Lörrach Über die Stränge schlagen vor der Buße

Regine Ounas-Kräusel
Pfarrer Martin Abraham (l.) und Obergildenmeister Jörg Roßkopf im Lörracher Narrenkeller. Foto: Regine Ounas-Kräusel

„Wortwechsel“: Pfarrer Martin Abraham im Gespräch mit Obergildenmeister Jörg Rosskopf.

Lörrach - „Fasnacht wird weltweit überall da gefeiert, wo Katholiken wohnen“, sagte der Lörracher Obergildenmeister Jörg Rosskopf am Sonntag beim „Wortwechsel“ im Gildenkeller. Die Behauptung, dass die Fasnacht einen heidnischen Ursprung habe, gehöre zu den größten „Fake News“ der Nationalsozialisten.

Der Wortwechsel ist eine Veranstaltungsreihe des evangelischen Kontors für Glaube, Kultur und Wissenschaft auf Schloss Beuggen. Der Leiter des Kontors, Pfarrer Martin Abraham, sucht dabei das Gespräch mit Persönlichkeiten aus der Region. Er interessiert sich für die spirituellen Quellen, aus denen heraus sie ihr Leben gestalten.

Schwellenfest vor der Fastenzeit

Jörg Rosskopf erzählte, dass er schon als Kind von der Fasnacht fasziniert war. Seine Eltern seien fastnachtsverrückt gewesen, sagte er. Außerdem bestaunte er die großen bunten Umzüge, die direkt an seinem Elternhaus vorbeizogen. Rosskopf ist 1968 in Lörrach geboren und dort aufgewachsen. Er ist verheiratet, hat zwei erwachsene Kinder und arbeitet bei einer Bank in Zürich im Risikomanagement. Seit 18 Jahren wohnt er in Weil am Rhein. Selbstverständlich lebt er seit seiner Kindheit auch in der Gemeinschaft der katholischen Kirche. Seine Mutter sang im Kirchenchor. Er betreute bis vor zwei Jahren die Ministranten in Weil am Rhein.

Bei der Fasnacht durften die Menschen im Mittelalter nochmals trinken, sich den Bauch voll schlagen und ungehemmt feiern, bevor die Fastenzeit bis Ostern begann. „Es ist ein Schwellenfest vor der Fastenzeit“, sagte Rosskopf. „Der Narr war im Mittelalter eine Negativfigur, der man aus dem Weg ging.“

Viele Details an den heutigen Narrenkostümen deuteten darauf hin, etwa Glöckchen oder Hahnenkamm, erklärte er. Erst im 19. Jahrhundert und vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg lebte der Karneval als Volksfest für alle wieder auf. Die Nationalsozialisten versuchten Bräuche zur Austreibung des Winters damit zu verbinden.

Zwischen dem 6. Januar, dem eigentlichen Beginn der Fasnacht, und Ostern liegt die Passionszeit – für die Katholiken eine Zeit des Fastens und der Buße. Jörg Rosskopf erklärte, dass der Mensch nach der katholischen Lehre jederzeit entscheiden könne, ob er gut oder böse handeln will. Tue er nach einer Verfehlung Buße, sei alles wieder im Lot. So schlugen die Menschen im Mittelalter während der Fasnacht fünf Tage lang über die Stränge und taten in der Fastenzeit danach Buße.

Fasnacht integriert Einheimische, Ausländer, Arm und Reich

Pfarrer Martin Abraham fand diesen Ansatz interessant. Er meinte, alle Menschen bräuchten hin und wieder eine Auszeit, in der sie in eine andere Rolle schlüpfen könnten. Problematisch fand er aber, dass bei der Fasnacht oft sehr viel getrunken wird. Das bedauerte auch Jörg Rosskopf. Aber er fragte: „Ist es nicht viel wertvoller, dass die Fasnacht integrieren kann?“, Unter den Masken seien Arm und Reich, Einheimische, aber auch Türken und Syrer willkommen.

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