Lörrach Tribunalartige Schülerverhöre

Veronika Zettler
Das Titelbild der Stadtbuchs. In der hinteren Reihe das spätere RAF-Mitglied Christian Klar (Dritter v. l.), zu seiner Linken Hildegard Narkewitz, die sich im Stadtbuch an den Tanzkurs mit Klar erinnert. Foto: Kristoff Meller

Rezension: Das neue „Stadtbuch Lörrach“ beleuchtet schlaglichtartig das Jahr 1968.

Lörrach - An Jahresrückblicken ist dieser Tage kein Mangel. Etwas Abwechslung bietet da das neue „Stadtbuch Lörrach 2018“. Neben dem aktuellen Rückblick enthält es einen weiteren, der das Jahr 1968 in Lörrach aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet.

1968 kam es zwischen zwei Lörracher Schülermannschaften zu einem Fußballmatch, das (erst) im Nachhinein bemerkenswert erscheint. Im Team des Wirtschaftsgymnasiums kickte ein junges Ass namens Ottmar Hitzfeld, derweil in der gegnerischen Elf vom Hans-Thoma-Gymnasium (HTG) der spätere Kabarettist Volkmar Staub und der spätere RAF-Terrorist Christian Klar antraten.

1968 in der Lerchenstadt

Erinnerungen und Anekdoten wie diese von Volkmar Staub machen es zu einem spannenden Lesebuch über das Jahr 1968 in der Lerchenstadt. Spannend auch deshalb, weil einige der Rückblenden verdeutlichen, wie es unterm Deckel brodelte – und in der politisch aufgeladenen Stadt bis zum Knall mitunter gar nicht viel fehlte.

Zugleich zeigen die 15 Texte, wie verschieden die Stimmung in der Stadt wahrgenommen wurde. So kann sich etwa Hugo Schuhmann, 1968 Abiturient am HTG, an keine 68er-Bewegung in Lörrach erinnern: „Bedingt durch die Vorbereitungen auf das Abitur“.

Auch Volkmar Staub bekennt: „Das meiste von 68 in Lörrach ging an mir vorbei. Da war ich immer gerade beim Handballtraining“.

Zeitweilige Unruhen am HTG

Wie sehr es an der Schule tatsächlich grummelte, beschreibt neben dem damaligen HTG-Schüler und heutigen Landtagsabgeordneten Rainer Stickelberger ausführlich Kurt Seifert in seinem Beitrag über den Republikanischen Club – 1968 eine der aktivsten politischen Gruppen in Lörrach mit legendärem Treffpunkt in Haagen – gekoppelt mit der Darstellung zeitweiliger Unruhen am HTG, die in tribunalartige Schülerverhöre mündeten.

Gegärt hat es auch an der 1966 gegründeten Pädagogischen Hochschule Lörrach, wie der Text von Herbert Sitterle über die Entstehung des Sozialen Arbeitskreises (SAK) als „Frucht der 68er-Bewegung“ erahnen lässt. Dabei ruft Sitterle fast vergessene Bilder in Erinnerung. Oder wer weiß heute noch von der Situation beim sogenannten „Schuldenhof“ im Rebmannsweg, wo in einfachsten Unterkünften, teilweise ohne Haustüren, viele Jenische lebten: „Landfahrendes Volk, die wie Sinti und Roma ihre eigene Sprache hatten“, wie Sitterle anmerkt – und die noch wenige Jahre zuvor von den Nazis verfolgt worden waren.

Brandt und Kiesinger machen Wahlkampf in Lörrach

Pikanterweise lud im April 68 die NPD zu einer großen Kundgebung mit ihrem Bundesvorsitzenden Adolf von Thadden nach Brombach: Rund 1000 Besucher kamen in die Festhalle, etwa hälftig Anhänger und Gegner der Partei – dies berichtet Hubert Bernnat über das Lörracher Dreifachwahljahr 1968.

Neben Kommunal- und Oberbürgermeisterwahl (Peter Jensch beschreibt im Stadtbuch seine OB-Kandidatur) standen Landtagswahlen an und SPD-Außenminister Willi Brandt kam zum Wahlkampf ebenso nach Lörrach wie Kurt-Georg Kiesinger, CDU-Bundeskanzler mit Nazi-Vergangenheit.

Aber auch 1968 hatte Lörrach nicht nur Spannungen auf der Agenda. So erzählen etwa Walter Mayer und Harald Glünkin vom Richtfest der Neuen Feuerwache und Erhard Richter von der Premiere der Burgfestspiele. Um Aufstand – nämlich den der Bauern in den Jahren 1524/25 – ging es auch da.

  • Das in diesem Jahr erstmals von der Stadt Lörrach herausgegebene Stadtbuch enthält außerdem die Rubriken „Stadtleben“ und „Stadtchronik“ und ist für 18,90 Euro in den Buchhandlungen Kastl und Osiander sowie bei der Touristinformation erhältlich.

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