Lörrach Treffpunkt und Wissensschatz

Die Oberbadische

Interview: Die Leiterin der Lörracher Stadtbibliothek Sabine Dietrich über das Haus, das Buch und die Bibliothek

Frage: Ist eine Stadtbibliothek im Zeitalter der Digitalisierung überhaupt noch zeitgemäß? Ich kann doch alles zuhause am Smartphone recherchieren und lesen.

Eine berechtigte Frage. Allerdings: Wenn ich mich nur auf das Digitale konzentriere, würde das ja bedeuten, dass man es dem Internet als Wissenspeicher überlässt, wie sich die Leute informieren und bilden. Gerade heute aber braucht es mündige und informierte Bürger. Das Internet bietet sicherlich viele positive Seiten und Chancen. Aber es hat – was Information und Wissensvermittlung betrifft – doch viele Enttäuschungen mit sich gebracht. Wir machen zudem immer wieder die Erfahrung, dass viele junge Leute hier in die Bibliothek kommen, die noch nicht mal Grundkenntnisse darüber haben, wie man eine Bewerbung verfasst und seriös recherchiert. Ihr Smartphone bedienen sie hingegen wie im Schlaf. Schon allein um hier gegenzusteuern, sind Stadtbibliotheken wichtig.

Frage: Was war Ihr Eindruck, als Sie vor sechs Jahren erstmals die Lörracher Stadtbibliothek betraten?

Die Präsentation der Bibliothek fand ich sehr gut, man spürte gleich, dass die Einrichtung in dieser Stadt einen guten Stand hat. Und mir wurde schnell bewusst, dass in Lörrach kulturell viel läuft.

Frage: Kaum eine Einrichtung erfährt über alle Altersgrenzen hinweg so viel einhelliges Lob wie die Lörracher Stadtbibliothek. Woran liegt das?

Wir tun den Leuten etwas Gutes. Wir stellen einen öffentlichen Raum zur Verfügung. Es kann jeder kommen, unabhängig von seinem sozialen oder finanziellen Background. Ein echter Luxus heutzutage! Es ist uns wichtig unsere Besucher als Mensch wahrzunehmen. Man merkt schon, dass auch einige Personen in schwierigen Situationen zu uns kommen, auch Menschen, denen vielleicht ein Ansprechpartner fehlt, die einsam sind. Die kommen hierher, lesen Zeitung, blättern in Büchern, manche jeden Tag. Sie kennen unser engagiertes Personal genau, haben hier einen Ansprechpartner. Ich denke, wir übernehmen hier fast eine soziale Funktion, die noch zu wenig beachtet wird.

Frage: Sind das eher ältere Besucher?

Positiv erstaunt haben mich bei unserer Umfrage die Äußerungen vieler junger Leute, die sehr gerne unsere Angebote nutzen und die Bibliothek als Rückzugsort schätzen. Wir haben viele Jugendgruppen, die sich hier lange und regelmäßig aufhalten. Die Bibliothek als Raum, wo man sich treffen, unterhalten, diskutieren, zurückziehen kann – das ist eine ganz wichtige Funktion neben der normalen Bücher-Ausleihe.

Frage: Wie groß ist denn das Leihangebot?

Das Buch ist schon noch unser Kerngeschäft. Vom Medienbestand her sind wir mit knapp über 80 000 Medien gut ausgestattet. Die digitalen Medien haben dabei einen Anteil von fünf Prozent, sowohl vom Budget als auch von der Ausleihe her. Das ist gar nicht so viel. Natürlich sind mit den Jahren viele Medien dazu gekommen: zunächst CDs, dann DVDs, Blue Rays, Konsolenspiele, Spiele generell, die super laufen. Wir haben Spielegruppen, die sich hier regelmäßig treffen. Wir sind ein Medienhaus.

Frage: Also eine Stadtbibliothek mit Treffpunkt-Charakter?

Es gibt generell die Tendenz, Bibliotheken als öffentlichen Treffpunkt, als „MakerSpace“, also als Raum für Kreativität und Wissenstransfer anzulegen, wo sich die Menschen ausprobieren können. Ich finde das interessant und wichtig. Aber einen reinen Treffpunkt-Charakter finde ich für eine Bibliothek zu wenig. Das macht sie zu austauschbar. Denn es geht mir auch um die Rolle der Bibliothek als Wissens- und Kulturschatz.

