Lörrach „Ich habe viele Lieder in mir“

Gabriele Hauger
Cécile Verny (mit Band): „Wie so viele Künstler muss ich feststellen, dass das, was uns alle am meisten antreibt, motiviert, frustriert, beglückt und zerstört, die Liebe ist.“ Foto: zVg/Groteloh Foto: zVg/Groteloh

Interview: Jazz-Sängerin über Alltagsrassismus, Stilformen, ihre Band und den Lörracher Auftritt

Lörrach - Die Sängerin Cécile Verny eroberte bereits mit 17 Jahren die Bühne. Sie wuchs an der Elfenbeinküste auf, übersiedelte 1981 mit zwölf Jahren nach Frankreich.1989 gründete sie ihr Jazz-Quartet und wurde vielfach ausgezeichnet. Bekannt und geschätzt wird sie vor allem für ihre breites vokales und musikalisches Spektrum. Mit ihren Musikern gastiert sie nun am Freitag, 15. März, 20 Uhr, im Rahmen der Internationalen Wochen gegen Rassismus im Lörracher Burghof. Im Vorfeld stellte sie sich den Fragen von Gabriele Hauger.

Frage: Sie stammen von der Elfenbeinküste und leben jetzt in Freiburg. Ist Rassismus für Sie ein Thema im Alltag?

Für mich persönlich im Alltag eigentlich nicht. Aber mir ist bewusst, dass Rassismus leider in vielen Ländern wieder erstarkt beziehungsweise, dass er sich nicht mehr versteckt. Manches ist offensichtlich – nehmen wir die Entwicklung der populistischen Parteien oder radikale und verletzende Äußerungen in den sozialen Medien. Manchmal läuft Rassismus jedoch subtiler oder gar unbewusst ab. Zum Beispiel sind manche (weißen) Deutsche immer noch überrascht, wenn anders aussehende Menschen perfektes Deutsch sprechen. Da ist sicherlich nichts Böses dabei, aber überlegen Sie sich mal, wie ein in Deutschland geborener und sozialisierter Mensch sich fühlen kann, wenn er/sie immer wieder damit konfrontiert wird, wie gut er/sie Deutsch spricht.

Frage: War und ist die Situation in Frankreich, wo sie aufgewachsen sind und lange lebten eine andere?

Ich lebe ja schon lange nicht mehr in Frankreich, deswegen fehlt mir da die aktuelle Erfahrung. Eins ist aber sicher: Durch die ehemaligen Kolonien ist man in Frankreich eher gewohnt, Franzosen aller Hautfarben zu sehen als in Deutschland.

Frage: Sie schreiben Ihre Songtexte häufig selbst. Wovon handeln diese, und wie autobiografisch sind sie?

Wir haben von Anfang an immer Texte von Dichtern wie William Blake, Minji Karibo, Elisabeth Barret-Browning und so weiter bearbeitet. Oder wir nehmen Texte, die uns berühren. Lindsey Blount und Tracy Webb-Kolbinger unter anderem sind als Texter bei unserer neuen Produktion „Of Moons and Dreams“ wieder dabei. Die Texte, die nicht von mir stammen, muss ich mir aneignen. Darin liegt die Stärke eine Interpretin.

Die Lieder, die ich selbst schreibe, sind sicherlich (auto)biografisch, aber da fließt natürlich auch jede Menge Fantasie mit ein. Ich singe beziehungsweise schreibe über die kleinen und große Momenten des Lebens. Über Glück aber auch über Zweifel, Verlust oder Angst. Viel über Liebe. Denn wie so viele Künstler vor mir und sicherlich nach mir, muss ich feststellen, dass das, was uns alle am meisten antreibt, motiviert, frustriert, beglückt und zerstört, die Liebe ist.

Frage: Nach welchen Kriterien entscheiden Sie, in welcher Sprache Sie singen und texten?

Ich schreibe am liebsten Texte auf eine vorgegebene Melodie. Je nach dem, ob der Text oder die Musik zuerst da sind, kann das das Ergebnis beeinflussen. Aber wenn ich schreibe, passiert das auf eine sehr intuitive Art. Es steckt kein System dahinter.

Frage: Ihr musikalischer Stil ist vielseitig, auch afrikanische Einflüsse sind hörbar. Sie haben aber auch rumänische und österreichische Wurzeln. Möchten Sie das bewusst in Ihrer Musik widerspiegeln? Oder kam das ganz automatisch in Ihrer Karriere quasi aus dem Bauch heraus?

Es gab eine Zeit, in der unsere Musik in der Tat stärkere afrikanische Klänge hatte. Ich bin eine Metisse. Das deutsche Wort „Mischling“ ist eines der wenigen deutschen Wörter, die ich nicht mag. Ich trage in mir unterschiedlichen Kulturen, ich bin in verschiedenen Welten sozialisiert, bin viel gereist, spreche drei Sprachen fließend, vier sogar, wenn man das Badische dazu zählt. Ich möchte und kann wahrscheinlich nicht anders, als Mensch meine Kunst mit allem auszudrücken, was in mir steckt plus dem, was ich an äußeren Einflüssen vom Leben mitbekommen habe. Wir könnten es so zusammenfassen: Ich habe viele Lieder in mir.

Frage: Empfinden Sie Ihre Mischung aus verschiedenen Kulturen stets als Bereicherung oder fiel Ihnen die Suche nach der eigenen Identität dadurch schwerer?

Auf jeden Fall eine Bereicherung! Ich fühle mich in verschiedenen Länder wohl, ich kann mich in unterschiedlichen sozialen Schichten bewegen. Für meine Konzeption des Lebens ist das eine Bereicherung. Ich würde mir nur wünschen, noch stärker in mir selbst zu ruhen. Dann könnte ich all diese außergewöhnlichen Gaben und den Reichtum des Lebens noch mehr genießen und mit Menschen durch das Singen teilen.

Frage: Wie ist ihr Quartett aufgestellt?

Das Quartett feiert dieses Jahr sein 30. Jubiläum. Die aktuelle Besetzung besteht seit zehn Jahren. Lars Binder (Schlagzeug) kam als letzter zu uns. Andreas Erchinger (piano) ist seit 1997 dabei, und mit Bernd Heitzler (Kontrabass) haben wir die Band CVQ (Cécile Verny Quartet) 1989 gegründet.

Frage: Was werden Sie bei Ihrem Konzert in Lörrach spielen?

Mitte Mai kommt unsere neue CD „Of Moons and Dreams“ raus. Die zehnte! In Lörrach wollen wir eine Mischung aus älteren und neuen Titeln spielen, aber wir sind da recht spontan in unserer Spielfreude. Mal schauen, was tatsächlich passiert.   Konzert: Freitag, 15. März, 20 Uhr, Burghof, im Rahmen der Internationalen Wochen gegen Rassismus

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