Lörrach. Die Schülerfirma der Pestalozzi-Förderschule ist 15 Jahre alt. Das kleine Jubiläum wird am Donnerstag, 21. Mai, mit einem großen Programm gefeiert. Über den Betrieb der Schülerfirma sprach Guido Neidinger mit Rektorin Isolde Weiss.

Vor 15 Jahren wurde die Pestalozzi-Schülerfirma gegründet. Wer hatte diese Idee?

Die Idee hatten Bernd Dold, ein inzwischen verstorbener Kollege unserer Schule und Jürgen Wöllner, ebenfalls ein Kollege, der in diesem Jahr verabschiedet wird und in den Ruhestand tritt.

Welche Absicht stand anfangs hinter der Gründung der Schülerfirma?

Über die Schülerfirma sollen unsere Kinder qualifiziert werden und eine umfassende realitätsnahe Vorbereitung auf die Berufswelt erhalten. Die Schülerfirma schafft neue, alltagsbezogene Lern- und Erfahrungsräume.

Wie muss man sich den Betrieb der Schülerfirma vorstellen?

Inzwischen gibt es zahlreiche Abteilungen. Das sind: Verwaltung, Dienstleistung, Verpackung/Qualitätskontrolle, Bistro/Coolinario, Kiosk, Kunststoff,  Holz,  Catering und Möbelproduktion. In einigen dieser Abteilungen, wie dem Kiosk, wird täglich gearbeitet. So sichert der Kiosk  die Pausenverpflegung der Pestalozzischule und der benachbarten Albert-Schweitzer-Schule. Das Coolinario bietet  dienstags, mittwochs und donnerstags ein abwechslungsreiches Mittagessen für die  Schulen auf dem Campus der Wintersbuckstraße. Oder nehmen wir die Abteilung Catering. Diese nimmt Aufträge entgegen und erstellt Finger-Food, Suppen, Kuchen und Desserts für festliche Veranstaltungen. Diese Abteilung muss also sehr flexibel arbeiten. Alle anderen Abteilungen arbeiten vornehmlich am Schülerfirma-Tag. Das ist bei uns der Donnerstag. An diesem Tag haben die Schüler drei Stunden firmenbegleitenden Unterricht. Anschließend gehen sie in die Produktion.
Am Montagnachmittag findet immer eine Abteilungsleitersitzung unter Leitung der Geschäftsführung statt. In dieser Sitzung müssen alle Abteilungsleiter über die Produktion und die Effizienz ihrer Abteilung Bericht erstatten. Hier sollen auch Mitarbeiter Stellung beziehen, wenn es Motivationsverluste oder andere negative Vorfälle gab.

Wer kann in der Schülerfirma mitmachen?

Unser Anliegen ist es, dass alle Schüler ab der bei uns kombinierten Klassenstufe 6/7 Mitarbeiter der Schülerfirma sind. Für die einzelnen Abteilungen können sie sich zu Beginn des Schuljahres bewerben. Dafür benötigen sie Bewerbungsunterlagen, und es findet ein Bewerbungsgespräch statt.

Gibt es auch Schüler, die in mehreren Abteilungen tätig sind?

Ja, das gibt es. Für dieses zusätzliche Engagement erhalten die Schüler Zertifikate, die sie  ihrem Lebensordner hinzufügen können.

Ist die Schülerfirma also Teil des Unterrichts an der Pestalozzischule?

Ja, die Schülerfirma ist alltagsbezogener und lebensnaher Unterricht. Die Schülerfirma ist damit fester Bestandteil unseres Schulcurriculums. Wir haben alle Handlungsfelder in unserem Curriculum   festgeschrieben. Wir nehmen das sehr ernst.

Was steckt an konkreter Zielsetzung hinter dieser Firma?

Die Schüler lernen zunächst die Struktur einer Firma kennen. Sie  ist ein Abbild der Realwelt, auf die sie früher oder später treffen. Das reicht von der Bewerbung über die Arbeit an sich bis hin zur Reflexion über ihre Tätigkeit. Am Ende des Schuljahres erhalten die Schüler Prämien. Diese werden auf ein eigenes Konto überwiesen. Das bedeutet, dass sie sich im Laufe des Jahres ein Konto einrichten müssen. Die angesprochene Prämie liegt zwischen 20 und 80 Euro. Sie   ist eine Form der Wertschätzung für eine gute und qualifizierte Schülerarbeit. Wichtig ist uns das Training von arbeitsrelevanten Kompetenzen wie Pünktlichkeit, Sorgfalt, Zuverlässigkeit, Teamfähigkeit, aber auch der Erwerb handwerklicher Fähigkeiten. So muss unsere Abteilung Verwaltung zum Beispiel Überweisungen tätigen, Bestellungen ausführen und andere Geldgeschäfte abwickeln.

