Lörrach Punkrock-Ikone versetzt Lörrach in Begeisterung

Beatrice Ehrlich

Iggy Pop ließ sich bei seinem Stimmen-Auftritt auf dem Marktplatz vom Regen nicht stören.

Lörrach - Mit einem der absoluten Festival-Höhepunkte endete am Sonntag die Reihe der Marktplatzkonzerte: Wie zu erwarten war, stelle Iggy Pop bei seinem Konzert einmal mehr unter Beweis, dass wahre Coolness kein Alter kennt. Wie ein Derwisch wirbelte der Altmeister des Punkrock einen ganzen Abend über die Bühne, suchte immer wieder die Nähe des Publikums, interpretierte 21 Titel ohne Pause und Aussetzer, angefangen mit dem Stooges-Titel „I wanna be your dog“.

Auch wenn jeder Schritt ihn sichtlich schmerzte: hier stand einer, der schon immer herzlich wenig darauf gegeben hat, was die Gesellschaft von einem wie ihm erwartet. Mit ekstatischen Bewegungen, Posen und Gesten wurde der 72-Jährige auch seinem Ruf als charismatischer Frontman voll und ganz gerecht.

Hier geht's zur Fotogalerie.

Rockstars kennen keinen Ruhestand: Auf überraschende Weise scheint „The Ig“ sogar erst im Alter zur Form seines Lebens gefunden zu haben. Und wieso nicht? Frei von den Drogenexzessen jüngerer Jahre, scheint er heute gewissermaßen gebändigt und ganz bei sich. Anhand einer wohl durchdachten Abfolge überwiegend älterer Songs aus den ersten Alben mit seiner Band The Stooges sowie aus der gemeinsamen Produktion mit David Bowie entfesselt er ein über zwei Stunden anhaltendes Flow-Gefühl, das die Zuhörer Regen und Kälte komplett vergessen ließ. Seine Musik, zum Teil noch im ehrlichen, rauhen Garage-Rock verwurzelt, in den späteren Stücken deutlich vielschichtiger arrangiert und für die große Bühne aufwendig in Szene gesetzt mit einer fabelhaften Begleitband, entfaltet vom ersten Gitarrenriff an ihre Wirkung.

Früher heißer Stoff, heute fast schon Mainstream

Der gold- und silberglitzernde Vorhang umgibt den Altmeister mit einem Hauch von Glamour. Die Zeiten haben sich geändert seit der Entstehung der meisten Stücke, allen voran alte Stooges-Titel wie „1969“ oder „No fun“ vom Debütalbum aus dem gleichen Jahr oder „Gimme Danger“ vom legendären dritten aus dem Jahr 1973. Früher heißer Stoff für Eingeweihte, ist Iggy Pops Sound heute fast schon im Mainstream angekommen und wird von alten wie jungen Konzertgängern begeistert gefeiert.

Der Rebell Iggy Pop macht sich zwar immer noch, aber anders, bemerkbar: in der Weigerung, sich aufs Altenteil zurückzuziehen, im selbstbewussten Auftreten allen Widrigkeiten des Alters zum Trotz – ein Vorbild für viele. Fast möchte man ihn höflich nennen: Mit voller Aufmerksamkeit, ja Respekt, richtet er sich an sein Publikum, ob auf großen Bühnen in New York oder beim Jazz-Festival in Montreux aber auch hier, beim Stimmen-Festival auf dem Marktplatz.

Es ist eine Sensation, diesen Ausnahmemusiker und Vorbild einer ganzen Musikergeneration in Lörrach erleben zu können. Manche haben eine weite Anfahrt auf sich genommen, um Iggy Pop bei seinem einzigen Auftritt in Deutschland in diesem Jahr erleben zu können. Bei „Passenger“, heute ein Superhit, gehen die Smartphones in die Höhe, um den unvergesslichen Augenblick festzuhalten, bei diesem und weiteren bekannten Titeln wie „Lust for Live“ – bekannt durch den Film Trainspotting von 1996 – singen viele mit.

Iggy Pop ist eine Kultfigur, eine Ikone, nicht nur seine Stimme ruft bei vielen intensive Erinnerungen wach, sondern auch sein Aussehen. Vom exzessiven Leben gezeichnet und mit blonder Mähne ist sein Gesicht zum Markenzeichen geworden: Unvergessliche Szenen tauchen vor dem inneren Auge auf, etwa die an seinen Gastauftritt in Jim Jarmuschs Meisterwerk „Death Man“. Ein Mann, dem seine Fans nicht nur wegen seiner Musik, sondern auch wegen seines Styles, seiner Haltung anhängen.

Erstaunlich groß war die Bandbreite der Zuhörer. Jung bis Alt, punkig oder konventionell gekleidet, DocMartens oder hippe Sneakers an den Füßen. Die vergleichsweise einfache und direkte Struktur der Songs, unterlegt von prägnantem Schlagwerk und wummernden Gitarren und den hier eher ungewohnten Klangfarben von Trompete und Posaune, versetzte sie alle gleichermaßen in Begeisterung, die trotz des hohen Preises, Kälte und Regen auf den Marktplatz gekommen waren.

Als Support brachten zu Beginn des Konzerts Fémina aus Argentinien frischen Wind auf die Bühne. Mit ihrem energiegeladenen, mehrstimmigen Sound auf Spanisch sorgte die von Iggy Pop eigens ausgewählte Vorband für die richtige Einstimmung und ließ die ersten Zuhörer den strömenden Regen vergessen, der zu diesem Zeitpunkt noch über dem Marktplatz niederging, sich aber später dann zum Glück legte.

Umfrage

Bargeld

Die FDP fordert Änderungen beim Bürgergeld. Unter anderem verlangt sie schärfere Sanktionen. Was halten Sie davon?

Ergebnis anzeigen
loading