Lörrach Magische Körperkunst

Die Oberbadische
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Ballett: Ballet de l’Opéra National du Rhin im Burghof: drei berühmte Choreografen

Von Jürgen Scharf

Lörrach. John Cranko war ihr Gott. Die Choreografen Jirí Kylián, William Forsythe und Uwe Scholz zog es zum Stuttgarter Ballett, Cranko war der choreografische Held in jenen Tagen. Am Mittwoch zeigte das in Mulhouse stationierte Ballet de l’Opéra National du Rhin im Burghof Kreationen dieser drei Choreografen, die in Stuttgart ihren Durchbruch erlebten, heute große Namen in der Tanzszene sind und europäische Tanzgeschichte geschrieben haben.

Der Abend „Grands Choréographes Européens“ begann sehr klassisch. Mit Scholz’ Ballettadaption von Mozarts „Jeunehomme“-Klavierkonzert. Als Bühnenbild überdimensional eine Mozart-Partitur. Gleich wird Amadeus selbst auftreten. Riku Ota mit lässigem Mozartzopf und in hautengem, dynamisch liniertem Dress führt federleichte Sprünge vor.

Im zweiten Satz, einem großen Pas de deux mit Hebungen und Pirouetten auf Spitze, tanzt ein Paar, ganz in Schwarz gekleidet, ausdrucksvoll, sinnlich. Dongting Xing setzt in der Kadenz alleine die tänzerischen Akzente, während ihr männlicher Partner (ein Muskelpaket an Oberarm: Alain Trividic) beim Orchestereinsatz wieder zur Stelle ist. In der Kadenz des dritten Satzes sind beide Solisten an Bord, sechs Tänzer stoßen in synchronen Formationen dazu. Schöner kann klassisches Ballett kaum sein!

Voll besetzter Saal

An diesem Tanzabend im voll besetzten Saal gab es zwei große Pausen, bei denen man sich aufs Folgende neu einstimmen konnte. Denn es waren doch sehr unterschiedliche Tanzschöpfungen. Kyliáns 2002 für das Nederlands Dans Theater geschriebene solistische Stück „27’52“, dessen Titel schlicht die Aufführungsdauer benennt, ist ein zeitgenössischer Klassiker, der von Bühnentechnik dominiert wird und mit Texteinblendungen aus dem Off und nervöser, aufreibender Synthesizer-Musik einhergeht.

Es beginnt mit einem Warm-up, einer Art Probentrailer bei offener Bühne. Dass der 70-jährige Kylián, der die aktuelle Choreografengeneration beeinflusst hat, ein „Schrittmacher der Moderne“ ist, zeigt seine Führung der menschlichen Körper. Zwar ist der Stil abstrakt, die Stimmung melancholisch, die Erotik ohne Sexiness, aber man sieht magische Körperkunst, präzise, schnelle Gesten, vibrierende Hände und Füße, ein Beugen und Strecken der Glieder.

Drei Paare: die Tänzerinnen in Gelb, Rot und Violett, die Tänzer mit nacktem Oberkörper. Die Bewegungsmuster, schnellen Rumpf- und Körperneigungen sind faszinierend, so ruckartig, discohaft, mechanisch und eckig sie auch sein mögen. Berühmt geworden ist das Duett mit nackter Haut. Die Frau im roten T-Shirt (Susie Buisson) zieht ihr Trikot aus, schmiegt ihre Brüste an den blanken Oberkörper von Renjie Ma an. Am Ende wickelt der Mann die Frau in eine teppichartige Matte ein.

Die letzte Choreografie gehörte Forsythe, dem Ballett-Revolutionär. „Quintett“ entstand 1993 für Frankfurt, das ist jetzt schon 25 Jahre her, ein „Hybrid aus klassischem und zeitgenössischem Tanz“. Auch diese Solos, Duette und Trios mit raffinierten Schrittfolgen, Bewegungsabläufen, Positionswechseln tanzt die französische Compagnie – wie alles an diesem Abend – famos, sportiv, ausdrucksstark, mit meisterhaft gekonntem Bewegungsvokabular und bewundernswerter Koordinationsfähigkeit.

Aufregend dabei die hypnotische Musik von Gavin Bryars, ein minimalistischer Track als Loop in Endlosschleife wiederholt, auf den Forsythe sein „Quintett“ choreografiert hat: eine leicht schräg gesungene Gesangszeile des Traditionals „Jesus Blood Never Failed Me Yet“ über einem Streicherteppich. Die Hymne summt man noch beim Hinausgehen.

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