Lörrach „Ich bin ein gnadenloser Optimist“

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Max Mutzke eröffnet am 6. Juli das Stimmenfestival. Foto: Amélie Sigmund@Insta@raw-souls

Interview: Der Schwarzwälder Musiker Max Mutzke über Stimmen, sein Album, Corona und Heimat

Rundum sympathisch – so wirkt Max Mutzke im Fernsehen und auf der Bühne. Ein Eindruck, der beim Telefoninterview bestätigt wird: gut gelaunt, höflich, locker, wie selbstverständlich sind wir gleich beim Du. Mutzke ist derzeit begehrter Interviewpartner, konzentriert sich aber trotz aktuellem Zeitstress aufs Gespräch. Eine Ehre ist es dem Schwarzwälder, am 6. Juli das Stimmenfestival zu eröffnen. Über seine aktuelle Platte, den Eurovision Contest und das Leben unterhielt er sich mit Gabriele Hauger.

Frage: „Wunschlos süchtig“ lautet der Titel Deines neuen Albums. Geerdeter Schwarzwälder, erfolgreich, kreativ, vier Kinder...bist Du ein glücklicher Mensch?

Auf jeden Fall! Ich bin zudem ein gnadenloser Optimist, wache eigentlich jeden Morgen gut gelaunt auf. Ich bin gerne früh wach, wenn ich die Kinder zur Schule bringe, stehe ich um 5.30 Uhr auf. Ich liebe diese Tageszeit, das ist mir wohl in die Wiege gelegt. Dabei gibt es in meiner großen, weit verzweigten Familie genügend gestresste Morgenmuffel. Für diese gute Laune bin ich in der Familie und bei meinen Freunden übrigens bekannt. Extra angeeignet habe ich mir aber auch Höflichkeit wie beispielsweise Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit. Es ist mir wichtig, dass meine Kollegen gerne mit mir zusammenarbeiten.

Frage: Solche Eigenschaften machen das Leben leichter.

Auf jeden Fall. Von dieser inneren Ausgeglichenheit profitierte ich schon sehr. Zum Beispiel, wenn es karrieretechnisch mal nicht so gut läuft wie damals direkt nach dem Eurovision Song Contest. Es gibt ja immer Ausschläge in einer Künstlerlaufbahn. Wenn du gerade nicht so en vogue bist, hast du dann im besten Falle Menschen um Dich, die trotzdem gerne mit Dir zusammenarbeiten wollen.

Frage: Stichwort Eurovision Song Contest. Du bist 2004 mit „Can’t Wait until Tonight“ auf dem achten Platz gelandet. Bewegt Dich dieser Wettbewerb noch oder hast Du damit abgeschlossen?

Komplet abgeschlossen. Bevor ich damals mit dabei war, hat mir der Song Contest eigentlich gar nichts gesagt. Ich habe das auch nie angeschaut. Das war nicht mein Ding. Durch meine Teilnahme habe ich gemerkt, dass das nichts ist, mit dem ich mich identifizieren kann. Das Ganze hat doch sehr viel mit Glamour, Show und Trash zu tun. Ich bin halt mit Musik von James Brown, Stevie Wonder oder Ray Charles und Eric Clapton aufgewachsen und habe mich dafür begeistert. Und die kannst Du Dir ja auch nicht beim ESC vorstellen! Meine Musik ist Soul, Blues, Jazz RnB, Funk Fusion. So bin ich geprägt.

Frage: Du singst in Englisch und in Deutsch. Das neue Album ist durchweg auf Deutsch gesungen. Ist das beim Stimmen-Eröffnungskonzert zu hören?

Richtig. Ausschließlich daraus. Nur „Can’t Wait until tonight“ wird auch dabei sein, weil das noch immer ein geiles Highlight ist. Ich liebe diese Nummer und spiele das Stück immer noch gerne. Ich denke auch gerne an die Zeit zurück. Das hat damals viel Spaß gemacht. Ich bin da keinesfalls mit einer arroganten Einstellung hingegangen, sondern war stolz und glücklich. Das neue Album in Deutsch finde ich enorm wichtig und cool. Gerade weil ich jetzt in der Pandemie-Zeit so viele Themen hatte, die mich berührt haben: die Spaltung in der Gesellschaft zum Thema Impfen, Verschwörungstheorien; aber auch voll viele schöne Dinge, die zwischen den Menschen passiert sind: die krasse Solidarität, die aufgekeimt ist, meine Liebe meine Kinder. Ich möchte, dass wir uns auch wieder gute Geschichten erzählen. In den Nachrichten hörten wir auch schon vor dem Ukraine-Krieg so viele schreckliche und krasse Sachen! Man kann ja nach den Nachrichten kaum einschlafen, weil man das Gefühl hat, die Welt ist am Abgrund. Das ist aber falsch. Dem gegenüber stehen auch so viele gute Nachrichten, aber die finden keinen Platz. Viele denken, das Schlimme zu erzählen, ist wichtig. Aber das macht ja was mit uns. Wir werden misstrauisch, bekommen Angst, wir haben das Gefühl, alles geht den Bach runter. Wenn ich beispielsweise erzähle, dass die Kriminalität unter Jugendlichen ständig zurückgeht – das ist noch eine total schöne Geschichte! Sie findet aber keine Beachtung. Ich finde, es sollte eine Quote für gute Nachrichten in den Medien geben. Das würde uns mit einem guten Gefühl ins Bett schicken.

