Lörrach MASAA im Burghof: Klänge, die Frieden stiften wollen

Tonio Paßlick
MASAA, das sind (von links) Reentko Dirks (Doppelhals-Gitarre), Rabih Laboud (Gesang), Marcus Rust (Trompete) und Demian Kappenstein (Schlagzeug). Das Quartett begeisterte im Burghof. Foto: Tonio Paßlick

Zur zweiten Zugabe setzen sich die vier Musiker von MASAA am Freitagabend auf den Rand der Burghof-Bühne. „Da seid ihr ja“ sagt der aus dem Libanon stammende Sänger Rabih Laboud mit dankbarem Unterton.

Schon zu Beginn des Konzertes zeigt der Sänger seine sensible, gütige, verletzliche Seite. „Ich kenne euch doch gar nicht“ – gleichsam ein Bekenntnis dafür, wie er seine Musik und seine Lieder versteht. Als Überwindung von Grenzen und Distanzen, die in der mystischen Kraft der Musik ohne analytische Kategorien auskommt, die Brücken bauen, Frieden schaffen kann. Die vier Musiker spielen wie in einem Gebet versunken, dann wieder ekstatisch wie tanzende Derwische. Subtil, feinfühlig und offen für jede neue Nuance. Und zugleich empfänglich für Resonanz. Nach langer Fahrt seien sie so müde gewesen, meint Laboud leise lächelnd. Aber dieser herzliche Empfang von diesem tollen Team im Burghof: einmalig.

Die Worte ausloten

In fast allen Liedern wird der emotionale und semantische Gehalt von Wörtern ausgelotet. In „Mantra“ ist der jahreszeitliche Herbst zugleich die Neige des Lebens, wenn Rabih die Aussage „…umarme mich Tod, Freund…“ variiert. Mit „Bait“, Titel der neuen CD, die Ende April erscheinen wird, ist nicht nur die arabische Übersetzung „Haus“ und „Heim“ gemeint, sondern alles, was zwischen der Sehnsucht nach Geborgenheit, Orientierung und der Resonanz in der Beziehung zu anderen Menschen passiert. In „Flowers“ werden nicht nur Blumen am Wegesrand besungen, sondern auch die Freundschaft, die mit ihnen bekräftigt wird. Wörter sind Bedeutung und Klang zugleich, in ihrer beschwörenden Wiederholung wecken sie immer mehr Zusammenhänge und Erinnerungen. Da die arabische Sprache über eine große Vielfalt an Konsonanten verfügt, mit denen Nuancen plastisch herausgeschält werden können, insbesondere bei Hauch- und Reibungsklängen, eignet sie sich vortrefflich als Medium für lyrische Empfindungen.

Vielfältige Einflüsse

Ähnlich der Charakter der Musik: Orient, europäische Klassik und die Unmittelbarkeit der christlich-maronitischen Liturgie verbindet das Quartett mit Einflüssen aus Klassik, den traditionellen arabischen Maqams und Jazz. Weltmusik? Keine Schublade würde passen. Ihre Musik ist eine Synthese in der immerwährenden Kommunikation, bei der innere Resonanz zur spontanen Klangfärbung führt. Nicht nur stimmlich, sondern mit allen Instrumenten. Virtuos zaubern die drei Instrumentalisten aus Dresden und Berlin aus ihren Instrumenten Klangspektren mit völlig unerwarteten Farben hervor. Besonders seit der Gitarrist Reentko Dirks vor drei Jahren hinzugekommen ist.

Freude an Klängen

In Istanbul hat er sich eine Doppelhals-Gitarre bauen lassen – ein Hals mit sechs Saiten, der andere mit neun. Damit öffnen sich ungeahnte technische Möglichkeiten. Passend zu den Mikro-Intervallen der orientalischen Klang-Arabesken kann er Vierteltöne erzeugen oder wie eine Oud, aber auch wie ein Bass klingen.

Dirks spiegele, sagte der Trompeter Marcus Rust, „den Geist der Band wider, Dinge zu verbinden, das arabische Skalensystem des Maqam mit Flamenco-Power und ganz intimen, lyrischen Ideen“.

Welten verschmelzen

MASAA, was auf arabisch „Abend“ bedeutet, verkörpert die lyrische und musikalische Verschmelzung zweier Welten – nach Goethes westöstlichem Diwan die Spannung zwischen Orient und Okzident – und besingt zugleich universelle, persönliche und doch auch politische Botschaften. Ein Klangteppich aus Dialog und Offenheit, aus zärtlicher Verletzlichkeit und intensiver Leidenschaft. Sie als „Crossover“ zu bezeichnen, wäre eine zu oberflächliche Annäherung. Nichts ist plakativ, alles voller subtiler Resonanz und-Tiefe.

Intensive Dialoge

Berührend intensiv der Dialog untereinander. Immer wieder entstehen „Battles“ zwischen Gitarre und dem Schlagzeuger Demian Kappenstein, der mit dem Schneebesen das Becken streichelt und übergangslos in die Moves seines Gegenübers rockt. Verzaubernd die Dialoge zwischen Sänger und Trompeter Marcus Rust. Sein Flügelhorn lässt Feen auftauchen, gehauchte Zwischenklänge und verträumte Klanglandschaften Die Trompete singt, die Stimme flüstert und haucht, verschnörkelt sich magisch in klangliche Kalligrafie. Heterofone arabische Intervalle verschmelzen mit abendländischer Polyfonie und enden häufig mitten im musikalischen Puls. Wie mit einem Fragezeichen.

Ausschnitte aus der neuen CD unterstreichen diese Begegnung eindrucksvoll: Eine Widmung an den Musiker „Zeryab“ aus dem Córdoba des 8. und 9. Jahrhunderts, steht zum Beispiel im Nahawand-Modus, einer Ton-Skala, die mit dem europäischen Moll verwandt ist. Aber es gibt in der arabischen Musik eben viele „Molls“, die sich durch ihre Mikro-Intervalle unterscheiden.

Spontane Improvisation

Der im Libanon als Kind katholischer Maroniten aufgewachsene Sänger Rabih Laboud lebt seit mehr als zehn Jahren in Deutschland. Seine musikalische Laufbahn hatte als Pianist begonnen. Und mit der Beschäftigung mit der europäischen Klassik. Inzwischen gilt er als bedeutender Coach und Dozent für Fragen des „Flows“, längst nicht nur in musikalischer Hinsicht. Mittlerweile werden seine deutschen oder französischen Lieder seltener, die Neugier auf die Kraft der arabischen Wörter wieder intensiver. Häufig betont Laboud in seiner Moderation, wie wichtig ihm die Reaktion des Publikums sei, mit der auch seine Spontan-Vorträge beeinflusst würden. Immer wieder entstehen dabei spontane Text-Variationen, schlank und knapp wie Haikus.

Wiegenlied gegen den Krieg

Und völlig unpathetisch, leise, fast introvertiert singt Laboud das Wiegenlied „Lullaby for Jasu“, eine intime Serenade für ein Kind und gegen den Krieg: „In meiner Stimme ist Frieden, kein Krieg“ sagt Laboud. Wer in einem kosmopolitischen Land voller Konflikte wie dem Libanon aufgewachsen ist, scheut auch die persönliche Konfrontation nicht.

Laboud erzählt im Burghof von dem nachhaltigen Erlebnis, auf der griechischen Insel „Chios“ mit vierzig griechischen Schülern und arabischen Flüchtlingen gemeinsam auf der Bühne gesungen zu haben. „Secret of the wings“ erklingt mit der Kraft und Harmonik von Theodorakis. Und gerät auch im Burghof zu einem bewegenden Fanal.

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