Lörrach Unterricht auf Achse

Denis Bozbag

Porträt: Ein Zirkuskind schildert, wie sein Schulalltag aussieht.

Lörrach-Brombach - Gerhard Frank ist zwölf Jahre alt, spielt Schlagzeug und liebt Fußball. Ein ganz gewöhnlicher Jugendlicher also? Nicht ganz, denn anders als die meisten Teenager in seinem Alter, hat er bereits 160 Schulen in ganz Deutschland besucht. Als Kind reisender Artisten bleibt er im Sommer nie länger als eine Woche am gleichen Ort.

„Ich finde es richtig schön, ein Zirkuskind in der Klasse zu haben“, meint Sabrina, Schülerin der fünften Jahrgangsstufe an der Hellbergschule in Brombach. „Seit der ersten Klasse kenne ich Gerhard und er ist einfach etwas Besonderes im Vergleich zu uns stinknormalen Kindern“, pflichtet ihr Klassenkameradin Yesira bei, und Raffael, ein weiterer Schüler, wirft ein: „Er bringt uns allen das Jonglieren bei und erzählt uns von den Tieren im Zirkus.“

Jeden Winter an der Hellbergschule in Brombach

Vor Weihnachten drückt hier ein Zirkuskind die Schulbank: Gerhard Frank - zweitjüngstes Mitglied der Artistenfamilie Frank, die seit acht Generationen mit ihrem Programm Kinder- und Erwachsenenherzen höher schlagen lässt.

Es sind immer Fragen wie: „Was hast du das ganze Jahr gemacht?“ und „welche Tiere habt ihr im Zirkus?“, die ihm gestellt werden. Gerhard ist seit zehn Tagen wieder in der Hellbergschule wie in jedem Winter, wenn der Zirkus Montana als Weihnachtszirkus im Grütt gastiert. Doch von März bis Oktober ist Gerhard wöchentlich an einer anderen Schule. „Gut 160 waren es schon. In Wehr ist meine Stammschule, wo ich jedes Jahr vor und nach Weihnachten bleibe. Ich war bereits in Berlin, Sachsen-Anhalt, an der Ostsee, im Schwarzwald und in Bayern“, zählt Gerhard im Gespräch mit unserer Zeitung einige seiner Schulstationen auf. Er liebe es zu reisen und ständig neue Städte und Menschen kennenzulernen.

Gerhard zeigt sein Schultagebuch, in das die Lehrer schreiben, welche Inhalte er bei ihnen gelernt und verstanden hat und welche er weiterhin üben muss. Am Ende jeder Woche bekomme er vom Klassenlehrer einen Stempel in sein Buch. Die Ergebnisse über seinen schulischen Fortschritt werden an die Stammschule, an der Gerhard während der gesamten Schulzeit angemeldet bleibt, übermittelt.

An den Wochenenden könne er zwei Stunden am Telefon mit der Schulbereichsleiterin für den Landkreis Rastatt, Christiane Schirra, den Lehrstoff der Woche üben und wiederholen. Die Schulbereichsleiter sind unter anderem für die Kinder von beruflich Reisenden und aus Zirkusfamilien zuständig.

Natürlich sei es nicht einfach, am Unterricht in derart vielen verschiedenen Schulen teilzunehmen, meint Gerhard. In jedem Bundesland gelte ein anderer Lehrplan und nicht jedes Thema wird in der Reihenfolge gelehrt wie an einer anderen Schule zuvor. Es komme zu Wiederholungen oder Lücken im Unterrichtsstoff. Manche Lehrer von großen Schulklassen seien zudem nicht glücklich, einen zusätzlichen Schüler in den Unterricht integrieren zu müssen. Trotzdem habe er überwiegend positive Erfahrungen gemacht.

Hier in Lörrach und in Wehr unterstützten ihn die Lehrer und seine Mitschüler jedes Jahr aufs Neue: „Ich kann gar nicht oft genug sagen, wie nett und hilfsbereit alle an der Hellbergschule sind“, schwärmt Gerhard.

„Das reisende Leben macht schnell erwachsen“

Die Beurteilung seiner schulischen Leistung gestaltet sich indes nicht leicht. „Wenn er an einem Ort neu in die Klasse kommt und am nächsten Tag ist eine Klassenarbeit geplant, bleibt ihm kaum Zeit, sich darauf vorzubereiten, was natürlich zu seinem Nachteil ist“, führt seine Mutter Sandra Frank an. So verzichte man bei ihm auf jährliche Benotungen. Wichtig sei das Endzeugnis beim Schulabschluss, betont Frank.

In seiner Freizeit spiele er Schlagzeug. Das habe er sich selber beigebracht, erwähnt Gerhard stolz. Denn Musik liege der Familie im Blut. Auch Fußball spiele er gerne, da sei er wie viele Jungen in seinem Alter.

Wenn er von der Schule nach Hause kommt und seine Hausaufgaben gemacht hat, hilft er bei den Vorbereitungen zum 20-jährigen Jubiläum des Weihnachtszirkus. Er träumt von einer Karriere im Zirkus. Die Clownerie und die Jonglage gefallen ihm sehr gut. Er übe bereits seit zwei Jahren an einer eigenen Nummer, die er dann erst vorführen dürfe, sobald er diese fehlerfrei beherrsche.

Gerhard wirkt reif und artikuliert sich für seine zwölf Jahre sehr gut . „Das reisende Leben macht sehr schnell selbstbewusst und erwachsen“, bestätigt seine Mutter diesen Eindruck.

Lörracher Weihnachtscircus

Vom 22. Dezember bis 7. Januar auf dem Festplatz im Grütt/Messe Haagen. Vorstellungen: wochentags um 16 Uhr, freitags, samstags, sonntags und an Feiertagen um 15 und 19 Uhr. An Heiligabend um 14 Uhr. Silvester-Gala am 31. Dezember um 19 Uhr mit Sektempfang. An Neujahr findet keine Vorstellung statt. Am Sonntag, 6. Januar, nur um 15 Uhr. Tierschau täglich ab 11 Uhr.

Vorverkauf unter Tel. 0163/4550424, an der Circus-Kasse täglich von 11 bis 12 Uhr sowie jeweils eine Stunde vor Veranstaltungsbeginn.

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