Frage: Sicher steigert es auch die Authentizität, solche Themen in der Muttersprache zu singen?

Absolut. In Englisch hätte ich das gar nicht machen wollen, weil die Leute das dann auch nicht so gut verstehen würden. Die Menschen freuen sich auf Deutsch, haben Angst auf Deutsch, sind wütend auf Deutsch – und so erreicht man das Publikum viel besser. Das schafft Nähe.

Frage: Wenn wir beim Thema Deutsch sind. Was verbindest du mit dem Begriff Heimat?

Es ist ja eine alte Weisheit, dass Heimat ein Gefühl ist. Wenn ich von einer Tour nach Hause komme und keiner ist da, kann sich die Wohnung heimatlos wie ein Hotelzimmer anfühlen. Umgekehrt kann ein Rastplatz auf der A5, auf dem ich mal mit der Familie gepicknickt habe, warme Heimatgefühle auslösen. Und obwohl ich nicht aus Lörrach bin: Ich war schön öfter mit der Familie da, habe Erinnerungen an die Stadt. Wenn ich dann da auf der Burghof-Bühne stehe, vor mir Fans und Freunde, dann wird das auch ein warmes Heimatgefühl in mir auslösen.Und ich kann hier Alemannisch schwätze!

Frage: Ein Künstler aus der Regio eröffnet das Stimmenfestival – das ist etwas Besonderes. Was verbindest du mit Stimmen?

Ich war einmal zu Gast bei Stimmen. Ein bisschen verrückt ist das schon: Ich bin schließlich seit 2004 im Geschäft, aber lange Zeit hat mich das Festival nicht eingeladen. Wenn man aber STIMMEN-Festival heißt und dann den Sänger, der aus der Region kommt und oft als DIE deutsche Soul-Stimme bezeichnet wird, nicht einlädt, muss man sich als Künstler schon fragen, ob die Veranstalter blind für die Künstler aus der eigenen Region sind. Als dann der Bann gebrochen war, war das natürlich toll. Dass ich das Festival jetzt sogar eröffne, ist für mich eine große Ehre. Das wird sicher der Hammer! Es werden auch viele Leute aus meinem Umfeld kommen. Künstler und Publikum haben durch Corona ja lange genug gelitten. Jetzt müssen die Menschen auch wieder lernen, zu Konzerten zu kommen. Das ist kein automatischer Selbstläufer.

Frage: Ist das neue Album ein Corona-Album? Wie war die Zeit für Dich?

Zuanfangs habe ich mich wirklich gefreut, endlich mal viel Zeit mit meiner Familie zu verbringen. Ich fand es schön, die Kinder so viel daheim zu haben, das hat sich wie ein langer Sommerurlaub angefühlt. Ich bin aber auch Experte darin, mir die Sachen schön zu sehen, mich auf das Positive zu fokussieren: Wir konnten als Familie ohne Ablenkung Qualitätzeit miteinander verbringen, die wir so noch nie hatten. Die Kinder kennen mich ja nur arbeitend. Lange Zeit haben sie gedacht, ich arbeite am Flughafen, weil wir da dauernd hingefahren sind!

Ich habe also diese Zeit genossen. Unter anderem habe ich angefangen, ehrenamtlich im Schwarzwald Pistenraupe zu fahren. Der Hammer! Mittlerweile bin ich sogar im Vorstand des Loipenzentrums. Mir war aber klar, dass ich das nicht zu laut sagen darf, weil die allermeisten Künstler und die ganze Branche so extrem gelitten haben. Natürlich waren die fehlenden Auftritte ein enormer Entzug. Das bekam auch ich zu spüren. Ich habe mich – in die Tiersprache unmgesetzt – nicht mehr artgerecht gehalten gefühlt, weil Auftritte und alles drumherum gefehlt haben. Ich bin sehr dankbar, dass es wieder losgeht. Die Branche ist aber immer noch auf den Knien, berappelt sich nur langsam. Die Zuschauerzahlen haben sich leider noch lange nicht erholt. Ich habe echt keinen Bock drauf, dass im Herbst wieder alles runterfährt, weil so viele ungeimpft sind. Ich kann nur appellieren: Lasst Euch impfen! Das ist Solidarität.  Stimmen-Eröffnungskonzert: Max Mutzke, Support: Duo Ruut, am Mittwoch, 6. Juli, 20.30 Uhr, Burghof Lörrach; Karten unter www.burghof.com sowie in den Geschäftsstellen unserer Zeitung

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