Lörrach Schluss mit lustig

Guido Neidinger, Nils Straßel, Alexander Anlicker, Gabriele Hauger
 Foto: Guido Neidinger     

Corona-Pandemie: Gastronomie-, Kultur- und Freizeiteinrichtungen müssen im November schließen.

Lörrach - Das Coronavirus breitet sich immer schneller aus. Jetzt haben Kanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten die Reißleine gezogen. Ab Montag wird das öffentliche Leben im Monat November deutlich heruntergefahren – auch in Lörrach. Gastronomie-, Kultur- und Freizeitbetriebe müssen schließen. Wir fragten in Lörracher Betrieben nach, was dieser „Lockdown light“ bedeutet.

Große Skepsis und Verunsicherung, welche Auswirkungen die ab Montag geltenden Einschränkungen haben, wurden immer wieder bei unserer Blitzumfrage deutlich.

Hans-Werner Breuer, Vorsitzender des Einzelhandels-verbandes Pro Lörrach: „Wenn die Kunden in der Stadt sich nicht mehr hinsetzen und keinen Kaffee mehr trinken oder etwas essen können, dann verspüren sie auch keine Lust, einzukaufen. Dann besorgen sie nur das Notwendigste und fahren nach Hause. Insofern ist auch der Einzelhandel, der geöffnet haben darf, von den Einschränkungen stark betroffen. Außerdem sind die Menschen sehr verunsichert, was sie noch dürfen und was nicht. Das gilt vor allem für Schweizer Kunden. Wir erhalten jeden Tag Anrufe und merken, dass unsere Schweizer Kunden sich in einer regelrechten Schockstarre befinden. Das vierte Quartal ist im Einzelhandel das wichtigste. Wir können nur hoffen, dass wir diese Phase überleben und Anfang nächsten Jahres ein Medikament oder ein Impfstoff zur Verfügung steht.“

Anne Ehmke, freischaffende Künstlerin: „Die Kultur leidet unter der Coronakrise extrem – und das schon extrem lange. Viele Künstler sind quasi schon das ganze Jahr arbeitslos. Da herrscht zum Teil pure Verzweiflung. Ich kenne viele, die von ihren Ersparnissen leben müssen, sofern sie überhaupt welche haben. Mühsam hat die Kulturszene intensiv an sicheren Hygienekonzepten gearbeitet – jetzt ist der Vorhang wieder zu. Die angedachte Regelung, das Novembergehalt zu 70 Prozent auszugleichen, ist total ungerecht. Was macht ein Künstler, der im November letzten Jahres keine Engagements hatte? Da sollte man doch den Jahresschnitt nehmen. Für die großen Firmen ist Geld da, die Kultur fällt hinten runter. Dabei ist sie doch so wichtig! Hinzu kommt, dass man als kreativer Mensch ganz unruhig wird: keine Proben, kein Auftritt, keine Perspektive. Es ist zum Heulen.“

Norbert Uttner, Geschäfts-führer der bbv-Akademie: „Wir diskutieren, ob wir die Kantine nur noch für bbv-Beschäftigte öffnen. Wir wollen vor dem Eingang einen Stand aufbauen und wie im Frühjahr Essen zum Mitnehmen anbieten. So können sich die Kantinenbesucher aus anderen Firmen ihr Essen abholen und in ihrem Betrieb essen. Wir würden uns freuen, wenn uns die Leute weiter unterstützen und das Angebot nutzen. Der Umsatzrückgang wird drastisch werden.“

Patrick Dengl, Geschäftsfüh-rer des Kulturzentrums Nellie Nashorn: „Wir haben damit gerechnet, dass so etwas passieren könnte. Allerdings haben wir gehofft, dass es für kleine Kultureinrichtungen mit wenigen Plätzen eine Lösung geben wird. Gerade kleinere Theater oder Bühnen sind keine Ansteckungsherde. Wir werden als Nellie Nashorn damit zurechtkommen und uns etwas einfallen lassen. Viel schlimmer betroffen sind die Künstler, die nicht auftreten können, aber auch die Techniker oder Grafiker. Wir waren von der Entscheidung nicht überrascht und können diese nachvollziehen. Wir hoffen aber, dass in den nächsten Monaten Regelungen gefunden werden, die Kultur erlauben.“

Sabine Große, stellvertretende Geschäftsführerin des Impulsiv-Freizeitcenters: „Uns wird der Boden unter den Füßen weggezogen. Wir werden bereits zum zweiten Mal einem Lockdown unterzogen. Dabei haben wir im Hygienekonzept viele Maßnahmen ergriffen, die auch kontrolliert wurden und uns als gut bescheinigt wurden. Auch die Gäste waren erfreut, wie ordentlich es bei uns zugeht. Jetzt bei bester Buchungslage schließen zu müssen, ist hart. Für uns ist die Wintersaison wichtig. Schlimmer trifft es aber unsere Mitarbeiter. Mit nur 60 Prozent des Nettogehalts ohne Zuschläge und Trinkgelder zu überleben, ist fast unmöglich. Wir hatten jetzt alle unsere Mitarbeiter wieder mit an Bord.“

Tim Heuser, Inhaber Café Pape: „Der zweite Lockdown ist eine kleine Katastrophe. Da das Geschäft letztes Jahres noch gar nicht eröffnet war, ist uns die Höhe der staatlichen Entschädigung auch noch völlig unklar. Es ist schon mal gut, dass im November weiterhin Backwaren und Kaffee zum Mitnehmen angeboten werden können. Eine längere Schließung wäre für die Lörracher Gastronomie allerdings tödlich.“

Sandra Galuppi, Inhaberin Kiosk am Markt: „Ich gehe davon aus, dass der Betrieb in der Fußgängerzone dramatisch nachlassen wird. Wenn die Cafés nicht offen sind, kommt ohnehin fast niemand in die Stadt. Das hat der letzte Lockdown gezeigt. Ich stelle mich jetzt darauf ein, für meine Mitarbeiter erneut Kurzarbeit einzuführen und den Kiosk im November bereits um 17 Uhr zu schließen.“

Driton Dizdari, Inhaber Bar Drei König: „Ich weiß noch nicht genau, wie wir damit umgehen werden. Produkte zum Mitnehmen haben sich beim letzten Mal auch nicht wirklich gelohnt. Ich persönlich halte die neuen Regelungen für übertrieben. Keineswegs, weil wir die Situation unter-schätzen, sondern weil ich finde, dass die Maßnahmen, die wir mit großem Respekt durchsetzen, auch Wirkung zeigen und die Schließung der Cafés der falsche Ansatz ist.“

Adrian Fischer, Serviceleiter Obrado’s 39: „Man hätte regional differenzieren können. Ich weiß nicht, wie die Situation in den Großstädten Deutsch-lands ist, aber hier in Lörrach sind die Menschenmengen in der Gastronomie nicht so groß und unübersichtlich, dass ich eine Schließung für notwendig halte. Jetzt müssen wir uns allerdings darauf vorbereiten. Unsere Festangestellten treffen sich nächste Woche, um zu klären, ob wir beispielsweise Coffee To Go anbieten oder komplett schließen.“

Alexandra Thiel, Inhaberin Schüttwerk – Der Unverpacktladen: „Natürlich wird die Innenstadt weniger belebt sein als gewohnt, aber viele unsere Kunden kommen gezielt zu uns einkaufen. Daher sollten sich die Verluste in Grenzen halten. Ich finde, wenn es nötig ist, dann sind die Maßnahmen auch angebracht.“

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