Lörrach Mit Mut zum Wandel

Bernhard Konrad

Neujahrsempfang: Jörg Lutz stellt das Thema „Veränderung“ ins Zentrum seiner Ansprache.

Lörrach - Stadt und Landkreis haben am Montagabend zum gemeinsamen Neujahrsempfang in den Burghof eingeladen: eine verlässliche Konstante in einer sich wandelnden Gesellschaft. Diesen facettenreichen Wandel stellte Oberbürgermeister Jörg Lutz ins Zentrum seiner Rede. Denn: Veränderungen lassen sich nun mal nicht aufhalten – wie aber der Einzelne und die Bürgergesellschaft damit umgehen, hat Einfluss auf die Bewältigung künftiger Herausforderungen. Warum wir Veränderungen trotz aller Unwägbarkeiten und Risiken mit Mut und Zuversicht angehen sollten, das entwickelte der Oberbürgermeister in seiner Ansprache im sehr gut besuchten Haus.

Gefühle und Fakten

Wandel mit ungewissem Ausgang wohin man schaut: Künstliche Intelligenz, Industrie 4.0, autonomes Fahren, digitale Kommunikation. Verständlich, dass Bürger von der Fulminanz dieser Prozesse verunsichert werden. Jedoch, so Lutz: „Die gute Nachricht ist: Ihr Leben hat sich bereits verändert, ohne dass Sie es wirklich bemerkt hätten“, sagte er etwa mit Blick auf digitale Kommunikationsgewohnheiten, insbesondere die Nutzung von WhatsApp. Aber auch Online-Banking und Internet-Einkäufe gehörten für viele Bürger längst zum Alltag.

Ja: Etliche Jobs werden nicht mehr benötigt. „Aber ist deshalb die Beschäftigung gesunken? Nein. Die Arbeitslosenquote in Deutschland hat sich von 11,7 Prozent im Jahr 2005 auf 5,2 Prozent in 2018 mehr als halbiert.“ Und: „Würden Sie die Uhr gerne wieder zurückdrehen?“, fragte Lutz – um selbst zu antworten: „Wohl kaum.“

Abschied und Aufbruch

Am Beispiel der KBC – große Teile werden von Lörrach nach Como verlagert – werde in diesen Wochen und Monaten eine schmerzhafte Seite des Wandels, das Ende einer langen Tradition, deutlich. Ein Prozess, der die Textilindustrie schon vor vielen Jahrzehnten erfasst hat. Auch könne niemand mit Sicherheit vorhersagen, wie sich die Digitalisierung auf einzelne Branchen letztlich auswirken wird. Gleichwohl sei er zuversichtlich, dass zahlreiche Unternehmen in der Raumschaft diesen Wandel meistern werden: „Stadt und Landkreis fördern gemeinsam mit dem Land und anderen den ’digihub Südbaden’: eine Stelle, die Handwerk, Handel und Tourismus beim digitalen Wandel unterstützt“, betonte er.

Risiken und Chancen

Die Gleichzeitigkeit von Zukunftssorgen und einer rückwirkend positiven Bewertung abgeschlossener Veränderungsprozesse sei aus der Entwicklungsgeschichte des Menschen heraus zu erklären: „Die Vorsichtigen hatten bessere Überlebenschancen.“ Nur: Die Übervorsichtigen waren auch nicht erfolgreich. Lutz: „Wenn neue Entwicklungen auf uns zukommen, dann sollten wir die Risiken sehen, aber darüber die Chancen nicht vergessen. Und wir sollten die Entwicklungen aktiv mit gestalten. Die Frage heißt nicht: ’Wie werden wir in der Zukunft leben?’ sondern ’Wie wollen wir in der Zukunft leben?’“

Handel und Wandel

Diese Fragestellung betreffe auch Lörrach und seine Bürger ganz konkret. Etwa den Einzelhandel, der sich der Konkurrenz durch zunehmende Online-Käufe stellen müsse. Damit die Innenstadt lebendig bleibe, müsse sich der Handel weiterentwickeln – „digitalen Komfort und stationäres Einkaufserlebnis miteinander kombinieren.“

Bildung und Wohlstand

Damit der Wandel gut gelingt, müsse in Deutschland noch mehr in die Bildung von Kindern und Jugendlichen investiert werden, forderte der Oberbürgermeister. Er skizzierte die massiven Anstrengungen und Investitionen der Stadt für die Weiterentwicklung der kommunalen Schullandschaft, würdigte das „Phaenovum“ – sagte aber auch: „Deutschland investiert im Schnitt zu wenig in die Bildung seiner Jugend. Rund 30 Milliarden Euro pro Jahr mehr müssten wir in die Bildung stecken, um auch nur das Durchschnittsniveau der anderen Industrieländer zu erreichen.“ Ohne herausragende Bildung gebe es zukünftig keinen Wohlstand mehr: „Ich bin mir nicht sicher, ob das schon alle verstanden haben.“

Autos und Alternativen

Mit Perspektive auf den Wandel der Mobilität sei klar, dass die Innenstädte von heute „nicht mehr nach den Bedürfnissen des Autoverkehrs gestaltet werden könnten“. Das bedeute: „Alternativen zum Auto stärken, ohne das Auto zu verdammen. Und die Alternativen heißen heute: Öffentlicher Nahverkehr mit Bus und Bahn, Fahrradfahren und zu Fuß gehen.“ Mit dem City-Tarif – für einen Euro einmal mit Bus und S-Bahn quer durch die Stadt – habe die Kommune hier einen wichtigen Impuls für den ÖPNV gesetzt.

Von zentraler Bedeutung für die Region bleibe der Ausbau der S-Bahn auf der Wiesentalstrecke: „Der 15-Minuten Takt von Basel bis Schopfheim ist mittelfristig unerlässlich, wenn wir die B 317 wirksam entlasten wollen.“

Bürger und Quartiersarbeit

Bei all diesen Veränderungen sei nicht zu vergessen: „Die Digitalisierung schreitet voran. Wir Menschen aber bleiben analog.“ Es sei grundlegend, „dass wir uns selbst und unsere eigene Identität nicht verlieren.“ Die Familie spiele dabei eine zentrale Rolle. Wo aber die Familie dies nicht leisten könne, komme der Stadt eine wichtige Bedeutung zu: „Das Zusammenleben in der Nachbarschaft, im Quartier wird wieder wichtiger. Deswegen investiert unsere Wohnbau Lörrach erfolgreich in Gemeinschaftsräume und Begegnungszentren, zuletzt im Neumatt-Quartier.“ Auch Senioren- und Behindertenbeirat sowie die Internationale Kommission und nicht zuletzt die Vereine trügen zu einem guten Miteinander in Lörrach bei.

Zukunft und Herkunft

„Zukunft braucht Herkunft“, zitierte Lutz den Philosophen Odo Marquardt: „Diese Gewissheit bildet den Rahmen und gibt die erforderliche Sicherheit, sich den Herausforderungen der Zukunft zu stellen.“

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