Durch die persönliche Beteiligung an den Verbrechen sei eine rote Linie überschritten worden, betonte Hubert Bernnat (SPD). „Das eine kann ich nicht mit den anderen aufrechnen“, machte er klar, dass der Arzt auch gute Taten für sich stehen habe. Als „gewagte Interpretation“ bewertete Bernnat die Stellungnahme zum Akt der Versöhnung. Weil in den Mund zu legen, dass dieser damals von den Taten wusste, konnte der sozialdemokratische Ortshistoriker nicht nachvollziehen.
Noch unentschlossen
Pit Höfler (CDU) führte noch offene Fragen und Beratungsbedarf in der Fraktion an. Doch auch der von 1933 bis 1945 amtierende Lörracher Bürgermeister Reinhard Boos hänge noch mit einem Porträt in der Ahnengalerie im Ratssaal. Dies habe eine Mehrheit beschlossen. Hinzu komme ein hoher administrativer Aufwand für die Bewohner bei einer Umbenennung der Straße, weshalb die Mehrheit dagegen sei.
CDU-Ratsfrau Ulrike Krämer betonte, dass es sich um eine persönliche Meinung von Höfler handele, die Fraktion noch berate.
Jörg Müller (FW), dessen Vater sein Leben Carl Keller zu verdanken habe, unterstrich, dass die Sterilisations-Taten nicht zu rechtfertigen seien. Erinnerungskultur bedeute aber auch, dass man sich aller erinnere. Das Unrechtsbewusstsein sei damals etwas anders gewesen. Ob Keller aus Böswilligkeit gehandelt habe, könne er nicht sagen, so Müller. Er sei für eine Kennzeichnung der Straße, aber nicht für die Umbenennung.
„Wenn man löscht, erinnert man sich nicht“, erklärte auch Bernhard Escher. Außerdem sei nur belastend ermittelt worden. „Keller hatte deutlich positivere Seiten.“ Die Beschlussvorlage sei „unvollständig und einseitig“.
Den Vergleich mit dem Boos-Bild in der Galerie hält Bernnat hingegen für unzutreffend. So hebe sich die Schwarz-Weiß-Fotografie bewusst von den großen Gemälden ab. Verbrechen auf der einen Seite könnten außerdem nicht durch gute Taten auf der anderen Sei aufgerechnet werden. „So geht das nicht.“
Seine Fraktionskollegin Annette Bachmann-Ade machte ebenso klar: „1965 war eine andere Zeit. Damals war man noch nicht so weit.“ Vieles sei seinerzeit unter den Tisch gekehrt worden.
Das sagt der OB
OB Jörg Lutz widersprach ebenfalls, dass es sich 1965 um einen Akt der Versöhnung gehandelt habe. „Wir diskutieren nicht über die Opfer“, mahnte Lutz eine Gesamtbetrachtung an. Fast 200 Menschen seien ein Leben lang betroffen. „Es gibt keinen Hinweis, dass Carl Keller die Taten reflektiert hat.“
Den Vergleich mit Boos in der Galerie wollte Lutz nicht gelten lassen. „Das ist eine andere Hausnummer.“
Er habe Verständnis für die Anwohner hinsichtlich des administrativen Aufwands. Doch es gebe Momente im Leben, da überwiege die bürgerliche Pflicht. Die Verhältnismäßigkeit des bürokratischen Aufwands sei gegeben.
Der OB rechnet nicht mit einem einstimmigen Votum im Gemeinderat in der nächsten Woche. „Mit Mehrheiten lebt die Demokratie.“ Dies sei ein normaler Vorgang.
Künftig Oberer Weg?
Eine Option ist noch, dass dem Wunsch einiger Anwohner Rechnung getragen wird und die Umbenennung in Oberer Weg erfolgt. Lutz gab das Signal, dass auch nach einer Grundsatzentscheidung der Umbenennung später der Nachfolgename noch diskutiert werden kann. „Da ist weniger Eile geboten.“