Lörrach Vom Flüchtlingskind zum Preisträger: Was der Breakdance für Mentor Shalijani ist

Gabriele Hauger
Bekommt am Samstag den Bürgerpreis verliehen: Mentor Shalijani Foto: David Golinski

Interview: Mentor Shalijani bekommt am Samstag den Bürgerpreis verliehen. Es ist ihm eine Ehre.

„Wirst du jetzt Bürgermeister?“, fragt Mentor Shalijanis kleiner Sohn, als Papa ihm mitteilt, dass er die ehrenvolle Auszeichnung erhält. Wer weiß... Erstmal sprachen wir mit dem beglückten und immer noch erstaunten Tänzer und Tanzschulleiter über die Auszeichnung der Bürgerstiftung, seine Aktivitäten und Kumpels, seinen Bruder Ersen, das Flüchtlingsthema und die Kraft des Tanzes.

Wann hast du von der Ehrung erfahren?

Isolde Weiß (Rektorin der Pestalozzischule, die mit dem Tanzwerk kooperiert, die Redaktion) hat mir im Dezember geschrieben, ich solle mal am Mittwoch vorbeikommen. Sie sagte: „Komm einfach vorbei und freu dich.“ Ich habe mir keinen Kopf gemacht und bin hingefahren. Dort haben wir erstmal Kaffee getrunken, über Projekte gesprochen – und plötzlich kam Ute Lusche von der Bürgerstiftung herein. Sie sprach ganz wunderbar wertschätzend über mich und meine Arbeit. Das hat mich richtig berührt. Und dann fragte sie, ob ich die Ehrung annehme. Ich dachte, wow, wie cool. So eine Ehrung ist ja kein Preis aus einer Battle, einem Wettbewerb, für den ich gekämpft habe, sondern einfach eine Wahnsinnsanerkennung für mich und meine Arbeit.

Wer dich kennt weiß, dass du sicher kein Typ bist, der auf derlei Ehrungen hofft.

Ich mach’ einfach mein Ding, lasse mich mitziehen oder ziehe andere mit. Aber dass ich mich irgendwo positionieren und in den Vordergrund stellen möchte, das ist mir viel zu verkrampft.

Der Bürgerpreis war dir ein Begriff?

Ja klar, wir sind auch schon bei einer anderen Bürgerpreis-Verleihung aufgetreten. Und ich weiß, dass beispielsweise Karin Maßen von Tempus fugit geehrt wurde. Sie ist ein Vorbild für mich. Um so mehr ehrt es mich, dass ich nun auch diese Auszeichnung erhalte. Und ich bin mit 41 einer der jüngsten Geehrten, das ist doch auch eine Nummer.

Wie waren die Reaktionen? Eine Flut an WhatsApps?

Ich bin in dem Punkt ein echter Muffel. Mein Handy liegt meistens irgendwo an der Seite. Wenn ich zuhause bin, will ich zur Ruhe kommen. Und ich bin viel am Unterrichten. Wenn ich mit den Kids arbeite, will ich nicht dauernd am Smartphone sein. Ich habe ein Problem damit, wenn Leute dauernd unkonzentriert sind, weil sie auf ihr Handy starren. Gepostet habe ich das Ganze natürlich schon. Und es kamen viele sehr schöne Nachrichten. Auch von ehemaligen Schülern, die inzwischen teilweise auf der ganzen Welt verstreut sind.

Mentor in New York Foto: zVg/privat

Und die Familie?

Mich gibt es – auch in Bezug auf den Preis – eigentlich zwei Mal: mich und meinen Bruder Ersen. Ich teile das alles mit ihm und hätte mir gewünscht, dass er mitgeehrt wird. Ich rede mehr als Ersen, er ist zurückhaltender, aber ein Wahnsinnstänzer und -Lehrer. Wir haben uns zusammen gefreut mit meiner Familie, wir sind ja insgesamt fünf Kinder. Dann haben meine zwei Kids erstmal gefragt, was der Preis eigentlich bedeutet – und fanden es extrem cool. Mein kleiner Sohn fragte auch gleich, ob ich jetzt auch noch Bürgermeister werde.

Die Flüchtlingsdiskussion überlagert ja derzeit alles.

Flüchtlingspolitik ist immer ein Thema. Ich werde oftmals angefragt, ob ich bei Veranstaltungen zum Thema Integration mitdiskutieren oder Stellung beziehen möchte. Das ist völlig in Ordnung. Aber: Ich will nicht nur der Junge sein, der geflüchtet ist. Andererseits gehört es natürlich zu meinem Leben und hat mich geprägt: dieses Ungewisse, aber auch das Ziel, Möglichkeiten zu sehen und zu ergreifen, aus nichts etwas zu machen. Ich beziehe schon gerne Stellung, wenn meine Meinung gefragt ist.

