Lörrach Schicksale im Frauenhaus

Gabriele Hauger
 Foto: Fassbender/zVg

Jahresbericht: Blick hinter die Kulissen / Zwei Mitarbeiterinnen verabschiedet

Lörrach - 42 Frauen – 42 Schicksale: Im vergangenen Jahr haben 42 Frauen sowie 27 Kinder Zuflucht im Frauenhaus Lörrach gesucht – und gefunden, was einer Auslastung von über 90 Prozent entspricht. Aus Platzmangel mussten allerdings 145 Frauen und 187 Kinder abgewiesen werden. Diese Zahlen sind dem Jahresbericht des Autonomen Frauenhauses zu entnehmen, der coronabedingt etwas verzögert vorliegt.

Der 66-seitige Bericht ist neben den ausführlichen Statistiken von persönlichen Beiträgen der Frauen geprägt. Es sind genau diese Schilderungen, die es möglich machen, hinter die Türen der Einrichtungen zu schauen, das Engagement der Mitarbeiterinnen einschätzen zu können und mit Empathie an den anonymisierten Schicksalen teilzunehmen.

Da ist Sarah aus dem Kosovo, die seit 2012 in Deutschland lebt. Durch ihre Heirat geriet sie in eine gewaltdominierte Familie, in der sie geschlagen, ausgebeutet und mit Mord bedroht wurde. „Mein Leben war das einer Sklavin, ohne Rechte und nur Verbote“, schreibt sie.

Mithilfe einer Cousine floh die junge Frau ins Lörracher Frauenhaus. Dort blieb sie sechs Monate und will sich mit ihrem Beitrag für die Hilfe des Frauenhaus-Teams bedanken. Sarah hat es wohl geschafft. Sie hat eine neue Wohnung und ihre Angst überwunden.

Statistik

Sarah mag stellvertretend für viele ähnliche Frauenschicksale 2019 stehen. 52 Prozent der Schutzsuchenden blieben mehrere Monate im Frauenhaus. Der Trend der Altersstruktur hat sich fortgesetzt. 30 Prozent der Betroffenen waren zwischen 18 und 25 Jahren alt. Die Mehrheit der Frauen fand den Weg in die Schutzeinrichtung durch Institutionen oder durch die Polizei.

Irritiert zeigen sich die Mitarbeiterinnen darüber, dass kaum Frauen durch Ärzte vermittelt wurden, obwohl Verletzungen durch häusliche Gewalt doch auffallen müssten. Über 45 Prozent der Misshandler waren der Ehemann, über 26 Prozent der Freund. In immerhin knapp zehn Prozent der Fälle ging die Misshandlung vom Vater aus.

Nach wie vor ist die Suche nach geeignetem Wohnraum im Anschluss an den Frauenhaus-Aufenthalt im gesamten Landkreis schwierig, heißt es im Bericht. Ein Teil der Frauen musste gar zu ihrem Misshandler zurückgehen, weil sie keine Alternativwohnung fanden.

Neben solch frustrierenden Bilanzen müht sich der Jahresbericht aber auch um Humorvolles: mit einer Kolumne über männliche Paranoia oder einem Comic, der das Thema Doppelbelastung vieler Frauen aufgreift.

Abschied

2019 wurden zwei wichtige Mitarbeiterinnen verabschiedet. Martina Kopf arbeitete viele Jahre mit „viel Energie und hoch motiviert“ im Autonomen Frauenhaus, wie es im Jahresbericht heißt. Sie will sich nun neuen beruflichen Herausforderungen stellen.

In den Ruhestand ging Marlis Kalthoff, „die Seele unseres Hauses“, die seit 2010 als Hauswirtschafterin gearbeitet und somit für ein ordentliches, angenehmes Wohnumfeld gesorgt hatte.

Der Jahresbericht erinnert zudem an das Kunstprojekt „10 mal 10 Frauen“, mit dem 100 Jahre Frauenrecht gefeiert wurde. Dafür wurden zehn starke Frauen porträtiert, darunter auch die Frauenhaus-Mitarbeiterin Antje Lauber.

Dankeschön

Ein besonderer Dank des Frauenhauses gilt den vielen Spendern. Dabei wurde nochmals an die „Binzener Runde“ unseres Verlagshauses 2018 erinnert, das mit seiner Aktion „Leser helfen“ und einer großen Benefizgala das Autonome Frauenhaus intensiv unterstützt hatte. Ein Dank geht auch an die Geschwister Riehle und die Bürgerstiftung, die ermöglichten, dass 2019 eine kleine Wohnung zur Vermietung an betroffene Frauen zur Verfügung stand.

Da das Autonome Frauenhaus nach wie vor ein Drittel des Haushalts über Spenden, Bußgelder und freiwillige Zuwendungen der Gemeinden des Landkreises finanzieren muss, hofft das Team auch weiterhin auf Spenden – kleine und große. Damit misshandelte Frauen im Landkreis Lörrach eine verlässliche Adresse haben.

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