Unabhängig von den deutschlandweiten Zahlen fokussieren sich Thorsten Becker und das ganze Seelsorgeteam auf die Situation vor Ort. Negative Entwicklungen will er nicht auf die Bischöfe oder die katholische Kirche an sich schieben, sondern sich den Bedürfnissen seiner Gemeinde stellen. „Wir haben schon immer die Menschen hier im Blick, ihre Fragen, ihre Not. Wir versuchen, den Glauben zu verkünden im Bewusstsein, dass die Menschen gerade derzeit an ihre Grenzen kommen.“ Ganz konkret will er mit seinem Team auf die Leute zugehen, sei es in Betrieben, bei Senioren, bei Hilfsbedürftigen. „Diese Botschaft muss im Miteinander spürbar werden.“
Bärbel Schäfer
Dekanin Bärbel Schäfer kann dies nur unterstützen. „Wir können und müssen uns in vielen Punkten noch mehr auf die Menchen und ihre Bedürfnisse zubewegen.“ Sich gegen gesamtgesellschaftliche Entwicklungen wie beispielsweise die Individualisierung zu stemmen, mache sowieso keinen Sinn.
Schäfer möchte allen Pfarrern mitgeben, dass sie sich nicht nur um die treuen Anhänger einer Gemeinde kümmern, sondern versuchen, die frohe Botschaft der gesamten Gemeinde zu vermitteln. Dazu brauche es Einfühlsamkeit und ein offenes Ohr. Ein erster guter Kontakt zur Kirche ziehe oft eine spätere Verbundenheit nach sich. Das könne bei der Konfirmation oder bei einer Hochzeit sein.
Die aktuelle Austrittswelle macht sie indes nicht nervös. Immer wieder würden solche Wellen kommen, würden Horror-Szenarien prognostiziert. Den grundlegenden strukturellen Wandel könne man nicht aufhalten. Natürlich werden die fehlenden Kirchensteuern die Ressourcen der Gemeinden angreifen – schneller als vielleicht erwartet. Der stete Kirchenmitgliederrückgang zeichne sich indes schon seit langem ab. „Es kommen weniger jüngere Leute nach, auch beim Pfarrpersonal.“
Die aktuelle wirtschaftliche Bedrängnis in der Corona-Krise verschärfe die Situation noch. Dennoch: Die Kirche müsse sich den Aufgaben des Wandels grundsätzlich stellen. Dazu gehöre vor allem ein engagiertes, empathisches Gemeindepersonal.