Frage: Was haben Sie seit der Ablösung Ihres Vorgängers Florian Nantscheff verändert?

Ich habe das Haus nicht von Grund auf umgekrempelt, das war auch gar nicht nötig. Verstärkt und ausgebaut habe ich die Zusammenarbeit mit den Schulen und den Kindergärten, also den ganz Kleinen. Dort haben wir auch noch mehr Personalkapazität reingesteckt und mehr Angebote geschaffen. Das wird sehr gut angenommen und schlägt sich auch in den Neuanmeldungen im Kinder- und Jugendbereich nieder.

Die traditionellen Literaturgespräche sind gestrichen worden, da der SWR keinen Sendeplatz mehr zur Verfügung gestellt hat. Außerdem war die Resonanz in den letzten Jahren auch nicht mehr gut. Selbst große Namen haben nicht mehr so gezogen. Unsere Veranstaltungen sind jetzt populärer ausgerichtet. Weniger Belletristik-Autoren, die in allen Feuilletons besprochen werden, sondern eher Sachbücher und Vorträge. Die werden meist gut besucht. Zum Beispiel ein Vortrag über Angststörungen, ein Abend mit Dennis Scheck, ein Reisebericht über Grönland und die Heimat der Inuit oder ein Medizinprofessor, der über die Bedeutung des Zuhörens in der Medizin referierte. Aber auch ganz neue Veranstaltungsformate wie „Die Literaturhappen“ über die Mittagszeit oder das „Lörracher Literarische Quartett“ sind hinzu gekommen. Mir war wichtig, jemanden zu finden, der bei diesem Veranstaltungsangebot finanziell mitzieht. Ich war sehr froh, dass mich Herr Kastl von der gleichnamigen Buchhandlung ganz in unserer Nähe gleich angesprochen hat.

Frage: Kinder lieben die Stadtbibliothek, das Schmökern. Leider ändert sich das oft in der Jugendzeit. Was tun Sie speziell für diese Altersgruppe?

Was das Lesen betrifft, wird es in diesem Alter sicher schwierig. Deshalb haben wir gerade mit den weiterführenden Schulen unsere Zusammenarbeit ausgebaut. Wir versuchen, die Jugendlichen bei ihren Mediengewohnheiten abzuholen. Zum Beispiel mit einer Tablet-Rallye, die sehr gut ankommt. Ebenso die Konsolenspiele. Vor allem Jungs im typisch kritischen Alter kommen da regelmäßig, lernen die Bibliothek kennen und kommen auch mal, um hier ein Referat vorzubereiten. Inzwischen sind wir als Lernraum sehr begehrt. Wir liegen ja auch in der Einflugschneise der Schulen. Gerade in Prüfungszeiten reichen unsere Plätze nicht aus.

Frage: Haben sich die Bedürfnisse der Nutzer geändert?

Die Schnelllebigkeit und die Ansprüche sind schon gestiegen. Wenn es Neuerscheinungen gibt, erwarten die Besucher, dass diese sofort in ausreichender Zahl zum Ausleihen vorhanden sind. Wir versuchen natürlich, auf diese Bedürfnisse einzugehen, haben beispielsweise alle Bestseller an prominenter Stelle im EG zusammengestellt. Wir untersuchen mit Statistiken auch ständig, wo die Bedürfnisse liegen.

Frage: Sie bieten viele fremdsprachigen Medien an. Wie werden die genutzt?

Unser relativ großes Angebot in diese Richtung liegt sicherlich auch daran, dass Herr Nantscheff darauf großen Wert legte. Wobei die Nachfrage ehrlich gesagt nicht überwältigend ist, obwohl wir wirklich alles versuchen: Neuerwerbungsregale und ähnliches. Die englisch- und russischsprachigen Angebote laufen zwar einigermaßen. Bei den türkischen hingegen ist die Nachfrage mau, obwohl wir gute Kontakte zur türkischen Gemeinschaft haben und auch türkische Mitarbeiter.

Frage: Wie ist die finanzielle Situation des Hauses?

