Lörrach Rathaus-Sanierung soll 73 Millionen Euro kosten

Marco Fraune , aktualisiert am 16.11.2022 - 18:06 Uhr
 Foto: Marco Fraune

Vorstellung: Planungen für Zukunft des Rathauses / Hoher Handlungsdruck wegen Fassade / Neubau bleibt eine Option / Projekt in Vorbereitung

Das Rathaus hat in der bisherigen Form sein Lebensende fast erreicht. Ob dem 50 Jahre alten Gebäude mit einer Sanierung neues Leben eingehaucht wird oder die Verwaltung womöglich sogar ins aktuelle Lörracher Kreiskrankenhaus zieht, wird aufgrund von sicherheitstechnischen, bautechnischen sowie energetischen Problemlagen mit Hochdruck geprüft. Ende offen, doch es gibt Tendenzen.

Von Marco Fraune

Lörrach. Eine erste grobe Kostenschätzung für die Sanierung des Bestandsgebäudes (Szenario 1) liegt inklusive Baupreissteigerungen bei nun 73 Millionen Euro. 2019 war man noch von 45 Millionen ausgegangen, erinnerte „Zukunft Rathaus“-Arbeitsgruppenleiterin Annette Buchauer. Eine Analyse habe seinerzeit schon gezeigt, dass das Tragwerk noch tauglich ist, in diesem Jahr wurde noch die CO-Bilanz erstellt. Der Vergleich zwischen Abriss und Neubau versus Sanierung: „Im Sinne der Nachhaltigkeit spricht vieles dafür zu sanieren.“ Auch die Kosten in Euro beziffert dürften niedriger ausfallen, wurde am Mittwoch bei einem Pressegespräch erläutert, an dem nicht nur die Verwaltungsspitze teilnahm. Auch die Rats-Fraktionsvorsitzenden bezogen Stellung (siehe unten stehenden Bericht).

Oberbürgermeister Jörg Lutz will und kann das Projekt nicht auf die lange Bank schieben: „Wir spüren die Sanierungsbedürftigkeit schon lange, mittlerweile hat die Dramatik zugenommen.“

Verschiedene Szenarien

Daher wurde eine Rathaus-Arbeitsgruppe gegründet. Ziel ist, bis Oktober nächsten Jahres eine Entscheidungsgrundlage für die Weiterentwicklung eines Szenarios zur Beschlussfassung dem Gemeinderat vorzulegen. Die Szenarien reichen vom Neubau über die Komplettsanierung bis zu einem langfristigen Bezug der Lörracher Kreisklinik, die nach dem Umzug der Stationen ins Zentralklinikum ab dem Jahr 2026 leer steht.

Dort könnten die etwa 300 Rathaus-Kräfte gegebenenfalls während einer etwa dreijährigen Sanierungs-Bauzeit auch temporär unterkommen, nachdem das Krankenhaus als Not-Rathaus hergerichtet wurde. Vor der Entscheidungsfindung soll auch der Bürgerwille Gehör finden, macht Lutz klar.

Berücksichtigung bei den Planungen finden soll auch das Thema neue Arbeitswelten, also wie viel Platz in welcher Form benötigt wird.

Notsicherung läuft ab

Das höchste Rathaus in Baden-Württemberg und zugleich höchste Gebäude der Stadt verschlingt laut Bürgermeisterin Monika Neuhöfer-Avdic eine halbe Million Euro jährlich an Ausbesserungsbedarf und Energie. Es ist aber auch nicht mehr sicher. „Die Reststandzeit für die Notsicherung läuft ab“, führte Fachingenieur Daniel Kleineher vom Saarbrücker Büro kleineher+partner exemplarisch an.

Der Zahn der Zeit, das Regenwasser in den Paneelen und auch die hohen Sommertemperaturen machen dem Gebäude zu schaffen. Hinzu kommen strukturelle Mängel, auch Mängel während der Bauausführung hinzu. Drei Quadratmeter große Fassadenteile drohen so 500 Meter weit entfernt in der Gegend herumzufliegen. Die jährliche Befahrung zeigt: Der bauliche und sicherheitstechnische Zustand der Fassade hat sich deutlich verschlechtert. Ebenso könne der geltende Brandschutz nicht mehr erfüllt werden.

Bautechnik und Energie

Hinzu kommt der bautechnische Sanierungsbedarf: Wasser tritt in undichte Dachflächen und marode Bauwerksanschlüsse, die Sanitäranlagen sind teils undicht, Heizungen und Lüftungen störanfällig. Gleiches gilt angesichts der veralteten Steuerung für die Aufzugsanlage.

Drittens kommt die energietechnische Sicht hinzu. Im Sommer ist es zu heiß im Gebäude, im Winter viel zu kalt. Nach dem Krematorium ist das Rathaus Energiefresser Nummer 2 unter den städtischen Gebäuden. Bauunterhalt, Wartung und Energie verschlingen hohe Summen.

