Lörrach Mit Distanz und Pathos

Die Oberbadische
Pianist Alexander Gavrylyuk war der Solist beim zweiten Rachmaninow-Konzert mit dem Basler Sinfonieorchester. Foto: Benno Hunziker Foto: Die Oberbadische

Basler Sinfonieorchester und Alexander Gavrylyuk brillierten mit Rachmaninow und Schostakowitsch

Von Jürgen Scharf

Basel. Bevor man das Basler Stadtcasino betritt, fällt der Blick unwillkürlich auf die Fassade des gegenüber liegenden „Spielzeug Welten Museums“, wo in jedem Fenster ein Marilyn- Monroe-Porträt hängt. Spätestens seit die Leinwandgöttin in den Fünfzigerjahren in dem Film „Das verflixte 7. Jahr“ zu den Klängen des lyrischen Mittelsatzes des zweiten Rachmaninow-Klavierkonzerts im Kino zu sehen war, denkt man bei dieser Musik an Hollywood – obwohl Rachmaninow nie ein Filmkomponist war!

So geht man mit einer gewissen Erwartungshaltung in dieses Konzert. „Rach 2“, wie es gern abgekürzt wird, ist ja das Lieblingskonzert vieler Klavierfans und eines der bekanntesten Klavierkonzerte überhaupt. Bei dem brillanten ukrainischen Pianisten Alexander Gavrylyuk (nicht zu verwechseln mit seinem russischen Kollegen Gawrilow) und dem Basler Sinfonieorchester unter Leitung des kasachischen Gastdirigenten Alan Buribayev durfte man sicher sein, dass sie mit diesem oft misshandelten Virtuosen-Schlachtross sehr seriös umgehen; und das war auch der Fall. Kein Parfüm, kein Edelkitsch, keine Showeffekte.

Nach den ersten solistischen acht Akkorden ist der Solist ganz im Einklang mit dem ausgezeichnet begleitenden Orchester und kann sich mit differenzierten Klangfarben behaupten. Gavrylyuks Lesart der Ecksätze ist vorwärtsdrängend und energisch. Den aus dem Billy Wilder-Film bekannten gefühlvollen zweiten Satz, in dem die Querflöte mit dem Klavier dialogisiert, legt der Pianist unsentimental an, dafür mit brillanter Klavierkadenz. Da er der lyrischen Komplexität nicht gerade versonnen nachlauscht, wirkt die Musik weniger atmosphärisch. Und, obwohl gut gespielt, berührt sie ohne die erhabene Melancholie nicht wirklich innerlich – aber diese kühle Distanz hätte Rachmaninow gefallen.

Ein großer sinfonischer Brocken ist Schostakowitschs fünfte Sinfonie, über deren politisches Programm schon viel geschrieben wurde. Der erste Satz überrumpelt auch in Basel die Zuhörer, denn Buribayev sorgt für dramatische Energie. Er dirigiert stringent, und das Orchester folgt ihm unter Hochspannung. Anklänge an Mahler hört man sehr deutlich im Scherzo, wo die Solovioline ein ländlerartiges Thema intoniert und der Dirigent recht groteske Akzente setzt, die diesen Satz in die Nähe einer Burleske oder einer bissigen Karikatur bringen. Aber dieses Parodistische ist ja ganz im Sinne Schostakowitschs.

Nach dem lauten Scherzo haben Schlagzeug und Blech im Largo Pause und dürfen sich für das martialisch lärmende Finale rüsten, das mit seinem programmatischen „Jubeln sollt ihr!“ oft missverstanden worden ist. Im vollbesetzten Großen Musiksaal erklang die doppelbödige Sinfonie detail- und kontrastreich, aber nie brutal in den dynamischen Spitzen: ein Schostakowitsch zwischen Trauer, Ironie, Bitterkeit und aufgesetztem Pathos.

Zu Beginn des Konzerts gab es auch schon Filmanklänge: das Adagietto aus Mahlers fünfter Sinfonie, das Visconti für seine Thomas-Mann-Verfilmung „Tod in Venedig“ benutzte und das durch den Film weltbekannt wurde. Am Mittwochabend widmeten der Dirigent und das Basler Sinfonieorchester dieses wehmütige Adagietto dem vor wenigen Tagen verstorbenen großen Maestro Claudio Abbado in memoriam – eine berührende Geste.

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