Lörrach Seit sieben Wochen in Quarantäne

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Corona-Pandemie: Der Lörracher Arzt Klaus Brunner berichtet über die Situation in Riobamba (Ecuador).

Lörrach - Der Lörracher Chirurg Klaus Brunner hilft seit seinem Ruhestand vor 14 Jahren regelmäßig als Freiwilliger in Ecuador. Zuletzt flog er Ende Februar nach Riobamba, um nach dem Hospital Andino und den elternlosen Mädchen zu schauen sowie Sprechstunden in Chone abzuhalten. Doch vor Ort wurde er nicht nur von der Corona-Pandemie eingeholt, sondern erlebte auch noch andere Überraschungen.

„Das Hospital Andino ist vor einem Jahr in Konkurs gegangen. Ob mit Absicht oder Missmanagement sei dahin gestellt“, schreibt Brunner in einem Bericht für unsere Zeitung. Die Diözese habe daraufhin das Hospital mit den Schulden an die Universität ESPOCH „geschenkt“. Viele langjährige Mitarbeiter wurden entlassen und durch Universitätsangehörige ersetzt. „Auch ich darf nicht mehr arbeiten, da ich keine ecuadorianische Zulassung habe – nach zwölf Jahren Tätigkeit“, beklagt Brunner. Das Positive an der Übernahme sei, „dass der Fortbestand des Hospitals gesichert erscheint und das Werk von Pfarrer Schaft fortbesteht“. Die fünf elternlosen Mädchen, die von einer Lörracher Firma unterstützt werden, entwickeln sich laut Brunner hingegen sehr gut.

Am 16. März folgte dann die Ausgangssperre, Schließung der Geschäfte, Restaurants, Kinos, die Einstellung des Busverkehrs und vieles mehr aufgrund der Corona-Pandemie. „Unter diesen Umständen lebe ich jetzt schon die siebte Woche in meiner Wohnung, ohne auf die Straße zu dürfen“, berichtet der Arzt. Die Nachrichten über das Coronavirus laufen den ganzen Tag über den Bildschirm. Brunner: „Ich halte das kaum mehr aus. Einmal am Tag ist genug!“

Die Polizei kontrolliere und beschlagnahme die Autos derer, die keine spezielle Erlaubnis zum Fahren haben. Nur einmal in der Woche, je nach Endnummer des Kennzeichens, dürfe man mit dem Auto zum Einkaufen fahren, so Brunner. Straßenverkäufer, die sonst kein Einkommen hätten, verkauften ihr Obst und Gemüse und würden von Polizei und Militär gejagt. Disziplin fände man mehr in der Sierra, den Anden, während an der Küste mit der Großstadt Guayaquill ein unbeherrschtes Chaos bestehe mit der Mehrzahl der Corona-Kranken und Toten.

Der Lörracher schildert dramatische Szenen: „Unvergessen die Bilder der Toten auf den Straßen und der tagelang in der Wohnung nicht abgeholten Leichen. Das Chaos auf den Friedhöfen mit Massengräbern, Kühlwaggons und nicht identifizierten Leichen. Eine Familie erhielt drei Kästchen mit Asche mit gleichen Namen, ohne zu wissen, wessen Asche zu wem gehört.“ 130 Tote warten laut Brunner noch auf ihre Identifizierung in den Krankenhäusern.

Zwar werde von der Regierung Geld in die Gesundheit gesteckt, doch fließe es nicht immer, wie es soll. Mundmasken für drei Dollar würden von den Krankenhäusern für zwölf Dollar eingekauft, Endoskopiegeräte mit einem Wert von zwei Millionen Dollar wurden über eine Reklamefirma für fünf Millionen eingekauft. „Die alte Krankheit Südamerikas: Wer öffentliche Gelder ausgeben kann, behält ein Teil für sich“, schreibt Brunner

Die andere Seite sieht laut dem Mediziner so aus: „60 Prozent der Bevölkerung verdient sich ihr Geld als Straßenverkäufer oder Gelegenheitsarbeiter. Traurig, wenn sie nicht auf die Straßen dürfen, um etwas zu verdienen.“ Der Staat helfe zwar monatlich mit 60 Dollar, das sei jedoch nur „ein Tropfen auf den heißen Stein“.

Doch diese Katastrophe gestalte sich im Land noch schlimmer, da der vorherige Präsident Rafael Vicente Correa Delgado mit seiner Clique Milliarden ausgegeben und auf die Seite geschafft habe, so Brunner. Das Land habe statt Reserven Milliardenschulden – und neue Schulden zum Bezahlen der Schulden. Die Regierung spare an allem. „Die Zukunft des Landes macht mir Sorgen.“

Brunner macht sich aber auch Sorgen, wie es für ihn weitergeht: Seinen Rückflug hatte er für den 26. April gebucht, dann war es der 24. Mai, dann der 1. Juni – alle Termine wurden abgesagt. „Vielleicht klappt es Mitte Juni“, hofft Brunner nun. „Da ich über 60 bin, darf ich nicht auf die Straße, auch nicht zum Einkaufen. So bin ich froh um eine Nachbarin und einen Schweizer, die mir den Einkauf erledigen.“

Insgesamt sei für alle nur der Ausgang von 5 bis 14 Uhr möglich. „In dieser Zeit bin ich trotz Verbot einmal durch die Stadt gegangen: Lange Schlangen vor Lebensmittelgeschäften und Apotheken mit auf den Straßen aufgezeichneten Punkten für den Sicherheitsabstand, daneben die vielen geschlossenen Geschäften. Die Straßen und Parks sind leer“, schildert Brunner in seinen Bericht. Anschließend ging er zurück in seine Wohnung, wo sein Tagesablauf stets wie folgt aussieht: „Russisch lernen, kochen, Sport auf dem Flachdach des Hauses, Lesen, Mittagsschlaf, abends Nachrichten und ein Film auf Youtube. Dann schlafen und alles beginnt wieder von vorn. Wie lange noch?“

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