Lörrach Mit Handicap zu Gold

Wolfgang Göckel

Porträt: Ganna Jelisavetska ist eine herausragende Paralympikerin und wohnt auf dem Salzert.

Lörrach - Wir haben uns bei Ganna Jelisavetska zu Hause auf dem Salzert verabredet. Aber vor unserem Besuch suchten wir sie im Internet und fanden Fernsehaufnahmen aus den Olympischen Schwimmhallen in Bejing (Peking) und London.

Gold in Beijing, Silber in London

Dort kämpft sie über 50 Meter Rücken um den Sieg, mit Doppelarmschlag treibt sie ihren Körper voran. Und man sieht sie bei Siegerehrungen, mit Gold 2008 bei den Paralympischen Spielen in Bejing und mit Silber 2012 in London – still lächelnd sitzt sie im Rollstuhl vor jubelnden Zuschauern, hinter ihr wird die blau-gelbe Flagge der Ukraine hochgezogen.

Vor drei Jahren ist Ganna Jelisavetska aus der Ukraine nach Deutschland gezogen. Seither ist sie Mieterin der Wohnbau Lörrach auf dem Salzert. Ihre Eltern leben schon vier Jahre hier, im selben Haus. Vor allem die Mutter ist eine unverzichtbare Hilfe für sie und ihre drei Jahre alte Tochter Sofia.

Ganna Jelisavetska freut sich über unseren Besuch, sie hat bereits beide olympischen Medaillen hervorgeholt. In einem noch holperigen Deutsch („Mir fehlt die Praxis!“) erzählt sie aus ihrem Leben. Sie ist 38 Jahre alt und lebt seit 2000 mit dem Rollstuhl: Sie leidet an Muskelatrophie, von Geburt an.

Ihre Krankheit ist nicht zu heilen, die wichtigste Therapie ist Bewegung. Deshalb schwimmt sie mindestens drei Mal in der Woche, am besten wäre sogar Tag für Tag: Denn sie muss mit dem Training die Muskelschwäche so gut es geht aufhalten. Nur eine Minute braucht sie auf dem Salzert von der Haustüre zur Bushaltestelle; drei Mal muss sie umsteigen nach Weil am Rhein, dann ist es für sie im Rollstuhl nicht mehr weit zur Schwimmhallte im Laguna.

Talent fürs Schwimmen und ihr Ehrgeiz wurden früh entdeckt

Ihr Talent fürs Schwimmen und ihren Ehrgeiz hatten die Trainer im Behinderten-Sportclub der alten Heimatstadt Dnepropetrovsk früh entdeckt. Ihre Bilanz heute: zehn Goldmedaillen bei Paralympischen Spielen, Welt- und Europameisterschaften; 13 Mal verbesserte sie Weltrekorde. Ihren letzten großen Wettkampf schwamm Ganna Jelisavetska 2014 in Eindhoven.

Die Wettkämpfe, die weiten Reisen, ihre großen Erfolge: Der jungen Frau ist viel mehr gelungen als anderen Menschen mit körperlichen Behinderungen. Aber eine neue Zeit begann, als sie heiratete, schwanger wurde und ihre Zukunft überdenken musste – letztlich entschied sie sich für Deutschland und die Nähe zu den Eltern.

Dieses Frühjahr ist sie nach drei Jahren erstmals wieder in die Ukraine gefahren, sah all die Stufen, die Treppen, und es war ihr klar: In Deutschland kommen Menschen mit Behinderung weit besser zurecht. Und in Deutschland soll ihre Sofia groß werden.

Ihr Ehemann hat bis heute keine Aufenthaltserlaubnis

Auf dem Salzert sieht man sie mit Sofia und ihrer Mutter auch im Gemeinschaftszentrum der Wohnbau Lörrach. Jeden Dienstag trifft sich nachmittags eine russische Spiel- und Entwicklungsgruppe, eine Initiative des Vereins „Chance“.

Hier auf dem Salzert fühlt sich Ganna Jelisavetska wohl. Allerdings vermisst sie in der Stadt und der Region einen Sportverein für behinderte Menschen. Und sie vermisst ihren Ehemann: Der hat bis heute keine Aufenthaltserlaubnis erhalten und lebt großteils weiterhin in der Ukraine.

Aber sie hat ihre Mutter, der sie für ihre Hilfe unendlich dankbar ist. Und sie hat Sofia, ihr gesundes Mädchen: Sie sei das wichtigste Gold, das sie in ihrem Leben gewonnen habe.

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