Lörrach „Moralisch schwer besetzt“

Die Oberbadische
Sozialpädagogin Simone Heneka. Foto: Veronika Zettler Foto: Die Oberbadische

„Hinsehen“: Simone Heneka berichtete über Prostitution und Prostituiertenschutzgesetz

„Auf dem Weg zur inklusiven Gesellschaft!?“ Dieser Frage widmet sich die Veranstaltungsreihe „Hinsehen“ im Alten Wasserwerk. Nachdem es zuletzt um Berufsmöglichkeiten für behinderte Menschen ging, rückte am Dienstag eine Gruppe in den Fokus, an die man nicht als Erstes denkt, wenn von Inklusion die Rede ist: Die Prostituierten.

Von Veronika Zettler

Lörrach. Simone Heneka kennt nicht nur die Sorgen und Nöte ihrer Klientel, sondern auch die Rechtslage. Seit zehn Jahren berät und unterstützt die Sozialpädagogin in der Freiburger Fachberatungsstelle „Pink“ Sexarbeiterinnen. Die vom Diakonischen Werk getragene Einrichtung betreibt eine zweite Beratungsstelle in Kehl, wo die Grenzlage und die Nähe zu Straßburg eine besondere Situation geschaffen habe. Auch Freiburg zeige in Sachen Prostitution „so ein bisschen seine eigene Struktur“, meint Heneka. Es gibt keinen klassischen Straßenstrich, das Geschäft werde überwiegend „klein in klein“ in einer überschaubaren Zahl von Etablissements sowie vielen Wohnungen abgewickelt.

Indes erstreckt sich das Beratungsgebiet von Pink bis an der Schweizer Grenze und somit nach Lörrach. Ob es in der Lerchenstadt mehr Prostitution geben wird, wenn sie die 50 000-Einwohner-Marke knackt? Heneka zumindest weist darauf hin, dass ab dieser Größe andere Sperrbezirksregelungen gelten.

Die Probleme, mit denen Prostituierte zu Pink kommen, reichen laut Heneka „in alle Lebensbereiche hinein“. Vielmals gehe es um eine berufliche Neuorientierung, sprich; den Ausstieg aus der Prostitution. Aber auch Schulden, Süchte, Migration/Sprache, Wohnungsproblematik, Steuerrecht und Sozialversicherungspflicht seien Themen der Gespräche, bei denen häufig intensive Vertrauensverhältnisse entstünden.

Nicht zuletzt das seit Juli 2017 geltende Prostituiertenschutzgesetz treibt die Beratungssuchenden um. Das „ProstSchG“ ergänzt das 2002 in Kraft getretene Prostitutionsgesetz, mit dem das „Anschaffen“ als berufliche Tätigkeit anerkannt wurde und „in den legalen Bereich rutschte“, so Heneka. Bis 2002 galt Prostitution als sittenwidrig, was zur Folge hatte, dass Prostituierte weder Lohn einklagen konnten noch Zugang zur Sozialversicherung hatten. Derweil gibt es auch am neuen Prostituiertenschutzgesetz viel Kritik: „Vom Schutzcharakter ist wenig spürbar“, sagt Heneka.

Neben einer regelmäßig zu wiederholenden Gesundheitsberatung verlangt die im Gesetz verankerte Anmeldepflicht von den Prostituierten, eine behördliches Dokument mit Foto, Namen und Meldeadresse bei sich zu führen. Diesen „Hurenpass“, wie die Bescheinigung auch genannt wird, empfinden viele als Bedrohung, sähen sie darin doch die Gefahr eines unfreiwilligen Outings und könnten mitunter nicht abschätzen, was mit ihren Daten geschieht. Heneka geht davon aus, dass die Umgehung der Anmeldepflicht rund zwei Drittel der Frauen in die Illegalität geschoben habe.

„Sind wir auf dem Weg zur inklusiven Gesellschaft, was Sexarbeit anbelangt?“, wollte Tim Krause (Altes Wasserwerk) wissen. „Zumindest wird das Thema mal wieder diskutiert“, meinte die Fachfrau. Doch stünden sich bei dieser Diskussion zwei unversöhnliche Lager gegenüber. Es sei schier unmöglich, „wertfrei über ein Thema zu diskutieren, das moralisch so schwer besetzt ist“.   „Hinsehen“ heißt es beim SAK-eigenen Institut Zeit & Wissen wieder am 9. April um 19 Uhr, dann zum Thema „Einwanderungsstadt Lörrach“ mit der Integrationsbeauftragten Inga Schwarz.

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