Nervt diese Fokussierung auf das Thema?

Jein.

Wie siehst du deine Erfahrungen als Flüchtlingskind?

Ich habe sehr positive Erfahrungen gemacht. Es ging mir als Jugendlicher nicht schlecht. Ich durfte frei leben, bekam Hilfe. Die Sozialarbeiter Birgitt Kiefer und Marc Trautmann vom SAK, die kamen damals mit dem Bus in den Rebmannsweg. Dann ging es in die Alte Feuerwache, und dort war unsere Hausaufgabenbetreuung. Das war für uns ein Highlight. Danach gab es immer Tee und Kekse. Das waren schöne Erfahrungen.

Viele Kinder bewegt die aktuelle Migrationsthematik sehr, viele machen sich Sorgen. Das bekommst du sicher auch beim Tanzunterricht mit. Beschäftigt dich dieser Rechtsruck?

Ich sage den Kids: Komm zum Tanzen, komm runter, vergiss alles Belastende, hier drinnen zählt nur der Tanz. Wir müssen gar nicht viel darüber reden. Das gemeinsame Tanzen verbindet: Musik ist etwas Wunderbares, Tanzen befreit. Natürlich spürt man selbst unter den Kids manchmal so einen gewissen Nationalismus: Hey, ich bin Albaner oder Serbe oder Türke. Wir wollen aber einen Raum bieten, in dem wir frei von allem sind. Hier seid ihr alle einfach Kinder und Jugendliche, und es spielt keine Rolle, wer ihr seid oder woher ihr kommt, welche sozialen Netzwerke ihr habt. Jeder zählt gleich viel. Das versuchen wir zu vermitteln.

Und wie geht es dir mit dem Erstarken de AfD?

Man merkt, dass sich die Gesellschaft spaltet. Politisch war es noch nie so ungewiss, wohin Deutschland driftet. Mir als Erwachsener macht das schon Bauchschmerzen.

Was macht Breakdance so ideal für dich?

Wir sind immer nett zueinander. Natürlich gibt es die Battles, die Zweikämpfe, wo die ganze Energie rauskommt. Aber danach ist alles lässig, Checkhand, wir klopfen uns auf die Schulter. Egal, wer gewinnt, wir sind und bleiben Freunde.

2025 läuft: die Bürgermedaille und gleichzeitig feiert ihr zehn Jahre Tanzwerk.

Ja, das ist Wahnsinn. Eigentlich wollten wir genau an dem Ehrungswochenende im Tanzwerk feiern. Schließlich ist das mein drittes Kind. Jetzt streuen wir das einfach über einen Monat hinweg. Wir wollen unseren Schülern und ehemaligen Schülern und Lehrern gerecht werden. Es wird auch Ehrungen geben. Und eine Schüleraufführung.

Was für Pläne hast du noch?

Zunächst mal sind wir super zufrieden mit unserer Location. Es läuft. Mein Ziel wäre es, Tanzen öffentlich zugänglich zu machen. Wir haben draußen ein Areal beim Tanzwerk. Das wäre ideal für Jugendliche: Dass die einfach kommen können, chillen, aber auch trainieren können. Es wäre toll, wenn wir dafür Unterstützer finden würden. Das bräuchte ein wenig logistischen Support, und wir vom Tanzwerk können das nicht alles stemmen.

Wie lange kann man eigentlich breakdancen?

Gute Frage! Ersen wird 39. Ich bin 41. Wir beide tanzen seit 30 Jahren zusammen. Da können wir viel zurückgeben. Mein Bruder ist ein Extrem-Breakdancer, aber das geht auch auf die Knochen, besonders die Leisten. Breakdance kann man aber eigentlich immer tanzen – ähnlich wie Yoga. Und ich kenne Leute, die machen mit über 60 noch ihren Rückwärtssalto – und zwar nicht auf der weichen Matte. Ich schaue, wie lange es geht. Aber natürlich merke ich einen Unterschied zu früher: Du drehst nicht mehr zehn, sondern vielleicht noch fünf oder sechs Runden – bist damit aber auch glücklich. Wenn man gut zu seinem Körper ist, hat man auch länger was davon. Aber mal eben die Wand hoch und Rückwärtssalto – da brauche ich schon Vorbereitung. Wenn ich die Beats bei einer Battle höre, gehe ich aber mit rein. Ich habe dann einfach Spaß, muss aber nicht gewinnen. Ich tanze übrigens auch Salsa. Das geht in jedem Fall noch länger.

Was bedeutet Breakdance für dich?

Er macht mich frei.

Verleihung des Bürgerpreises im Rahmen der Benefiz-Gala der Bürgerstiftung Lörrach, Samstag, 1. Februar, 19.30 Uhr, im Burghof

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