„Der Lange Egon ist sehr krank, auch wenn man es ihm nicht unbedingt ansieht“, unterstrich der OB den Handlungsbedarf. „Wir hatten gehofft, dass wir mehr Zeit haben, die haben wir aber nicht.“

Kosten und Zuschüsse für Rathaus-Projekt

Lörrach (mcf). Die Sanierung des Rathaus-Gebäudes wird nun mit 73 statt vor drei Jahren noch mit 45 Millionen Euro kalkuliert. Bürgermeisterin Monika Neuhöfer-Avdic erklärte auf Nachfrage unserer Zeitung, einer möglichen Kostenunsicherheit mit einer ganz genauen Analyse der Gebäudesubstanz vorzubeugen. Es werde alles genau betrachtet und nichts übers Knie gebrochen.
Klar sei, dass aus ökologischer Sicht eine Sanierung zu bevorzugen sei, da die „graue Energie“ genutzt werde. Und es handele sich dann auch um eine Komplettsanierung. „Flickwerk hilft nicht.“ Runter bis auf die Knochen, laute die Maxime. Eine solche Sanierung komme unterm Strich laut den Experten auch günstiger als ein Neubau, was aber noch genau erarbeitet werde.
Ein weiterer positiver Punkt: Bei einer Sanierung des unter Denkmalschutz stehenden Rathauses, das im Jahr 1975 für 23,73 Millionen Mark gebaut wurde, seien voraussichtlich mehr Fördermittel zu erwarten. Ein Neubau werde laut Neuhöfer-Avdic wohl viel geringer bezuschusst. Daher sei auch der Erhalt des Denkmalschutzes für das Rathaus das Ziel.

Fraktionen sichern Stadt ihre Kooperation zu

Von Bernhard Konrad
Lörrach. Die Dringlichkeit des Handlungsbedarfs wird von allen Fraktionen gleichermaßen gesehen: Ob indes eine Sanierung des Lörracher Rathauses am aktuellen Standort, ein Neubau, oder gar eine Umwandlung des alten Kreiskrankenhaus-Komplexes in einen neuen Verwaltungssitz die richtige Lösung ist, darüber gehen die Meinungen noch auseinander.
Bis die Kommune belastbare Aussagen zu diesen Zukunftsszenarien entwickelt hat – insbesondere zu den Kosten und Zuschussmöglichkeiten – wird noch einige Zeit vergehen. Doch sicherten die Fraktionsvorsitzenden am Mittwoch im großen Sitzungssaal des Rathauses bereits ihre Kooperationsbereitschaft zu.

Margarete Kurfeß
(Grüne) betonte die Größe der Herausforderung, vor allem mit Blick auf das Finanzvolumen. Gleichwohl sei klar, dass sie angepackt werden müsse – auch das neue Kreiskrankenhaus sei eine „riesige Aufgabe“, der sich der Landkreis Lörrach stelle. Ihre Fraktion favorisiere die Sanierung an Ort und Stelle – und damit die Chance, das alte Kreiskrankenhaus-Areal komplett neu zu entwickeln. Der jetzige Standort sei gut und etabliert. Ein Neubau schneide in der CO2-Bilanz schlechter ab als die Sanierung, zudem seien noch höhere Baukosten zu erwarten.

Hubert Bernnat
(SPD) sagte, der Zeitpunkt für solch ein Projekt sei nie günstig, doch dulde die Aufgabe keinen Aufschub: „Wir müssen Entscheidungen treffen.“ Die zu erwartenden Kosten sprengten jeden für die Kommune darstellbaren Rahmen. Bernnat hofft auf eine nennenswerte Bezuschussung durch Förderprogramme. Die große Herausforderung sei, den ohnehin bestehenden Investitionsbedarf, etwa für Schulen, weiter zu bedienen. Die SPD-Fraktion plädiere gegenwärtig ebenfalls für die Rathaussanierung am Standort.

Ulrich Lusche
(CDU) und die CDU-Fraktion möchten sich in dieser Frage ausdrücklich noch nicht festlegen. Das alte Krankenhaus-Areal sei zwar ein „Filetstück“ der zukünftigen Stadtentwicklung. Sollte sich aber herausstellen, dass eine überzeugende Umgestaltung des Gebäude-Komplexes zum neuen Rathaus klar günstiger dargestellt werden kann als eine Sanierung oder ein Neubau, müsse auch dies in Erwägung gezogen werden, sagte er. Lusche wies ebenfalls auf die Relevanz der Erschließung von Fördertöpfen hin. Das Projekt stehe aber im Grundsatz außer Frage: „Bei sicherheitsrelevanten Themen gibt es keine Diskussion.“

Matthias Lindemer
(Freie Wähler) sagte, Stadtrat Thomas Denzer – von Beruf Bauingenieur – plädiere für einen Abriss. Unter anderem auch deshalb, weil das unzeitgemäß schlechte Verhältnis von Verkehrs- und Nutzflächen bei einer Sanierung nicht grundlegend verändert werden könne. Zudem seien die Kosten für den Sanierungsaufwand schwieriger zu kalkulieren als für einen Neubau. Auch die Einschätzung des Umfang von Sanierungsarbeiten sei mit größeren Unsicherheiten verbunden. Ein Neubau am Standort sei ebenfalls denkbar, sagte er. Wichtig sei, alle Varianten gründlich zu prüfen.

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