Lörrach Lustig, aber mit Längen

Die Oberbadische
Helene Bockhorst         Foto: Adrian Steineck Foto: Die Oberbadische

Wortkunst: Helene Bockhorst eröffnet Festival im Nellie

Von Adrian Steineck

Lörrach. Zum Auftakt des ersten Lörracher Kabarett-Comedy-Wortfestivals „Worthasenohrenart“ trat Helene Bockhorst im ausverkauften Nellie Nashorn auf. Mit dem Kontrast zwischen unscheinbarem Äußeren und messerscharfen Pointen über Themen wie Sexualität und Depressionen legte sie einen Auftritt hin, der stellenweise begeisternd war und die Künstlerin als geistreiche, auch spontane Komödiantin offenbarte – bei dem es aber auch Längen gab.

Helene Bockhorst hatte keine leichte Kindheit. „Mein Vater war niemals da und hatte nie Zeit.“ Kurze Pause. „Mich zu schlagen. Das musste alles meine Mutter übernehmen.“ Deshalb habe es für sie bis heute eine besondere Bedeutung, wenn sie jemanden sagen höre: „Ich möchte meiner Mutter so gerne alles zurückgeben.“ Das möchte sie auch, bekennt die 32-Jährige. Deshalb plädiert sie dafür, dass Frauen kraft ihres Geschlechts einen Mord frei hätten – schließlich ist auch Exhibitionismus rein rechtlich gesehen nur dann ein Verbrechen, wenn es ein Mann ist, der sich da entblößt. Spricht sie und lässt die Zuschauer tief in ihren Ausschnitt blicken, wo sie in der Nähe ihrer Brüste zwei Punkte tätowiert hat, „damit sich jemand, der guckt, ertappt fühlt und das Gefühl hat, meine Brüste gucken zurück“.

Der gezielte Tabubruch, Selbstironie und subversive Pointen, die in vermeintlich zurückhaltendem, monotonem Tonfall vorgetragen werden – diese Zutaten sind Teil des Erfolgsrezepts von Helene Bockhorst. Die Hamburgerin, die aus der Poetry-Slam-Szene kommt, hat sich in kurzer Zeit von ersten Bühnenauftritten über die Auszeichnung mit dem Hamburger Comedy Pokal – den sie als erste Frau erhielt – bis zu ihrem ersten Soloprogramm „Die fabelhafte Welt der Therapie“ hochgearbeitet. Sie arbeitet auch damit, unscheinbar zu wirken: Brille, Pferdeschwanz, Bluse mit Schleife, im Gegensatz dazu steht einzig die blau glänzende Spandex-Hose. Wenn sie dazu noch in ihrem zaghaften Ton sagt „Mein Problem ist nicht das Selbstwertgefühl – ich bin einfach kacke“, dann hat sie das Publikum auf ihrer Seite.

Es ließe sich freilich einwenden, dass abgründige Scherze, vorgetragen im Tonfall vermeintlicher Teilnahmslosigkeit, in Zeiten eines Nico Semsrott nichts Neues mehr sind. Auch dieser trat wie Bockhorst bei Poetry Slams – auch schon in Lörrach – als depressive Kunstfigur auf. Aber mit dem bloßen Vergleich würde man Helene Bockhorst nicht gerecht. Es hat durchaus Charme, wenn sie das Publikum fragt, wer sich gerne selbst befriedige, und dann für Verlegenheit sorgt, wenn sie sich als Einzige meldet. Auch ihre zu schlechten Dates sorgen für Heiterkeit: „Da habe ich hinterher oft das Gefühl, ich sei einfach ein guter Mensch – und manchmal denken das hinterher auch beide.“

Apropos Publikum: Bockhorst gelingt es brillant, einen Teil der gut 100 Besucher im ausverkauften Nellie Nashorn einzubeziehen. Sie ist eine Künstlerin mit viel Sinn für komödiantisches Timing, und es zeugt von ihrer Selbstironie, dass sie auf ihrer Internetseite unter „Referenzen“ auch Hasskommentare zu ihren Auftritten veröffentlicht. Aber: Abendfüllend sind Tabubrüche, und seien sie noch so gekonnt, nur bedingt, und mitunter will Bockhorst zu gewollt provozieren. Wenn sie etwa in aller Ausführlichkeit schildert, wie sie zu ihren Brustwarzenpiercings gekommen ist, dann ist die Grenze zwischen mitfühlender Heiterkeit und gequältem Lachen fließend. Auch ihre Nummern zum Thema Sexualität sind nicht durchweg überzeugend. Am Ende ist der Beifall dann begeistert, aber ein Stückweit auch erleichtert, dass es vorbei ist – wie bei einem nicht durchweg angenehmen Date.  Das Festival „Worthasenohrenart“ wird am Freitag, 14. Februar, 20 Uhr, mit Nellies Poetry Slam fortgesetzt.

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