurde es, als der Turm im März im Zuge der Kirchensanierung eingerüstet und die Dohlen-Nistkästen außen am Gerüst befestigt wurden. Sitterle freut sich, dass die kleinen Rabenvögel die Kästen angenommen haben. So ist weiter ihr markantes „kjak, kjak“ auf dem Kirchplatz zu hören.

Sogar Alpensegler

Gemeinsam mit Manfred Schemmelmann und Bernhard Kleis vom NABU nutzt Sitterle die Sanierung der Stadtkirche, um Nistmöglichkeiten für Mauer- und Alpensegler zu schaffen. Vom Alpensegler, der natürlicherweise in Felswänden der Alpen brütet, laut Roter Liste Deutschland extrem selten und an seinem weißen Bauch erkennbar ist, gibt es bereits eine Kolonie in der Lörracher Innenstadt.

Solange das Baugerüst am Kirchturm steht, wollen die drei Naturfreunde außen am Turm Nistgelegenheiten für den Alpensegler anbringen. Darunter wollen sie Kotbretter montieren, damit später die frisch renovierte Fassade sauber bleibt. Nun hofft Sitterle auf grünes Licht vom kirchlichen Bauausschuss.

Ein weiterer Wunsch Sitterles rückt dank der Kirchensanierung in greifbare Nähe: Seit vielen Jahren möchte er im Dachstuhl der Stadtkirche eine Kinderstube für Fledermäuse schaffen - ähnlich der Kinderstube für das Große Mausohr in der Hauinger Grundschule. Bei der Sanierung werde endlich ein Boden eingezogen, den man jährlich vom Kot der hungrigen Fledermausbabys reinigen könne, freut sich Sitterle. Außerdem bezahle das Landratsamt einen Zuschuss für Baumaterial.

  • Bewertung
    0

Beilagen

Umfrage

CDU-Klausur der EVP

Die Mitte-Parteien warnen vor Wahlerfolgen der AfD. Kürzlich  hatte Friedrich Merz (CDU) gesagt: „Einmal 33 reicht für Deutschland“, in Anspielung auf die Bundestagswahl  2033 und die Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933. Was halten Sie davon?

Ergebnis anzeigen
loading