Werden die Schüler bei ihren Tätigkeiten von Lehrern betreut?

Ja, für jede Abteilung ist ein Lehrer zuständig. Aber es gibt daneben aus der Schülerschaft einen Abteilungsleiter. Uns ist selbstverantwortliches Handeln in der Schülerfirma sehr wichtig.

Was bringt die Tätigkeit in der Schülerfirma den Kindern konkret?

Seitdem wir die Schülerfirma haben, sind unsere Jugendlichen  besser auf die Arbeitswelt vorbereitet. Sie können auch unter Stress arbeiten und besser mit Kritik an ihrer Arbeitsleistung umgehen.

Bringt die Tätigkeit in der Schülerfirma den Schülern später also tatsächlich belegbare Vorteile bei Bewerbungen?

Absolut. Wie sehen das an den Vermittlungszahlen. Zunächst gelingt es uns jetzt besser, Schüler in qualifizierte Praktika bei Unternehmen zu bringen und sie für Ferienjobs zu motivieren. Außerdem sind sie, wie bereits gesagt, besser auf einen Ausbildungsplatz vorbereitet. Heute können wir sagen, dass etwa die Hälfte der Schüler, die unsere Schule verlässt, auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß fasst. Noch vor zehn Jahren hatten wir vielleicht einen Schüler pro Jahr, den wir in einer regulären Ausbildung unterbringen konnten. Die meisten Schüler verließen damals die Schule mit einem Förderschulabschluss. Heute erreichen etwa 90 Prozent  den Hauptschulabschluss. Wenn uns  im Sommer 22 Schüler verlassen, gehe ich davon aus, dass mindestens elf  einen Ausbildungsvertrag in der Tasche haben. Das ist ein sehr gutes Ergebnis, auf das wir sehr stolz sind.

Gibt es Kooperationen mit anderen Schulen?

Es gibt eine Kooperation mit den beruflichen Schulen, also der Gewerbeschule und  der Mathilde-Planck-Schule, der hauswirtschaftlichen Schule. Wir kooperieren außerdem mit den Werkrealschulen und der Leopold-Förderschule  Weil am Rhein. Wir haben mit all diesen Schulen ein Konzept erarbeitet für die zweijährigen Kooperationsklassen. Das 9. Schuljahr verbringen die Schüler  der Kooperationsklasse bei uns. Sie profitieren hier von den vielfältigen Praxis- und den individuellen Bildungsangeboten. In der 10. Klasse sind sie dann an einer der Berufsschulen und machen dort ihren Hauptschulabschluss. Sie werden dabei auch noch von Lehrern unserer Schule begleitet.

Welche Berufe kommen für Ihre Schüler in Frage?

Inzwischen ganz  viele, auch weil der Fachkräftemangel ihnen viel mehr Möglichkeiten bietet. Einige Beispiele, in denen unsere Schüler später vertreten sind: Fleischereifachverkäufer,  Lagerist, Maler, Fachverkäufer für Backwaren, Schreiner, Zimmerer, Gipser, Altenpfleger und Maschinenführer. Ich freue mich, dass ich immer wieder in den Lörracher Geschäften ehemalige Schüler antreffe, die dort erfolgreich tätig sind.

Gibt es auch Problemfälle? Wie versuchen Sie denen den Einstieg in die Berufswelt dennoch zu ermöglichen?

Es gibt natürlich Problemfälle. Hier ist ein Netzwerk gefragt. Die sogenannten Kümmerer sind da ganz wichtig, wie HBL (Anmerkung: Hilfe für Beruf und Leben gem.GmbH) oder die Mitarbeiter der Jugendhilfe.

Gibt es auch Kooperationen mit richtigen Firmen?

Die gibt es, und wir nennen sie Bildungspartner. Wir kooperieren in vielfältiger Weise mit dem Sozialen Arbeitskreis, der Bäckerei Paul, der Stadt Lörrach, der Seniorenresidenz Gevita, dem Margaretenheim und metallverarbeitenden Betrieben. Außerdem haben wir eine große Liste von verlässlichen Firmen, die unsere Schüler gerne für ein Praktikum aufnehmen.