Lörrach Songs von den Straßen

Die Oberbadische
Foto: Kristoff Meller Foto: Die Oberbadische

Stimmenfestival I: Zwei markante Stimmen und poetisches Storytelling gab es am Freitag im Rosenfelspark

Von Veronika Zettler

Lörrach. Es ist ein bisschen wie in Wacken. Für den ein oder anderen Rosenfelsparkpuristen zumindest sind Regengüsse und Schlammspritzer das Salz in der Suppe. Auch am Freitag geriet die zweite Konzerthälfte im gut gefüllten Park zu einer durchnässten Angelegenheit, und das viel zitierte Wohnzimmer das Festivals mutierte mal wieder zu dessen Badezimmer. Wer nicht in weiser Voraussicht die Regenjacke eingepackt hatte, suchte sich einen Platz unter den Baumdächern.

Derweil ließen sich Hartgesottene nicht beirren und tanzten ausgelassen vor der Bühne. Vorzeitig gegangen sind wenige, gleichwohl verzichtete man auf Zugabenforderungen, zumal Alice Phoebe Lou derlei ausdrücklich nicht schätzt. Der Schlussapplaus für die Sängerin und ihre Band fiel kurz, aber herzlich aus. Man konnte sie ja hinterher am Merchandising-Stand noch einmal persönlich loben.

Alice Phoebe Lou hatte das Publikum im Nu in den Bann gezogen. Mit einer Stimme zwischen mädchenhaft zart und abgeklärt heiser, mit Textbotschaften zwischen feministisch, freiheitsliebend und verknallt sowie einem Stilmix aus klassischen Songwriteringredienzien mit diversen Folk-, Rock- und Blueselementen lieferte die Sängerin eine Mixtur so eigenwillig wie einnehmend.

In Kapstadt geboren, gerade 25 geworden und mit dem Aussehen einer schwedischen Märchenprinzessin gesegnet, umsegelt Alice Phoebe Lou die Welt gleichsam unter der Flagge der Unabhängigkeit. Mittlerweile hat sie eine veritable Karriere als Straßenmusikerin hinter sich. Und wo sollte man das Phänomen Mensch besser studieren und gleichzeitig mehr musikalische Einflüsse aufsaugen können als in den Straßen ihrer Wahlheimat Berlin, der sie im Song „Berlin Blues“ ein Denkmal setzt.

2016 hat sie ihr erstes Album mit dem Titel „Orbit“ beim Berliner Indie-Label Motor Music herausgebracht, 2017 unter anderem drei vom Rolling Stone präsentierte Deutschland-Konzerte gegeben und jetzt nach Lörrach „a lot of new songs“ mitgebracht. Zum Beispiel „My Outside“, das auf dem nächsten Album erscheinen wird, aber auch die in diverse Tempi gepackten Stücke ihrer viel gepriesenen Scheibe „Orbit“ wie „Girl on an Island“. „She“ intonierte sie ganz zum Schluss und ornamentiert vom Chor des mitsingenden Publikums: Der Titel war kurz nach Erscheinen im Februar zum viralen Hit avanciert und als Soundtrack zum neuen Kinofilm über Hedy Lamarr in der Kategorie „Best Original Song“ für den Oscar nominiert. Auch allein am Piano beziehungsweise mit reduzierter Pianobegleitung sorgte Alice Phoebe Lou für eine intensive Atmosphäre im Park.

Das hatte zuvor bereits der Londoner Singer-Songwriter Tom Hickox als Support getan. Was der Südafrikanerin die Gitarre, ist dem Briten sein virtuos gerocktes Stagepiano. Zudem hat er mit Shez Sheridan einen vielseitig versierten Gitarristen zur Seite, der auch mal elegant ein paar Flamenco-Akkorde anschlägt.

Mit sonorem Gänsehautbariton – spätestens bei „White Roses Red“ erinnerte er an Nick Cave -– dazu haufenweise schönen, dabei durchaus sozialkritischen Balladen wie „Monsters in The Deep“ vom gleichnamigen neuen Album, hatte Hickox die Zuhörer schnell in der Tasche. Wie Alice Phoebe Lou gab auch der 37-Jährige zwischen den Stücken ein paar Infos zu Entstehungsgeschichte und Inhalten. Der Song „The Dubbing Artist“, erzählte er etwa, handele von der Rumänin Irina Nistor, die während der Ära Ceausescu streng verbotene Hollywood-Filme synchronisierte, einschließlich der Männerrollen. Ohne, dass jemand wusste, wie sie hieß oder aussah, sei sie the „most famous person in Romania“, die berühmteste Person des Landes geworden.

Zum Schluss gab es im Rosenfelspark gar einen Hauch von Woodstock-Atmosphäre: Ein Mann und ein Frau tanzten oben ohne.

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