Basel Im Fremden das Eigene entdecken

Die Oberbadische
Der frisch gekürte Heinrich-Böll-Preisträger José F.A. Oliver (rechts, neben dem Inzlinger Moderator Armin Zwerger) las in Riehen mit etwas heiserer Stimme wegen der „Turbulenzen der letzten Tage“, gemeint waren die Glückwünsche und Anfragen aus der ganzen Welt. Foto: Jürgen Scharf

Literatur: Der Lyriker, Essayist und Übersetzer José F. A. Oliver las in der „Arena“ Riehen

Basel - Das Timing hätte nicht besser sein können: Zwei Tage vor seiner Lesung in der Riehener Literaturarena wurde bekannt, dass der Lyriker, Essayist und Übersetzer José F. A. Oliver aus Hausach im Kinzigtal den hoch angesehenen Heinrich-Böll-Preis der Stadt Köln erhält. Er könne es noch immer nicht fassen, staunte der Autor, der aus einer andalusischen Gastarbeiterfamilie stammt und sich im Schwarzwald heimisch fühlt, als er den Meierhof betrat.

Auch für das Schweizer Publikum war es ungewöhnlich, wieder einmal Kultur hautnah zu erleben. Man habe sich fast daran gewöhnt, nirgends mehr hinzugehen, bemerkte Arena-Vorsitzender Valentin Herzog im Gespräch mit unserer Zeitung.

Umso erfreuter war das Arena-Team mit dem in Inzlingen lebenden Armin Zwerger, der den Abend moderierte. Das „frühere Gastarbeiterkind“, so Zwerger, gehöre heute zu den Schwergewichten in der Lyrikszene. Habe Oliver doch den Hausacher LeseLenz, eine literarische Großveranstaltung im kleinstädtischen Hausach, etabliert.

Zwerger zitierte Stimmen zur Preisvergabe an „einen der herausragenden Essayisten und Lyriker unserer Zeit“ (aus der Jury), die Kölner Oberbürgermeisterin und den Schriftstellerkollegen Ilija Trojanow, die sich alle sehr lobend über den Preisträger äußerten.

Es ist die poetische Dimension im Umgang mit Sprache, die den 1961 geborenen andalusischen Alemannen auszeichnet. Olivers literarische Produktion ist eine Spurensuche nach seiner mehrsprachigen und mehrkulturellen Herkunft. Dass sein Werk traditionsbewusst als auch innovativ zwischen Sprachen und Kulturen wechselt, zeigten einmal mehr die Textbeispiele des 2015 mit dem Basler Lyrikpreis dekorierten Dichters.

„Ich kann ohne diese beiden Kulturen, die ich in mir trage, nicht leben“, bekennt Oliver. „Bin ich Spanier, bin ich Deutscher?“ fragte er sich auf der Suche nach einer neuen Heimat. Das Wort „Heimat“ findet er „grandios schön“. Oliver entdeckt im Fremden das Eigene und umgekehrt. Verständnis für das Fremde zu entwickeln ist sein Anliegen.

Autorenkollege Zwerger hatte eine große Liste mit Fragen dabei, die er aber nicht vollständig abhaken konnte. Einiges Stilprägendes an Olivers Essays und Gedichten wurde aber klarer. Etwa seine Sprachspiele mit Satzzeichen und Worttrennungen mit „Doppel:punkt“. Über diese Intertextualität befragte ihn Zwerger ausgiebig und so hörte man nach langer kulturloser Zeit wieder einmal aus berufenem Autorenmund poetologische Reflexionen.

Oliver gesteht, dass er ein großer Hölderlin-Verehrer ist – ein Gedicht nimmt auf Hölderlin Bezug –, und dass er die Lyrikerin Hilde Domin verehrt, deren Maxime „Der Lyriker von heute braucht dreierlei Mut...“ er verinnerlicht hat und einzulösen versucht. Ja, gesteht er, das seien die poetisierenden Grundlagen für sein Schreiben.  Und zum zweiten „Arena“-Gast, der noch in diesem Monat Riehen besucht, meint er: „Wie schön, dass als nächstes Peter Stamm kommt“. Sie wären sich erst kürzlich bei einem Übersetzertreffen begegnet.

Für Oliver scheint das Corona-Jahr ein verlorenes, es würde ihm „fehlen“; seine letzte Lesung vor Publikum sei im Februar 2020 gewesen. Jetzt schaute er auf Menschen, die Masken aufhaben - „ich bewundere Sie, dass Sie hier sitzen“, sagte er zu den weit auseinander sitzenden, aber doch recht zahlreichen Zuhörern. Die hörten zuerst die erste Geschichte aus dem Prosaband „Fremdenzimmer“ – nach „Mein andalusisches Schwarzwalddorf“ der zweite Teil einer andalusischen Trilogie –, und danach eine Auswahl von Gedichten, die für den Autor „wie Partituren“ sind und die man laut sprechen müsste.

Gut anderthalb Stunden lang konnten die Besucher eintauchen in Olivers Welt der Poesie, seine Vorstellung der Sprache und die neuen poetischen Räume, die er eröffnet. Schon jetzt darf man gespannt sein auf den Dokumentarfilm über seine Zeit als Stadtschreiber in Istanbul, der im Herbst in die Kinos kommen soll.   Lesungen in der Arena Literatur-Initiative Riehen: 23. Juni Peter Stamm, 9. September Lukas Hartmann.

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