Noch gut. Aber es kommen immer mehr Belastungen hinzu. Zum Beispiel durch die Onleihe, die ihre Preise erhöht hat. Oder durch die Schnelllebigkeit des Medienmarktes. Nicht gut ausgestattet sind wir leider bei der Inneneinrichtung. Das Haus ist ja denkmalgeschützt, und die Einrichtung ist zwar hochwertig, aber doch schon 25 Jahre alt. An allen Ecken und Enden geht etwas kaputt. Regalböden brechen uns herunter, der SAK muss zig Mal kommen, um irgendwelche Ausbesserungen vorzunehmen. Der ehemals wertige Boden hat verschiedene Bruchstellen. Da muss viel notdürftig geflickt werden. Die Sessel sind auch in einem schlechten Zustand. Dadurch, dass sich die Menschen hier viel und lange aufhalten, würde es auch Möbel mit einer höheren Aufenthaltsqualität benötigen. Hier müsste schon etwas getan werden. Die Bedürfnisse ändern sich schließlich auch, gewünscht werden Tischchen für Laptops oder flexible Gruppen-Sitzgelegenheiten. Neue Bibliotheken bieten da natürlich viel mehr.

Frage: Sonst wird ja immer nur vom Charme des Hauses gesprochen?

Das Haus hat wirklich ein tolles Angebot, das löst viel Begeisterung aus – zu Recht. Viele Menschen sind auch erstaunt über die Größe des Gebäudes. In unserem Kritikkasten wird jedoch auch öfters Bauliches beklagt: „Der Boden hat auch schon einmal bessere Tage gesehen“ heißt es da oder Flecken an der Wand, eine fehlende Klimaanlage und so weiter. Diese Mängel sind mir schon aufgefallen, als ich vor sechs Jahren das erste Mal hierher kam. Aber damals dachte ich irgendwie blauäugig, dass man das problemlos erneuern kann.

Frage: Wäre das Ihr größter Wunsch zum 25-Jährigen Jubiläum?

Ich würde mir wünschen, dass man das Einladende der Bibliothek noch besser zur Geltung bringt: gerade im Zuge der aktuellen Sanierung der Basler Straße. Die Aufenthaltsqualität soll hier ja insgesamt sowieso gesteigert werden: mit Sitzgelegenheiten, Bäumen und so weiter. Dabei könnte auch unser Haus wieder zu dem Schmuckkästchen werden, das es einmal war. Mit seinen großen Schaufenstern, die leider viel zu wenig genutzt werden und mit einer besseren Beleuchtung. Ein Bürgerhaus, das schon von außen die Menschen anlockt, das die Menschen neugierig macht und hineinzieht – das wäre toll. Vielleicht auch ein Café als Treffpunkt, das würde sicher sehr gut angenommen.

Frage: Wird es in 25 Jahren noch die Stadtbibliothek geben?

Ich hoffe doch sehr! Vielleicht auch gerade angesichts der zunehmenden Digitalisierung. Wir sind ja eine Gesellschaft, die immer älter wird, da suchen doch viele nach Wegen, der Vereinzelung zu entgehen. Sicher sehen viele in einer solchen Einrichtung einen großen Reiz, als altbekannte Institution, die etwas Verlässliches, Vertrautes bietet. Faktoren, die vielleicht zunehmend geschätzt werden. Das kam auch bei unseren Umfragen heraus: Viele Menschen hier sind mit der Stadtbibliothek über die Generationen verwurzelt.

Frage: Was bedeutet Ihnen ganz persönlich eine Bibliothek, ein Buch, das Lesen?

Mein Elternhaus war nicht buchaffin. Für mich bedeutete Lesen immer eine Möglichkeit, in fremde Welten einzutauchen, verschiedene Facetten kennenzulernen, sich vorzustellen, was für ein Leben möglich ist. Ich bin nach wie vor ein großer Freund der Printmedien.

Bibliotheken sind für mich wertvolle Wissens- und Kulturschätze. Schon in der Grundschule habe ich mich für das Ausleihen der Bücher engagiert. Dann habe ich die Schulbibliothek entdeckt. Und dann die Kinder- und Jugendbibliothek in Karlsruhe. Das war wie eine Tür, die sich geöffnet hat. Ich war hin und weg. Und das ist bis heute so geblieben.

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