Lörrach Lörrach hält in stürmischen Zeiten den Kurs

Bernhard Konrad

Neujahrsempfang: Jörg Lutz nennt drei zentrale Herausforderungen der Zukunft: die Erneuerung des Rathauses, knappe Finanzen und den demografischen Wandel

Nach der erzwungenen Corona-Pause haben Stadt und Landkreis am Montag zum Neujahrsempfang in den Burghof eingeladen. Oberbürgermeister Jörg Lutz bezeichnete die Erneuerung des Rathauses, knappe Finanzen und den demografischen Wandel als Schlüsselherausforderungen für Lörrach.

Von Bernhard Konrad

Lörrach. Wir leben in stürmischen Zeiten. Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg, Energiekrise: massive Herausforderungen für Europa, Deutschland und Lörrach als Teil der globalen Gemeinschaft.

Die stürmischen Zeiten

Indes: „Von den Wogen geschüttelt wird sie nicht untergehen“, zitierte Lutz die Inschrift auf dem Stadtwappen von Paris. Das Bild des der stürmischen See trotzenden Schiffs habe ihn schon als Kind fasziniert. Heute gedenkt Lutz als Oberbürgermeister das größte Schiff der deutschen Kommunen im Dreiländereck auf Kurs zu halten.

Die Monsterwelle

Fraglos befindet sich die Stadt in schwieriger See: Die „finanzielle Monsterwelle“ rollt mit der Sanierung des Rathauses auf Lörrach zu. Mit Blick auf Brandschutz und energetischen Zustand bestehe akuter Handlungsbedarf – um nur zwei Beispiele zu nennen. Das Gebäude benötige vier Mal so viel Energie wie ein vergleichbarer moderner Bau.

Selbst abzüglich der erwartbaren Zuschüsse von Bund und Land rechnet Lutz für das mit rund 70 Millionen Euro veranschlagte Projekt noch mit einem Betrag in Höhe von 50 bis 60 Millionen Euro für die Stadt.

Die Prüfung der Varianten

Lutz benannte die zur Diskussion stehenden Optionen: „Abriss und Neubau an gleicher Stelle. Sanierung des bisherigen Kreiskrankenhauses oder dessen Abriss und Neubau eines Rathauses dort.“ Das Vorhaben könne voraussichtlich 2026 beginnen und sei für die Verwaltung und die Stadtgesellschaft als kommunales Zentrum der Daseinsvorsorge „unabdingbar“, betonte Lutz im sehr gut besuchten Burghof. Er würde sich freuen, „wenn wir unser aktuelles Rathaus fit für die Zukunft machen könnten“. Doch sicherte er ausdrücklich „eine ergebnisoffene und neutrale Prüfung“ zu.

Die Investitionen in Bildung

Die Rathaus-Erneuerung wird sich massiv auf die ohnehin finanziell angespannte Situation der Kommune auswirken. Zwar habe die Verwaltung in den vergangenen Jahren sparsam gewirtschaftet – die Gemeindeprüfungsanstalt habe dies ausdrücklich gelobt – doch sei die Kommune bei etlichen baulichen Herausforderungen nicht so schnell vorangekommen wie geplant. Und nach wie vor stehen insbesondere bei Kitas und Schulen große Projekte vor der Umsetzung – oder sie stecken mitten drin, etwa Waldorfkindergarten, Evangelischer Kindergarten Haagen, Albert-Schweitzer-Gemeinschaftsschule, Fridolinschule, Grundschule Tumringen, Hans-Thoma-Gymnasium und Hellbergschule.

Das Bekenntnis zur Kultur

Darüber hinaus werden die Themen Mobilitäts- und Energiewende, Digitalisierung, Kultur, Soziales und Sport die Stadt weiter begleiten – und mit diesen die damit einhergehenden Kosten.

Bei den Einsparpotenzialen sieht Lutz keine „leicht zu erntenden Früchte“ mehr: „Wir sind uns im Gemeinderat einig, dass wir den Bestand an kulturellen und sozialen Einrichtungen erhalten möchten.“

Der Ausbau der Einnahmen

Mittel- und langfristig führe kein Weg am Ausbau der Einnahmequellen vorbei: „Dazu gehört neben den Anteilen an der Einkommenssteuer vor allem die Gewerbesteuer“, sagte Lutz. Daher arbeite die Stadt am Gewerbegebiet Brombach-Ost ebenso wie an der Entwicklung der Wandelareale Lauffenmühle und Koechlin, damit sich dort neue Betriebe ansiedeln können. Lutz: „Mit zukunftsfähigen Arbeitsplätzen und in der Folge dann auch mit Gewerbesteuerzahlungen.“

Der Mangel an Personal

Knappe Kassen gehören für Kommunen zum Alltag, neuerdings wird dieses Problem durch knappe Personalressourcen verschärft. Auch die Lörracher Stadtverwaltung befinde sich „mitten im demografischen Wandel.“

Eine neue Erhebung des Instituts der deutschen Wirtschaft zeige, dass allein im Jahr 2022 über 300 000 Personen mehr in den Ruhestand gingen als in den Arbeitsmarkt eintreten sind. Bis zum Jahr 2030 könnten rund fünf Millionen Arbeitskräfte fehlen: „Das spüren auch wir in den Kommunen.“ Von der Erzieherin über den Schwimmmeister bis zu Architekten und Mitarbeitern des Ausländer-Teams – viele Stellen blieben unbesetzt: „Wir sparen unfreiwillig“, so der Oberbürgermeister. Unterdessen wachsen die Aufgaben weiter.

Die Zukunft der Arbeit

Die Stadt reagiere auf diese Entwicklung mit der Schaffung von Rahmenbedingungen, die eine möglichst gute Vereinbarkeit von Beruf und Familie ermöglichen: flexible Arbeitszeitmodelle und Homeoffice-Offerten sowie eine größere Offenheit für Quereinsteiger und ältere Bewerber.

Auch mehr gesteuerte Arbeitsmigration sei notwendig. „Oder“, so Lutz, „wir finden uns damit ab, dass manche Dienstleistung nicht mehr oder nicht mehr in der bekannten Form erbracht werden kann, etwa die Betreuung in Kitas und Grundschulen, Krankenhäusern und Pflegeheimen.“

Der Abbau der Bürokratie

Und: „Wir müssen endlich beim Thema Bürokratieabbau ernst machen“, forderte der Oberbürgermeister. Drei kurze Stücke eines zweiten Gleises der S-Bahn im Wiesental bräuchten wohl bis Mitte der 30er Jahre. „Auch solche ausufernden Planungsprozesse binden Mitarbeiterkapazitäten, behindern die Mobilitätswende und bremsen unsere Wirtschaft aus“, kritisiert der OB.

Die Segel setzen

Wohlstand und Fortschritt basierten auf Ideenreichtum, Risikobereitschaft und Veränderungswillen. Von den beiden letztgenannten Qualitäten könnten wir mehr gebrauchen, sagte Lutz: Sein Appell: „Wenn wir den Sturm nur beklagen, dann bringt das gar nichts. Wir haben kein Erkenntnisproblem: Wir müssen handeln. Lassen Sie uns die richtigen Segel setzen!“   siehe weiteren Artikel auf der Seite „Regio“

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